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Ein Jahr in Tweets

Das Projekt befasst sich mit den Twitter-Botschaften von Donald J. Trump seit dessen Ankündigung vom Juni 2015, für das Amt des US-Präsidenten kandidieren zu wollen. In den Blick genommen werden jene von Trumps Botschaften, die Weltpolitik zum Inhalt haben. Welche außenpolitische Agenda daraus abgelesen werden kann und ob sich der Ton der Nachrichten im Zeitablauf geändert hat, soll mithilfe rekonstruktiver Vorgehensweisen untersucht werden wie sie Grounded Theory und objektive Hermeneutik bereitstellen.

Laufzeit:
Seit 01. August 2017

Beteiligte:
PD Dr. Ulrich Franke

Projekttyp:
Buchprojekt

Details:
Während noch unklar ist, wie nachhaltig Donald J. Trumps Botschaften über den Kurznachrichtendienst Twitter die politische Kommunikation (westlicher Gesellschaften) zu verändern vermögen, wächst die Zahl der Journalisten und Sozialwissenschaftler, die sich beruflich mit diesen Kurzbotschaften befassen. Den Blick auf jene Tweets gerichtet, die Weltpolitik zum Inhalt haben, möchte ich im Rahmen des Projekts den folgenden Fragen nachgehen: Welche Überzeugungen leiten Trumps Außenpolitik und seine Sicht auf die (Position der) USA in der Welt an? Gegenüber welchen Ideen ist er loyal? Und welche Agenda kann aus seinen diesbezüglichen Äußerungen herausgelesen werden? Um eine Antwort auf diese Fragen zu finden, sollen Trumps relevante Tweets zunächst thematisch geordnet und ihre Bedeutung dann Sequenz für Sequenz, im Lichte der von ihnen eröffneten Möglichkeitshorizonte, rekonstruiert werden. Neben der Vorgehensweise wird dabei auch der theoretische Zugriff auf den Untersuchungsgegenstand tief in der Philosophie des Klassischen Pragmatismus verwurzelt sein, werden Überzeugungen also etwa mit Peirce als handlungsleitend verstanden. Darüber hinaus sollen folgende Fragen in den Blick genommen werden: Wie unterscheiden sich die Tweets, die Trump (nach wie vor) von seinem Privataccount @realDonaldTrump sendet, von jenen, die er mittels des Präsidenten-Accounts @POTUS absetzt? Und wie unterscheiden sich Trumps Tweets in zeitlicher Hinsicht, also von den Vorwahlen bis zu seiner Nominierung, dem Wahltag, der Amtseinführung und seither? Durch die Berücksichtigung dieser Aspekte hoffe ich schließlich eine Antwort auf die Frage zu finden, ob es eine Art (mäßigenden?) Einfluss der Struktur der US-Regierung auf den Amtsinhaber gibt (und wie weit dieser Einfluss möglicherweise reicht).

Vom Sinn des Soldatentods

Für welche Werte haben - aus der Perspektive von Bundestag, Bundesregierung und Bundeswehr - die im Einsatz getöteten deutschen Soldaten ihr Leben gelassen und wie wirkt sich das Phänomen des "Soldatentods" auf die Beziehungen zwischen diesen Institutionen aus? So lauten die beiden Fragen, die im Zentrum des Forschungsprojekts stehen.

