Im Juli 2022 richtete die Forschungsgruppe "Praxeologien der Wahrheit" den Workshop "Embodiments of Truth?" aus, in dem nach der grundlegenden körperlichen Performativität von Wahrheit gefragt wurde. Als sozialer Operator ist Wahrheit in Szenarien beobachtbar, in denen die Beziehungen und kommunikativen Praktiken ihrer Akteure über deren Körper verhandelt werden. Der Workshop untersuchte die konkreten Rollen untersuchen, die menschlichen Körpern in Wahrheitsszenarien zugeschrieben und von ihnen ausagiert werden. Wie nehmen Körper an Wahrheitsszenarien teil? Kann jede Person mit jeglichem Körper als Wahrheitsfigur (Richter*in, Zeug*in, Priester*in, Übersetzer*in, etc.) auftreten, oder werden diskursive Zuschreibungen an ihre Körper hier zum Hindernis?
Organisation: Forschungsgruppe "Praxeologien der Wahrheit" (Bernhard Kleeberg, Ilka Saal, Antonia Purk)
Programm: PDF
Mo., 25.04.
Prof. Dr. Martin Mulsow (Universität Erfurt): „Wahrheit. Eine Tiefengeschichte“
Mo., 09.05.
Dr. Cedric Essi (Universität Osnabrück): „Copyrighting Neo-Confederate Truth“
Mo., 23.05.
Prof. Dr. Sylvia Sasse (Universität Zürich): „Das Theater gestehen. Über öffentliche Geständnisse in der stalinistischen Sowjetunion und im heutigen Belarus“
Mo., 13.06.
Dr. Maria Cecilia Oliveira (IASS Potsdam): “Digitalization between Environmental Activism and Counter-Activism: Truth Regimes in the Brazilian Amazon”
Mo., 20.06.
Prof. Dr. Sophia Hoffmann (Universität Erfurt): „Epistemologie von Nachrichtendiensten und Geheimhaltung als Ausdruck
von Staatssouveränität“
Mo., 04.07.
Prof. Dr. Nicola Gess (Universität Basel): „Halbwahrheiten“
Mo., 15.11. – Gemeinsame Lektüre: Wahrheit und Wirklichkeit
Mi., 24.11. – Laurens Schlicht (Universität des Saarlandes): „Wahrheitstechniken. Aussagepsychologische Experimente zur Beurteilung der Wahrheit von Kinderaussagen in Psychologie und Weiblicher Kriminalpolizei, 1900-1945“
Mo., 29.11. – Folke Schuppert (Universität Erfurt): „Verschwörungstheorien und digitale Demokratie“
Mo., 13.12. – Fabian Prochazka (Universität Erfurt): „Medienvertrauen und seine epistemische Relevanz in digitalen Öffentlichkeiten“
Mo., 10.01. – Katrin Horn (Universität Bayreuth): "Gossip as Knowledge in / about the Nineteenth Century"
Mo., 24.01. – Eva Boesenberg (Humboldt-Universität, Berlin): "Truth and Discomfort: Reading Toni Morrison's 'Recitatif' as a White Person"
Mo., 19.04. Bernhard Kleeberg: Wahrheit, Dissonanz und Gruppe. Zur Praxeologie der Wahrheit
Mo., 03.05. Andreas Langenohl (Giessen): Die Konstellation nach den Massenmedien: Zur Begründbarkeit von Normen politischer Kommunikation
Mo., 10.05. (A-Woche) Frieder Vogelmann (Frankfurt a. M.): Wahrheit als epistemische Kraft. Ein philosophisches Bild
Mo., 17.05. Gemeinsame Lektüre: Theatralität, Performanz und Wissen
Mo., 31.05. Philipp Schmid (Erfurt): Widerlegen von Falschinformationen - Eine psychologische Perspektive
Mo., 14.06. Andreas Thier (Zürich): Was ist wahr? Beobachtungen zum Umgang von Recht und Rechtspraxis mit der Wahrheitsfrage
Mi., 14.07. Maike Lehmann (Jena/Bremen): Abendvortrag zur Tagung „Dissidents as Figures of Truth“
Do/Fr 15.-16.07. Tagung „Dissidents as Figures of Truth”
International conference organised by the research initiative (East) European Epistemologies (Friedrich Cain, Dietlind Hüchtker, Bernhard Kleeberg, Karin Reichenbach and Jan Surman). In cooperation with the Faculty Centre for Transdisciplinary Historical and Cultural Studies, University of Vienna; the Leibniz Institute for the History and Culture of Eastern Europe, GWZO, Leipzig; the Research Group “Praxeologies of Truth”/University of Erfurt; the Masaryk Institute and Archives of the Czech Academy of Sciences
Siehe Call for Papers
Siehe Programm
Bernhard Kleeberg: "Resilienz und Reaktion. Zur Sozialpsychologie der Wahrheit"
Vortrag im Seminar für Nachwuchswissenschaftler*innen zu "Resilienz. Annäherungen aus der Sicht verschiedener Wissenschaftsdisziplinen," 8. Juli 2021, 9.15 Uhr, online
Max-Weber-Kolleg, Universität Erfurt
Bernhard Kleeberg: Wahrheit als Dissonanzpumpe. Zur Empirie der "post-truth era."
