Projekt
Projektbeschreibung "Verräumlichung und Kulturtechniken"
Im Zentrum des Interesses stehen die wechselseitigen Konstitutionsprozesse von Räumen, Medien und Wissen aus der Perspektive einer Theorie und Geschichte der Kulturtechniken. Um diesen Prozessen nachzugehen, verbindet die Forschungsgruppe kulturtechnische Fragestellungen mit historischen (Mikro-)Analysen der Geschichts-, Literatur- und Medienwissenschaft sowie der Wissenschaftsgeschichte. Somit trägt sie zur notwendig interdisziplinären Ergründung dieser Zusammenhänge und zur fächerübergreifenden Kooperation an der Universität Erfurt bei.
Die bislang vor allem in den Medienwissenschaften entwickelte und diskutierte Kulturtechnikforschung geht von der zentralen Annahme aus, dass kulturelle Objekte nicht ‚einfachʻ gegeben sind, sondern dass sie in aneinander anknüpfenden und zugleich rekursiven Operationen konstituiert werden. Weiterhin schreiben sich diese Operationsketten nicht einfach in einen vorgegebenen physischen Raum ein; vielmehr konstituiert sich auch Räumlichkeit durch das Zusammentreffen von heterogenen, aneinander koppelbaren Elementen, von materiellen Artefakten, Medien und menschlichen Akteuren – erst in dieser Verräumlichung werden auch Subjektivität und Zeitlichkeit kulturell fassbar. So werden die Praktiken und Techniken, die zur Konstitution komplexer kultureller Räume führen, neu beschreibbar, ohne historisch gegebene Raum- und Wissensordnungen als Erklärungsmuster für die Entstehung bzw. die zunehmende Komplexität von Kulturtechniken voraussetzen zu müssen. Entscheidend ist darüber hinaus, dass diese Praktiken und die durch sie konstituierten Objekte gleichermaßen materiell und symbolisch organisiert sind: sie sind medial und sie sind gewusst. Ist den Räumen damit ein Wissen um ihre symbolische Dimension und Funktion sowie um ihre mediale Konstituierung eingeschrieben, ist Wissen umgekehrt auf seine Medien angewiesen – zu denen wiederum in erster Linie Räume (des Wissens) zählen, und zwar in mehrfacher Hinsicht: im Sinne der Übertragungen als Transfer- und Transformationsbewegungen, und im Sinne der Verräumlichung des Wissens: in Archiven, Sammlungen, Atlanten, Theatra, Enzyklopädien, Ausstellungen, sowie im virtuellen Raum der Datennetze und Clouds.
In der Analyse dieser allen Kulturtechniken inhärenten Operationen der Verräumlichung geht die Forschungsgruppe über die bisherige Kulturtechnikforschung hinaus, und das nicht nur in konzeptueller Hinsicht, sondern indem sie die spezifischen Kompetenzen der beteiligten Disziplinen interdisziplinär fruchtbar macht. So eröffnet sich die Möglichkeit, je spezifische Konstellationen von Wissen, Räumen und Medien in den Blick zu nehmen und damit theoretisch entworfene Grundannahmen der kulturtechnischen Hinsicht zu historisieren und in Detailanalysen auf ihre Tragfähigkeit hin zu überprüfen. Zugleich schreibt sich diese Hinsicht den jeweiligen disziplinären Perspektiven ein, indem sie diese für die konstitutiven, und gerade deshalb schwer zu beobachtenden, Operationen sensibilisiert, in denen sie ihre Objekte überhaupt erst hervorbringen.