Die Universität Erfurt und ihre Staatswissenschaftliche Fakultät haben mit großer Bestürzung die Nachricht erhalten, dass Professor Dr. Hermann-Josef Blanke am 9. Januar 2023 im Alter von 65 Jahren unerwartet verstorben ist. Unsere Gedanken und unsere Anteilnahme gelten seiner Familie, den Angehörigen und Freunden.
Hermann-Josef Blanke ist Gründungsmitglied der Staatswissenschaftlichen Fakultät. Seit dem Jahr 2000 war er Inhaber der Professur für Öffentliches Recht, Völkerrecht und Europäische Integration. Nach seinem Studium der Rechtswissenschaften und Romanistik an den Universitäten Bonn, Madrid und Florenz und den beiden juristischen Staatsexamina wurde er 1990 an der Universität Osnabrück mit einer Arbeit über „Föderalismus und Integrationsgewalt – Die Bundesrepublik Deutschland, Spanien, Italien und Belgien als dezentralisierte Staaten in der EG“ (Berlin: Duncker & Humblot, 1991) promoviert. Der Habilitation an der Universität zu Köln mit seiner Studie „Vertrauensschutz im deutschen und europäischen Verwaltungsrecht“ (Tübingen: Mohr Siebeck, 2000) schlossen sich zunächst Lehrstuhlvertretungen an den Universitäten Trier, Düsseldorf, Köln und Bonn an, bevor er dem Ruf an die Universität Erfurt folgte und ihr die Treue hielt.
Die Fakultät hat Herrn Professor Blanke als überaus produktiven und vielseitig interessierten Kollegen erlebt. Seine Arbeits- und Forschungsgebiete sind weit gespannt über das deutsche und ausländische Verfassungs- und Verwaltungsrecht sowie das Völkerrecht und das Europarecht. In besonderem Maße hat er sich für den internationalen Austausch in Forschung und Lehre eingesetzt. Die große, gerade auch internationale Anerkennung der Arbeit von Herrn Professor Blanke kommt nicht nur in Gastprofessuren zum Ausdruck, die er in Argentinien, Brasilien und Spanien wahrgenommen hat, sondern weiterhin in renommierten Auszeichnungen. So wurde ihm 2018 durch das spanische Abgeordnetenhaus und den Senat das Ehrenkreuz des Ordens des „San Raimundo de Peñafort“ vom spanischen Justizminister verliehen. Im Jahr 2021 wurde er von der Europäischen Kommission für seine Leistungen auf dem Gebiet der Europäischen Integration mit einem „Jean Monnet Chair“ geehrt.
Die Staatswissenschaftliche Fakultät verliert mit Hermann-Josef Blanke einen herausragenden Juristen, dessen Schaffen unermüdlich schien und Spuren weit über unseren Campus hinaus hinterlässt. Wir werden dem geschätzten Kollegen ein ehrendes Andenken bewahren.
Prof. Dr. Walter Bauer-Wabnegg (Präsident der Universität Erfurt) und Prof. Dr. Till Talaulicar (Dekan der Staatswissenschaftlichen Fakultät)
Für alle, die ihre Anteilnahme bekunden und Erinnerungen teilen möchten, hat die Staatswissenschaftliche Fakultät ein virtuelles Kondolenzbuch eingerichtet. Über ein entsprechendes Online-Formular können sie Ihren Eintrag machen. Dieser wird mit dem von Ihnen eingetragenen Namen – in der Regel innerhalb von ein bis zwei Werktagen – im Kondolenzbuch veröffentlicht.
Europa
[...]
Fahnen und Hymnen an allen Ecken.
Europa? Europa soll doch verrecken!
Und wenn alles der Pleite entgegentreibt:
dass nur die Nation erhalten bleibt!
Menschen braucht es nicht mehr zu geben!
England! Polen! Italien muss leben!
Der Staat frisst uns auf. Ein Gespenst. Ein Begriff.
Der Staat, das ist ein Ding mitm Pfiff.
Das Ding ragt auf bis zu den Sternen –
von dem kann noch die Kirche was lernen.
Jeder soll kaufen. Niemand kann kaufen.
Es rauchen die völkischen Scheiterhaufen.
Es lodern die völkischen Opferfeuer:
Der Sinn des Lebens ist die Steuer!
Der Himmel sei unser Konkursverwalter!
Die Neuzeit tanzt als Mittelalter.
Die Nation ist das achte Sakrament –!
Gott segne diesen Kontinent.
(Auszug aus: Kurt Tucholsky, alias Theobald Tiger, Die Weltbühne, 12.01.1932, Nr.2, S. 73)
Die Invasion der russischen Föderation in die Ukraine, die seit dem 24. Februar 2022 andauert, wird wegen der vielfältigen Vergleichbarkeit der völkerrechtswidrigen Aggression und des damit verbundenen humanitären Unrechts an der ukrainischen Zivilbevölkerung, namentlich der bewusst in Kauf genommenen oder gar – zwecks teilweiser Zerstörung der Ukrainer als nationale Gruppe – herbeigeführten Tötung von Menschen sowie der Verursachung großer Leiden, mit dem Angriff des Deutschen Reichs auf Polen verglichen ("Putins 1. September 1939"). Am 1. September 1939 um 4.45 Uhr eröffnete das Linienschiff "Schleswig-Holstein" das Feuer auf polnische Befestigungen auf der Westerplatte vor der Freien Stadt Danzig. Reichskanzler Adolf Hitler gab den Angriff auf Polen als Verteidigungsaktion aus. Das Geschehen markiert den Beginn des Zweiten Weltkriegs. Ab dem 1. September 1939 verließen die Menschen massenhaft Warschau in östlicher Richtung, nun verlassen Millionen die Ukraine in westlicher Richtung. Viele von ihnen sagen, sie seien keine Flüchtlinge, sondern Reisende und bringen auf diese Weise ihre Entschlossenheit zum Ausdruck, so schnell wie möglich nach einer Befreiung in ihr Heimatland zurückzukehren, nicht zuletzt um es wiederaufzubauen. Die Aggression des russischen Präsidenten führt zur Bildung einer ukrainischen Bewusstseinsnation im Zeichen der 1991 errungenen staatlichen Unabhängigkeit sowie einer nationalen Identität der Ukrainerinnen und Ukrainer – auch im Exil.
Die Bilder des Krieges gleichen sich. Ikonen der Fotografie bilden etwa der nach einem Luftangriff auf Warschau im September 1939 auf den Trümmern um seine Familie trauernde polnische Junge (oben) wie auch das vietnamesische Napalm-Mädchen Phan Thi Kim Phuc (1972). Sie geben dem Schrecken des Krieges ein Gesicht. Betrachterin und Betrachter können sich zugleich an die Worte des ehemaligen tschechischen Staatspräsidenten Václav Havel erinnern. Er hat formuliert: „Je ungünstiger die Situation ist, in der wir unsere Hoffnung bewahren, desto tiefer ist diese Hoffnung. Hoffnung ist eben nicht Optimismus. Es ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht. Sondern Hoffnung ist die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, ohne Rücksicht darauf, wie es ausgeht.“ Solche Hoffnung ist aber nur dann berechtigt, wenn die internationale Gemeinschaft, solange einzelne ihrer Mitglieder nicht selbst zum Ziel dieses Angriffs werden, unterhalb der Schwelle einer Militärstrategie alle denkbaren (Sanktions-)Maßnahmen ergreift, um dem Opfer des Aggressionsakts zu Hilfe zu eilen Völkerrecht_AP0.
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