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Max-Weber-Kolleg für kultur- und sozialwissenschaftliche Studien
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Universität Erfurt
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Die Toten vor den Toren: Begräbnisse außerhalb der Stadt in München und London, 1520-1870
Das Projekt beschäftigt sich mit einer der grundlegendsten urbanen Veränderungen der Frühen Neuzeit: dem Bedeutungswandel des vorstädtischen Bestattungsraumes. Während im sechzehnten Jahrhundert nur „Unehrenhafte“, Fremde oder Pesttote „vor dem Stadttor“ beigesetzt wurden, kam es im Untersuchungszeitraum zu einem neuen Verständnis des Gebietes extra muros, sodass spätestens ab der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts fast alle Bürgerinnen und Bürger europäischer Städte vor der (ehemaligen) Stadtmauer begraben wurden. Dabei spielten religiöse und urbane Faktoren, wie die Reformation, neue Hygienekonzepte oder die steigende Bevölkerungsdichte eine hervorgehobene Rolle.
Das komplexe Verhältnis zwischen Lebenden und Toten wurde grundlegend neu geordnet und die Bestattungen außerhalb des Stadtzentrums auch gegen signifikante Widerstände seitens der Bürgerinnen und Bürger durchgesetzt.Gleichzeitig gab es auch wichtige Ausnahmen zu den Begräbnissen außerhalb der Stadtmauern, wie z.B. Regenten, die weiterhin innerhalb der Stadt begraben wurden. Deshalb sind Residenzstädte für eine Untersuchung, die die urbane Nekrogeographie als Ganzes untersucht, besonders geeignet.
Das Projekt untersucht, welche innerstädtischen Grablegen beibehalten wurden, wie die alten Friedhöfe geschlossen wurden und die neuen Begräbnisorte verwaltet wurden, welche Praktiken dort stattfanden und welche Akteursgruppen dabei eine Rolle spielten. Es hinterfragt Meisternarrative der Sepulkralforschung, wie einer zunehmenden Säkularisierung des Friedhofes vor den Toren der Stadt oder der Verdrängung der Toten aus frühneuzeitlichen Städten und argumentiert stattdessen, dass die Toten und deren Gedächtnis auch noch präsent waren, als sie vor den Toren der Stadt begraben wurden.
Der Vergleich zwischen zwei wichtigen urbanen Zentren, München und London, gibt die Möglichkeit die Dynamiken der Neuverortung der Toten und des städtischen Raumes in vergleichender Perspektive zu betrachten. Die anglikanisch geprägte Handelsmetropole London und das katholische München ermöglichen dabei religiöse, wirtschaftliche und städteplanerische Aspekte vergleichend zu analysieren. Das Projekt fragt, wie sich die städtische Gemeinschaft durch die Neuordnung der Toten in diesem Zeitraum veränderte und wie sich religiöse, städtische und höfische Faktoren dabei gegenseitig beeinflussten.
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