In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts interessierte sich eine transnationale Öffentlichkeit für den „Mädchenhandel“, den „traite des blanches“ oder die „white slavery“. In diesen gesellschaftlichen Verständigungsprozessen über mobility, sex and crime verschränkten sich Ängste vor (weiblicher) Sexualität, Mobilität und Globalität. Dabei gab es auch ein Interesse deutscher Akteur*innen für französische Städte, Mittelmeerhäfen und Nordafrika, die sowohl Frankreich eine zentrale Rolle im „Mädchenhandel“ zuschrieben als auch gängige Motive des Orientalismus bedienten. Deutsche Filmemacher interessierten sich für den „Mädchenhandel“ in Marseille, in populären Romanen waren Menschenhändler Franzosen oder deutsche Frauen fanden sich in Pariser Bordellen wieder. Reiseberichte deutscher Abolitionistinnen schilderten die Verhältnisse in Kairo, ehemalige Fremdenlegionäre in marokkanischen Bordellen. Neben den Diskursen und darin verhandelten Raumvorstellungen geht es in dem Projekt vor allem um die (kriminellen) Netzwerke und Praktiken der involvierten Akteur*innen, ihre Erfahrungen, Bewegungsweisen, Raumbezüge sowie die polizeiliche Raumkontrolle. So lässt sich eine Kriminalitätsgeschichte als connected history schreiben, die vergeschlechtlichte Globalisierungs- und Mobilitätserfahrungen sowohl in einem transnational europäischen als auch außereuropäischen Kontext untersucht.
Bild: La Rue Bouterie à Marseille, Postkarte 1919, L. L., Louis Lévy, Paris © Wikimedia Commons