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Universität Erfurt entwickelt Quiz zum Thema Sprachentwicklungsstörungen

Am 16. Oktober 2020 findet der internationale Tag der Sprachentwicklungsstörungen (DLD awareness day) unter dem Motto „DLD – See me!” statt. Zum dritten Mal werden durch verschiedene Aktionen Sprachentwicklungsstörungen (SES) in der breiten Öffentlichkeit bekannter gemacht. Die Universität Erfurt beteiligt sich daran mit einem Quiz.

"2019 wurden beim 'DLD awareness day' unter anderem Wahrzeichen wie die Niagara Fälle und die Victoria Bridge in Brisbane (Australien) in den Kampagnenfarben violett und gelb erleuchtet", berichtet Sandra Neumann, Professorin für Inklusive Bildungsprozesse bei Beeinträchtigungen von Sprache und Kommunikation an der Universität Erfurt. "Auch Social-Media-Aktionen fanden statt. In diesem Jahr wird der Tag auch im deutschsprachigen Raum als Tag der Sprachentwicklungsstörung unter dem Motto ‘SES - Schau hin!’ begangen."

Sprachentwicklungsstörungen treten während des Spracherwerbs als Folge einer primären Erkrankung, z.B. einer Hörstörung, oder als isolierte Störung im Laufe des Spracherwerbs auf. Dabei können verschiedene Modalitäten der Sprache und des Sprechens betroffen sein. Unterschieden werden die Bereiche Aussprache, Wortschatz, Grammatik und Kommunikationsverhalten. Meistens sind mehrere Modalitäten betroffen. Typisch sind auch individuelle Unterschiede. Studien zeigen, dass ca. 7% der Kinder von einer Sprachentwicklungsstörung betroffen sind, das sind etwa zwei Kinder in jeder Kindergartengruppe oder Schulklasse. Je nach Schweregrad und Komplexität der SES kann sich diese langfristig auf die Entwicklung eines Kindes auswirken und auch noch im Schulalter weiter fortbestehen. Die Idee, dass sich eine Entwicklungsstörung verwächst, ist wissenschaftlich nicht zu belegen. Vielmehr zeigen sich häufig auch Folgestörungen. Kinder mit einer Sprachentwicklungsstörung werden beispielsweise als ängstlicher oder hyperaktiver erlebt als typisch entwickelte Kinder. Da das schulische Lernen stark auf Sprache und Sprechen aufbaut, fällt Kindern und Jugendlichen mit einer Sprachentwicklungsstörung das Lernen allgemein oft schwer.

„Häufig wird das Verhalten betroffener Kinder fälschlicherweise als unaufmerksames oder schlechtes Verhalten interpretiert“, sagt Prof. Neumann. „Dem Kind werden dann allgemeine Lernschwierigkeiten unterstellt oder die Ursache wird bei den Eltern gesucht.“ Aber: Kindern und Jugendlichen mit einer SES kann geholfen werden. Eine frühzeitige sprachtherapeutische Behandlung kann die sprachliche Entwicklung der Kinder unterstützen und massive Folgeerscheinungen abmildern oder sogar verhindern. Sandra Neumann betont: „Pro Schulklasse sind im Schnitt zwei Kinder von einer SES betroffen. Deshalb ist es notwendig, dass Lehrkräfte über das Störungsbild der SES informiert sind und wissen, wo sie Unterstützung bekommen.“ Im schulischen Bereich können ausgebildete Lehrkräfte mit sonderpädagogischer Expertise im Förderschwerpunkt Sprache das Lernen der Kinder und deren soziale Teilhabe fördern. Letztere werden seit 2019 auch an der Universität Erfurt durch den neu entstandenen Arbeitsbereich “Inklusive Bildungsprozesse bei Beeinträchtigungen von Sprache und Kommunikation” sowohl im Bachelor- als auch im Master-Studiengang Förderpädagogik ausgebildet. Ziel ist die qualitativ hochwertige sonder- und sprachpädagogische Lehrer*innenausbildung für den gemeinsamen Unterricht in Thüringen. Darüber hinaus kann der Schwerpunkt nun als eigenständiger Studienbereich im außerschulischen Master Sonder- und Integrationspädagogik studiert werden.

Auch in der Forschung beschäftigt sich die Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Sandra Neumann mit der kommunikativen Teilhabe von Kindern mit SES und anderen Sprachstörungsbildern, wie Lippen-, Kiefer-, Gaumen-, Segelfehlbildungen, Aussprachestörungen oder Stottern. Hier untersucht das achtköpfige Team die Auswirkungen von unterschiedlichen Sprachstörungen auf die Verständlichkeit, das Wohlbefinden, die Lebensqualität und die Teilhabe bzw. soziale Integration der betroffenen Kinder im Schul- und Vorschulalter.

Der diesjährige internationale Tag der Sprachentwicklungsstörung macht mit dem Slogan "SES – Schau hin!" auf die Störung aufmerksam. In Deutschland werden in diesem Rahmen am 16. Oktober parallel zahlreiche Aktionen stattfinden. Die Universität Erfurt beteiligt mit der Übersetzung und technischen Umsetzung eines Online-Quizes. Anhand von zehn Fragen erfahren Interessierte mehr über Hintergründe zu Sprachentwicklungsstörungen und deren Auswirkungen auf die betroffenen Menschen.

Prof. Dr. Sandra Neumann: "Schauen auch Sie genau hin! Vielleicht stehen die Ängstlichkeit, die Hyperaktivität oder die Lernbeeinträchtigung eines Kindes in der KiTa-Gruppe oder in der Schulklasse im Zusammenhang mit einer Sprachentwicklungsstörung. Weil es wichtig ist, mögliche Auffälligkeiten frühzeitig zu erkennen und gezielt zu behandeln, sollten Eltern und Fachkräfte bei Bedarf Expert*innen zu Rate ziehen. Auf dem Forschungsblog "sprachfertig" der Universität Erfurt finden Sie Informationen zu SES, laufenden Forschungsprojekten zu Sprache & Kommunikation und interessanten Veranstaltungen."

Warum ein internationaler Tag der Sprachentwicklungsstörung?

Der Tag wurde 2010 in Großbritannien ins Leben gerufen und hat sich seitdem weltweit durchgesetzt. Vergangenes Jahr wurden unter anderem Wahrzeichen wie die Niagara Fälle und die Victoria Bridge in Brisbane (Australien) in den Kampagnenfarben Violett und Gelb erleuchtet. Auch Aktionen lokal vor Ort und auf den verschiedenen Social-Media-Kanälen fanden statt. Die Initiator*innen des internationalen Tages stellen seit mehreren Jahren wissenschaftlich fundierte Materialien zusammen. Wissenschaftler*innen aus der ganzen Welt steuern dazu Übersetzungen in anderen Sprachen bei. So können sich Interessierte, Betroffene und Fachkräfte, die mit Kindern und Jugendlichen mit SES zusammenarbeiten, über den Youtube Kanal „RALLY campaign“, die Internetplattform radld.org und der dort verfügbaren Informationsmaterialien in vielen Sprachen über die Störung informieren. SES soll nicht weiter unsichtbar sein.