| Katholisch-Theologische Fakultät

Frieden durch Abschreckung: Eine suboptimale, aber notwendige Lösung?

Die Maxime des Friedens durch Abschreckung und der Ukraine-Krieg – Themen, die einen starken Kontrast zur vorweihnachtlichen Kulisse innerhalb und außerhalb des Festsaals des Erfurter Rathauses bildeten, in dem sich am Mittwochabend Gäste aus Politik und Wissenschaft und eine bunt gemischte Zuhörerschaft versammelt hatten, um miteinander ins Gespräch zu kommen.

Auf dem Podium saßen Katrin Göring-Eckardt MdB, Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Dr. Peter Rudolf, Senior Fellow in der Forschungsgruppe Amerika der Stiftung Wissenschaft und Politik und Prof. Dr. Elke Mack, Sozialethikern an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt. Moderator Steffen Zimmermann eröffnete die Diskussion, indem er seine GesprächspartnerInnen bat, eine Einschätzung der aktuellen Lage zu geben. Katrin Göring-Eckart hob vor allem hervor, dass es in den letzten Wochen erneut einen massiven Versuch gegeben habe, die ukrainische Zivilbevölkerung durch Angriffe auf Infrastruktur zu schwächen und zu demoralisieren, was aber nicht gelinge, da es „zum Glück ein großes Selbstbewusstsein der Ukraine“ gebe.

Darüber, dass die Ukraine ein Recht darauf hat, das eigene Territorium und die eigene Bevölkerung zu verteidigen, waren sich alle DiskussionsteilnehmerInnen einig. Man könne Selbstverteidigung jedoch immer nur als „kleineres Übel“ betrachten und das Ziel müsse immer sein, einen gerechten Frieden herbeizuführen, so Sozialethikerin Elke Mack. In eine ähnliche Richtung ging auch die Antwort von Katrin Göring-Eckart als sie danach gefragt wurde, ob es sie viel Überwindung gekostet hätte, für Waffenlieferungen in die Ukraine zu stimmen: „Natürlich wünschen wir uns alle, dass Waffenstillstand herrscht. Aber was ist die Voraussetzung dafür?“

Dass man mit Präsident Vladimir Putin im Moment keine verlässlichen Absprachen treffen könne, war ein weiterer roter Faden, der sich durch das Gespräch zog. Die Möglichkeit, die andere Konfliktpartei einschätzen zu können und deren Handlungsmaximen zu verstehen sei auch für das Prinzip des Friedens durch Abschreckung entscheidend, so Peter Rudolf: „Abschreckung setzt immer voraus, dass ein Mensch sich rational verhält.“ Auch wurde immer wieder betont, dass der Angriffskrieg Russlands in der Ukraine keine reine Auseinandersetzung um Territorium sei, sondern dass es darum ginge, einem Land mit seiner Geschichte und Kultur seine Daseinsberechtigung abzusprechen.

Wie ist nun solch ein Krieg aus der Sicht des Pazifismus zu bewerten? Katrin Göring-Eckart und Elke Mack waren sich darin einig, dass man zwischen der Ebene des Individuums, das die andere Wange hinhalten kann, und des Staates als Institution, der Verantwortung für seine Bevölkerung trägt, unterscheiden müsse. Der Staat müsse, so Elke Mack, davon ausgehen, dass Inaktivität zu einer Besetzung und damit zu weiteren Gräueltaten führen würde. „Als Individuum kann Mensch Pazifist sein, als Institution nicht“, fasste Katrin Göring-Eckart zusammen.

Welche Zukunftsaussichten kann es in dieser Situation geben? Ist ein Frieden mit Putin möglich oder sollten wir unsere Hoffnung auf einen Machtwechsel in Moskau richten? Diese Frage wurde von einem Zuhörer im Anschluss an die Diskussion gestellt. Peter Rudolf betonte, dass man gerade von einer politikwissenschaftlichen Warte aus keine Zukunftsprognosen machen solle und könne, wies aber auf das seit langer Zeit in der russischen Politik verwurzelte geopolitische Denken hin, dass nicht nur von der aktuellen Regierung, sondern auch in Teilen der Opposition weit verbreitet sei. Insofern müssen Europa und die NATO eine längerfristige Strategie entwickeln, um mit dieser russischen Geopolitik umzugehen. Etwas hoffnungsvoller blickten Katrin Göring-Eckart und Elke Mack in die Zukunft. Die Grünen-Politikerin erinnerte sich daran, wie sie als Bürgerin der DDR niemals damit gerechnet habe, dass es eine deutsche Wiedervereinigung zu ihren Lebzeiten geben könne, dann aber die friedliche Revolution stattgefunden habe. Sozialethikerin Elke Mack schloss sich an: „Man sollte keinem Kulturpessimismus huldigen, sondern darf langfristig optimistisch sein, denn die Weltgesellschaft entwickelt sich kontinuierlich zum besseren hin – es sei denn Kriege werfen uns zivilisatorisch zurück.“

 

Die Podiumsdiskussion zum Thema „Frieden durch Abschreckung“ war der erste Teil der Veranstaltungsreihe „Theologie im Gespräch mit Politik“. Die zweite Podiumsdiskussion mit dem Titel „Dem Staat (noch) vertrauen“ wird im neuen Jahr stattfinden.