SPF Religion. Gesellschaft. Weltbeziehung. Philosophische Fakultät

Westlicher Traditionalismus/Perennialismus und sein Einfluss auf das Orthodoxe Christentum

Vasilios N. Makrides: Das Forschungsprojekt zielt darauf, eine vergleichende Analyse jener Reflexion über die Stellung des orthodoxen Christentums in der Moderne und hinsichtlich des religiösen Pluralismus zu unternehmen, die als „orthodoxer Perennialismus“ bezeichnet wird. Letzterer stellt eine orthodoxe Rezeption bestimmter westlicher esoterischer Ansätze über eine „ewige Philosophie“ („philosophia perennis“) in den verschiedenen Religionen dar und ist ein Versuch, die geistigen und religiösen Konturen der orthodoxen Präsenz in der Moderne neu zu überdenken und zu artikulieren. Das Hauptaugenmerk ist dabei auf zwei Autoren gerichtet, die diese Positionen vertreten haben: auf den britischen Hellenisten, Philosophen und orthodoxen Konvertierten Philip Sherrard (1922-1995) und auf den orthodoxen rumänischen Priestermönch und Theologen André Scrima (1925-2000).

Laufzeit
05/2017 - 04/2020

Finanzierung
Fritz Thyssen Stiftung :
141 400 Euro

Laufzeit
05/2017 - 04/2020

Finanzierung
Fritz Thyssen Stiftung :
70 000 Euro

Projektleitung

Prof. Dr. Vasilios N. Makrides
Inhaber der Professur für Orthodoxes Christentum (Philosophische Fakultät)

Das Forschungsprojekt zielt darauf, eine vergleichende Analyse jener Reflexion über die Stellung des orthodoxen Christentums in der Moderne und hinsichtlich des religiösen Pluralismus zu unternehmen, die als „orthodoxer Perennialismus“ bezeichnet wird. Letzterer stellt eine orthodoxe Rezeption bestimmter westlicher esoterischer Ansätze über eine „ewige Philosophie“ („philosophia perennis“) in den verschiedenen Religionen dar und ist ein Versuch, die geistigen und religiösen Konturen der orthodoxen Präsenz in der Moderne neu zu überdenken und zu artikulieren. Das Hauptaugenmerk ist dabei auf zwei Autoren gerichtet, die diese Positionen vertreten haben: auf den britischen Hellenisten, Philosophen und orthodoxen Konvertierten Philip Sherrard (1922-1995) und auf den orthodoxen rumänischen Priestermönch und Theologen André Scrima (1925-2000).

Die Artikulierung einer Theorie zur Vielfalt der Religionen und ihrer angenommenen metaphysischen Einheit im Rahmen einer kritischen Diagnostik der Probleme der materialistischen, habgierigen und säkularen Moderne geht auf den französischen Philosophen René Guénon (1886-1951) zurück, der hinter allen historischen Religionen einen gemeinsamen inneren, ewigen und primordialen Kern – „die Tradition“ – postulierte. Letzterer könnte – so Guénon – den Weg aus den zahlreichen Problemen und Sackgassen der westlichen Moderne zeigen und als Lösung gelten. Der Zugang zu dieser esoterischen „Tradition“ sei jedoch nur als Folge eines Einweihungsrituals möglich, dessen Form sich von Religion zu Religion unterscheide. Die daraus entstandene Denkrichtung wurde in der Forschung unter dem Namen „Perennialismus“ oder auch „Traditionalismus“ bekannt, deren Eckpunkte sind: die Suche nach dem bleibenden Kern und Wesen hinter allen religiösen Erscheinungen, die Diagnostizierung einer akuten Krise der modernen westlichen Welt, die Postulierung dieser esoterischen religiösen Tradition als Ausweg aus dieser Krise, der einweihungsbestimmte Zugang zu dieser Tradition, und die Aufgabe einer „geistlichen Hermeneutik“ zu einer neuen Lebensorientierung.

Die spezifisch orthodoxe Aneignung solchen perennialistischen/traditionalistischen Gedankenguts wurde auf verschiedenen Ebenen unternommen. Im Falle von P. Sherrard wurde dies mit einem ähnlich gelagerten orthodoxen Antiokzidentalismus verbunden, bei dem die Ursache der Krise der modernen Welt eine geschichtstheologische Erklärung bekam, insbesondere durch die exzessive Legitimierung der Vernunft als epistemischer Autorität im Westen, die einseitige Rationalisierung des Glaubens seit der mittelalterlichen Scholastik, die Schwerpunktsetzung auf einer Diesseitsorientierung und die Entwicklung der Technologie, die die Sakralität der Schöpfung zerstört und zur modernen tiefen ökologischen Krise geführt habe. Bei A. Scrima war die Aneignung des westlichen Perennialismus mit einer ökumenischen Öffnung der orthodoxen Tradition verbunden; z. B. sah er Ähnlichkeiten zwischen den perennialistischen Einweihungsritualen und den christlichen Sakramenten. Sein Ziel war die Artikulierung einer „geistlichen Hermeneutik“ als Erklärungsansatz und -instrument des religiösen Lebens der Menschheit. Später distanzierte sich Scrima von der Krisenrhetorik und dem Kulturpessimismus Guénons.

Die Rezeption perennialistischen, esoterischen Gedankenguts stellt ein besonderes Kapitel in den religiösen und kulturellen Beziehungen zwischen Ost und West in Europa dar und illustriert deren vielfältige Interferenzen im Bereich religiöser Ideen und Kulturentwicklungen. Darüber hinaus zeigt sich, wie die orthodoxe Theologie versucht hat, sich in der Moderne zu positionieren, welche Änderungen dabei vorgenommen wurden und wie wichtige orthodoxe Orientierungen (z. B. die Betonung der authentischen christlichen Tradition) in diesem Rahmen neu artikuliert wurden.

Der theoretische Rahmen des Forschungsvorhabens ist zum einen von den aktuellen Diskussionen um die „Erforschung der westlichen Esoterik“ bestimmt. Zum anderen versteht Prof. Makrides das Projekt auch als einen religionswissenschaftlichen Beitrag zur Kulturgeschichte des Orthodoxen Christentums.