Hans-Kilian-Vorlesung, 3.2.2021, 16-18.00, Zoom
Hans Kilian und Lotte Köhler-Centrum für sozial- und kulturwissenschaftliche Psychologie und historische Anthropologie, Ruhr-Universität Bochum
Erfurt, Max-Weber-Kolleg, 25. April und 26. April 2019
Organisiert von: Bernhard Kleeberg (Universität Erfurt) und Laurens Schlicht (HU Berlin)
Mit Beiträgen von: Peter Becker, Larissa Fischer, Ruben Marc Hackler, David Keller, Barbara Krasmann, Sophie Ledebur, Sarah Lempp, Maria Christina Müller, Martin Mulsow, Bettina Paul, Henning Schmidgen, Martin Wieser und Mariia Zimina (Programm).
Wahrheit scheint nur dann sinnvoll zu sein, wenn sie als zeit- und subjektunabhängig begriffen wird. Und doch ist sie auf innigste Weise auf Praktiken angewiesen, die Akteure in bestimmten Situationen ausüben, auf Techniken, die eingeübt und Verfahren, die angewandt werden. Das, was die Semantik und die kommunikative Logik von Formen von Wahrheit in Gang setzt, scheinen dabei spezifische Formen des Umgangs (mit Subjekten, Positionen, Wissen etc.) zu sein. Wir nehmen an, dass Wahrheit unter anderem als Differenzeffekt auftritt, Liminalität markiert oder Ambiguität reduziert, etwa in Grenzdiskursen oder Situationen (krisenhafter) Unübersichtlichkeit und Unsicherheit. So wird Wahrheit implizit im Rahmen von Praktiken der Wissensvermittlung eingesetzt, um Wissen von Nichtwissen zu unterscheiden, wird angerufen, um sich seiner selbst zu vergewissern, um transitorisches Wissen in Streitsituationen zu arretieren, zu qualifizieren oder von Pseudowissen abzusetzen, dient als regulative Idee der Motivation von Erkenntnisfortschritt, oder als (in-)offizielle Wahrheit der Ausübung von Macht bzw. dem Aufruf zur Subversion.
Im Rahmen operativer Praxisfelder verschiedener humanwissenschaftlicher, administrativ-technischer oder juristischer Bereiche findet sich ein ganzes Ensemble in dieser Hinsicht relevanter Prozeduren: Praktiken des Beobachtens, Analysierens, Durchleuchtens, Ergründens und Ermittelns; des Befragens, Verhörens und des Testens; des Abhörens, Aushorchens und Auskundschaftens; das Durchschauen, Enträtseln und Dekodieren, das Aufdecken und Enthüllen; das Offenbaren, Bekennen, Gestehen und Beichten, das Ausplaudern, Wahrsprechen und Lügen.
Der Workshop begreift diese verschiedenen Wahrheitspraktiken als Indizien für unterschiedliche Wahrheitsregime, mit ihren je eigenen exemplarischen Szenen, Figuren und Theorien. Er möchte der Frage, wie Wahrheit in jeweils relevanten gesellschaftlichen Feldern eingesetzt, erzeugt und problematisiert wurde, in einer breiten wissenshistorischen Perspektive mit einem historischen Schwerpunkt auf der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nachgehen. Die Beiträge sollen einen Schwerpunkt auf die unterschiedlichen Praxisformen der Wahrheitsfindung legen und die Frage aufwerfen, ob und in welcher Weise sich unterschiedliche Wahrheitsregimes bestimmen und voneinander abgrenzen lassen.
Vom 11.-13. Juli 2014 hat eine Tagung zum Thema Wahrheit zurichten. Über Sozio- und Psychotechniken stattgefunden. Hier wurde die Frage aufgeworfen, inwiefern unterschiedliche Formen von Wahrheit durch spezifische Formen von Psycho- und Soziopraktiken hervorgebracht, reproduziert oder dementiert werden. Die Aufmerksamkeit galt einem Feld, das ebenso Praktiken des social engineerings, in denen Gruppen u.a. demokratische Diskussions- bzw. Spielregeln erlernen sollen, wie eine Experimentalkultur umfasst, die subjektive Wahrhaftigkeit an mikrologischen Verhaltens- und Reaktionsmustern zu erkennen versucht. Ein gleichnamiger Band, herausgegeben von Nora Binder und Bernhard Kleeberg, erscheint Ende 2017 (u.a. mit Beiträgen von Nora Binder, Melanie Brandt, Ulrich Bröckling, Jörg Eggstein, Andreas Gelhard, Till Greite, Eric Hounshell, David Keller, Helmut Lück, Bernd Stiegler, Robert Suter und Monika Wulz). In Planung befindet sich ein interdisziplinäres Drittmittelprojekt zur Profilierung der Praxeologien der Wahrheit als Kernthema der historischen Wissensforschung.