SPF Bildung. Schule. Verhalten. Philosophische Fakultät

Das essende Subjekt

Jürgen Martschukat: Adipositas wird gegenwärtig als ein Problem beschrieben, das in modernen Gesellschaften und insbesondere in den USA epidemische Ausmaße annimmt. Von dieser Beobachtung ausgehend, will das vorliegende Projekt eine Geschichte des Essens, des Dickseins, der Gesundheit und ihrer Regulierungen in den USA seit der Mitte des 19. Jahrhunderts schreiben.

Laufzeit
10/2012 - 09/2014

Finanzierung
Fritz Thyssen Stiftung :
24 000 Euro

Laufzeit
10/2014 - 09/2015

Laufzeit
10/2015 - 04/2017

Projektleitung

Prof. Dr. Jürgen Martschukat
Inhaber der Professur für Nordamerikanische Geschichte (Historisches Seminar)

Adipositas wird gegenwärtig als ein Problem beschrieben, das in modernen Gesellschaften und insbesondere in den USA epidemische Ausmaße annimmt. Von dieser Beobachtung ausgehend, will das vorliegende Projekt eine Geschichte des Essens, des Dickseins, der Gesundheit und ihrer Regulierungen in den USA seit der Mitte des 19. Jahrhunderts schreiben. Essen und Adipositas sind deshalb so ergiebige Phänomene für die historische Analyse, weil sie in das Zentrum moderner, liberaler Gesellschaftsordnung hineinführen.

In dieses Zentrum war im Zuge von Aufklärung und atlantischen Revolutionen das „freie Subjekt“ gerückt. Einerseits als Ausgangspunkt gesetzt, war das „freie Subjekt“ andererseits gefordert, sich permanent als solches zu beweisen, indem es seine Freiheiten produktiv und verantwortungsbewusst nutzte und so das Bestehen der freiheitlichen Ordnung sicherte. Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts avancierte ein leistungsfähiger Körper mehr und mehr zum Ziel und Ausdruck verantwortungsbewussten Handelns. Die Fähigkeiten der Individuen, als liberale Subjekte zu funktionieren, und der Erfolg der freiheitlichen Ordnung als Ganzes schienen zunehmend an deren Körpern ablesbar. Übergewichtige Menschen wurden vor diesem Hintergrund als problematisch erachtet, und Diät-, Fasten- und Fitnessbewegungen begannen zu entstehen. Von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis in unsere Gegenwart sind Problematisierungen von Ernährung, Gesundheit und Fitness äußerst virulent, und sie kreisen immer auch um die Befähigungen der Menschen als selbstregulierte, rationale Subjekte und somit um ein Grundprinzip moderner, liberaler Gesellschaftsordnung.

Das Projekt untersucht diesen Zeitraum anhand von drei Fragekomplexen: Erstens sollen Essen und Ernährung als zentrale Kraft in der Formierung und Regulierung von modernen Gesellschaften und entsprechenden Subjektivitäten analysiert werden. Zweitens soll herausgearbeitet werden, wie Ernährung mit soziokulturellen Differenzierungen entlang von Kategorien wie „race, class, gender“ korrespondierte und so Unterschiede zwischen Menschen fest- und fortgeschrieben wurden. Drittens wird das Projekt Betrachtungen von Diskursen, von Institutionalisierungen sowie von Handlungs- und Denkweisen konkreter historischer Akteurinnen und Akteure miteinander verschränken. Dabei wird auf der Ebene der handelnden Subjekte ein Akzent der Projektforschung liegen, die die Wirkmächtigkeiten der Essens- und Körperdiskurse im Leben von Menschen herausarbeiten wird.