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„COVID-19 Snapshot Monitoring“ (COSMO): Ergebnisse der 4. Befragungswelle

Unter der Leitung von Prof. Dr. Cornelia Betsch, Heisenberg-Professorin für Gesundheitskommunikation an der Universität Erfurt, betreibt das Robert-Koch-Institut gemeinsam mit weiteren Kooperationspartnern derzeit ein „COVID-19 Snapshot Monitoring“ (COSMO). Das Konsortium ermittelt einmal pro Woche in einer Online-Live-Umfrage, wie Menschen subjektiv die Risiken des COVID-19-Virus wahrnehmen, welche Gegenmaßnahmen bekannt sind, welche davon bereits angewandt oder abgelehnt werden. Ziel dieses Projektes ist es, einen wiederholten Einblick in die „psychologische Lage“ der Bevölkerung zu erhalten. Dies soll es erleichtern, Kommunikationsmaßnahmen und die Berichterstattung so auszurichten, um der Bevölkerung korrektes, hilfreiches Wissen anzubieten und Falschinformationen und Aktionismus vorzubeugen.

Corona-Virus
Corona-Virus

Neue Befunde aus dem Monitoring wurden heute veröffentlicht. Die beteiligten Forscherinnen und Forscher ziehen daraus folgende Schlüsse:

  • Seit Anfang März ist die emotionale Besorgtheit, Risikowahrnehmung und Dominanz des Themas deutlich und kontinuierlich gestiegen; im Vergleich zur Vorwoche zeigt sich jedoch keine deutliche Zunahme.
  • Das Vertrauen in Behörden und das Gesundheitssystem ist weiter hoch, das Robert-Koch-Institut genießt nach wie vor höchstes Vertrauen.
  • Die ergriffenen Maßnahmen werden gut akzeptiert, die Zustimmung für die Ausrufung des Katastrophenfalls ist im Vergleich zur Vorwoche jedoch gesunken.
  • Immer noch gibt es eine Kluft zwischen Wissen und Handeln; freiwillige Quarantäne ist selten. Insbesondere kranke Menschen bleiben selten zu Hause, bei COVID-19-Symptomen wird häufig keine Selbst-Quarantäne eingehalten.
  • Das Wissen um Immunität nach der Erkrankung ist schlecht, neues Wissen (z.B. über neue Symptome wie vorübergehenden Geschmacks- und Geruchsverlust) wird schnell aufgenommen.
  • Wirtschaftliche und gesellschaftsbezogene Sorgen sind derzeit größer als die Sorgen, jemanden zu verlieren.
  • Arbeitgeber werden erstmals relevant: Wer weniger Vertrauen hat, dass der Arbeitgeber gut und richtig mit der Krise umgeht, nimmt ein höheres Risiko für sich wahr.
  • Weniger als die Hälfte der Eltern findet, dass der Schulunterricht gut fortgeführt wird.
  • Das Bewältigungsverhalten der Bevölkerung im Umgang mit der Krise ist gut ausgeprägt, was darauf hindeutet, dass Bewältigungsressourcen in der Bevölkerung vorhanden sind. Inwieweit diese geschont, erhalten und gesichert werden müssen, wird sich erst in den nächsten Wochen zeigen.
  • Ältere nehmen immer noch eine geringere Erkrankungswahrscheinlichkeit wahr, betreuen Enkelkinder wegen der geschlossenen Einrichtungen (aber weniger als in der vergangenen Woche), fühlen sich psychisch widerstandsfähiger und weniger belastet – und ergreifen dadurch eventuell auch weniger Schutzmanßnahmen.
  • Jüngere leider an Situation stärker als Ältere und denken eher, dass andere sich nicht an Schutzmaßnamen halten. Wer denkt, dass sich andere nicht an Schutzmaßnahmen halten, hält sich selbst auch eher nicht an solche Empfehlungen.
  • Insgesamt wird eine Sanktionierung von Verstößen gegen die neuen Regeln stark befürwortet.
  • Von sogenannten Corona-Partys, also dem absichtlichen Anstecken, wurde auch in dieser Woche so selten berichtet (3%), dass keine seriösen Analysen über statistische Zusammenhänge mit anderen Variablen möglich sind. Jedoch ist besonders bei jüngeren Menschen zu beobachten, dass sie eher davon ausgehen, an COVID-19 zu erkranken als ältere, eine Erkrankung aber als weniger schwerwiegend einschätzen. Außerdem scheinen sie in der aktuellen Situation besonders psychologisch belastet zu sein (geringere Lebenszufriedenheit, geringere Resilienz, stärkere psychologische Belastungssymptome), so dass die Suche nach Kontakt eine Kompensationsmaßnahme für die höhere psychische Belastung sein könnte.

Daraus ergeben sich folgende Empfehlungen seitens der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler:

  • Die psychologische Lage muss thematisiert werden. Individuelle Lösungsvorschläge sollten aufzeigt werden; insbesondere Männer im Alter zwischen 30 und 39 Jahren scheinen stärker betroffen zu sein. Maßnahmen zur Steigerung der Resilienz sollten niederschwellig angeboten werden, z.B. auch in öffentlich-rechtlichen Medien, die derzeit eine hohe Relevanz haben.
  • Die Maßnahmen sollten immer stark mit Bezug auf den Einzelnen kommuniziert werden: Was bedeuten physische Distanzierung, eine Schulschließung oder der Katastrophenfall für mich? Einfache Daumenregeln sollten kommuniziert werden: z.B. 1,50 Meter – wie viel ist das? Das hilft bei der Umsetzung.
  • Soziale Normen sollten kommuniziert und Verstöße gegen die Regeln sanktioniert werden. Es ist wichtig, zu wissen, dass andere sich auch an die Regeln halten.
  • Es muss noch deutlicher werden: bei COVID-19 Symptomen in Selbst-Quarantäne! Wer krank ist, muss zu Hause bleiben!
  • Es sollten auch offline-/analoge Kampagnen erwogen werden, z.B. in Supermärkten in kleinen Informationseinheiten zum Im-Vorbeigehen-Lesen.
  • Während der Corona-Pandemie sind die Gemeinschaft und die Solidarität existenziell. Es ist weiterhin wichtig und notwendig, an die Solidarität zu appellieren und so das Bewusstsein der Zusammengehörigkeit und gegenseitiger Hilfsbereitschaft über allen Menschengruppen hinweg zu stärken.

Weitere Informationen / Kontakt:
Prof. Dr. Cornelia Betsch
E-Mail: cornelia.betsch@uni-erfurt.de