Laufzeit:
Seit 01. März 2014

Beteiligte:
PD Dr. Ulrich Franke
PD Dr. Ulrich Roos

Projekttyp:
Eigenprojekt

Details:
Nach Jahrzehnten der militärischen Zurückhaltung ist die deutsche Gesellschaft in zunehmendem Maße wieder mit einem Phänomen konfrontiert, das einer überwunden geglaubten Epoche anzugehören schien: dem gewaltsamen Tod deutscher Soldaten. Dieses – im Folgenden kurz als „Soldatentod“ gefasste – Phänomen ist von höchster politischer Bedeutung und wird künftig weiter an Relevanz für die bundesdeutsche Öffentlichkeit gewinnen, da Auslandseinsätze der Bundeswehr seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Juli 1994 nicht mehr als krisenhafte Ausnahmesituation gelten, sondern inzwischen zu einer auf Dauer gestellten Routine geworden sind. Dabei erweist sich die Frage als zentral, wie seitens i) des Parlaments, ii) der Regierung und iii) der Streitkräfte selbst ganz konkret – also jenseits der im soldatischen Eid zum Ausdruck gelangenden grundlegenden Formeln der zentralen Dienstvorschriften, des Soldatengesetzes und des Grundgesetzes – erklärt wird, wofür die im Einsatz getöteten deutschen Soldaten ihr Leben gelassen haben. Was also ist (aus Sicht der drei genannten Institutionen) der Sinn des Soldatentods? Mit Blick auf den Bundeswehreinsatz in Afghanistan haben sich in der deutschen Öffentlichkeit verstärkt Zweifel am Sinn des Soldatentods eingestellt. Das Ausmaß dieser Zweifel nimmt zu, je mehr der Einsatz selbst in Frage steht. Die verschiedenen Wahrnehmungen der Sinnhaftigkeit des Afghanistaneinsatzes zu rekonstruieren, ist jedoch nicht das Ziel unseres Forschungsvorhabens. Vielmehr geht es uns darum, die Sinngebungen bezüglich des Todes deutscher Soldaten zum Gegenstand zu machen. Aus diesem Grund erscheint es uns besonders wichtig, gerade die Vertreter des Parlaments, der Regierung und der Streitkräfte, die am Sinn des Afghanistan-Einsatzes zweifeln, danach zu fragen, welchen Sinn der Soldatentod ganz generell haben könnte. Denn unter der Annahme, dass die Bundeswehr auch weiterhin im Ausland eingesetzt werden wird und dabei durch äußere Gewalt induzierte Verluste zu beklagen sein werden, stellt sich die Frage: Auf welchen grundlegenden Werten und Zielen sollten diese Einsätze fußen, um dem zukünftigen Tod deutscher Soldaten Sinn geben zu können?
Eine Antwort auf die Frage, wofür deutsche Soldatinnen und Soldaten bereit sein sollen, ihr Leben im Rahmen von Auslandseinsätzen zu riskieren, geht nicht allein die Streitkräfte, sondern jede Bürgerin und jeden Bürger an, da sie zugleich die grundlegenden Gehalte des „Sinngebungsnarrativs“ deutscher Außen- und Sicherheitspolitik mitformuliert. Das in Kauf genommene Risiko für Leib und Leben der Schutzbefohlenen, so unsere Annahme, macht es zwingend erforderlich, dass die Regierung nur solche Einsätze anordnet und das Parlament nur solchen Einsätzen zustimmt, die der Erreichung besonders zentraler Ziele deutscher Außen- und Sicherheitspolitik dienen und den grundlegenden Werten des deutschen Staates und seiner Außenpolitik entsprechen. Die Sinngebungsnarrative bezüglich des „Soldatentods“ geben also immer auch Aufschluss über die maßgeblichen Ziele und Werte deutscher (Außen-)Politik. Diese grundlegenden Ziele und Werte zu rekonstruieren und nach ihrer Entwicklung zu fragen, ist angesichts der allgemeinen Debatte um die Zukunft der deutschen Außenpolitik und dem angeblichen Fehlen einer „Grand Strategy“ bzw. eines klaren Koordinaten- und Wertesystems von hoher gesellschaftlicher Relevanz.
Das Wofür des Soldatentods wird auf verschiedenen gesellschaftlichen Ebenen mit unterschiedlicher Akzentsetzung diskutiert: neben dem Parlament als dem politischen Repräsentationsorgan der größeren Gesellschaft sind hier vor allem die Regierung und die Streitkräfte selbst zu nennen. Der Soldatentod und seine Rechtfertigung schlagen sich jedoch nicht nur in den entsprechenden Diskursen von Parlament, Regierung und Streitkräften nieder, sondern wirken sich auch auf die Beziehungen dieser Institutionen zueinander aus. Aus demokratietheoretischer Perspektive verweist der Soldatentod also auch auf den Aspekt der Gewaltenteilung; er wirft die Frage auf, ob und wie die Machtpotentiale innerhalb eines Gemeinwesens neu verteilt werden.
Für eine solche Forschungsperspektive ist die Annahme zentral, dass sowohl über die Sinngebung des Soldatentods als auch über die Ziele deutscher Außenpolitik ein fortlaufendes politisches Ringen stattfindet, das mit sprachlichen Mitteln ausgetragen wird – ein Kampf um und mit Worten, der mehr als bloßes Reden bedeutet. Entsprechend der hier vertretenen theoretischen Perspektive bestimmen Worte, Begriffe und Sinngebungsnarrative über Möglichkeiten politischer Gestaltung. Nur was denk- und sagbar ist, kann auch politische Realität werden. Veränderungen dieser sprachlich vermittelten Möglichkeiten- und Sinngebungsräume lassen neue politische Optionen entstehen, modifizieren politische Strategien oder schließen bestimmte Handlungsweisen aus. Auch über die Ausgestaltung der Beziehungen zwischen Parlament, Regierung und Streitkräften wird im Rahmen solcher Diskurse entschieden. Veränderte Loyalitäten, Kompetenzen und Machtkonstellationen sind Resultat neuer Begriffe, einer veränderten Sprache, einer veränderten Vorstellungswelt und somit veränderter Überzeugungen der beteiligten Akteure (bzw. der Strukturen, in die sie eingebettet sind). Unter Rückgriff auf zwei seit Jahrzehnten bewährte Ansätze sozialwissenschaftlicher Forschung – Grounded Theory und Objektive Hermeneutik – zielt der Analyserahmen auf die Rekonstruktion dieser Bedeutungsstrukturen, die für politische Möglichkeiten und Wirklichkeiten konstitutiv sind. Vor diesem Hintergrund verfolgt das Forschungsvorhaben zwei übergeordnete Zielsetzungen. Das erste Ziel ist auf das Wofür des Soldatentods gerichtet und besteht in einer Untersuchung der entsprechenden Rechtfertigungen durch Parlament, Regierung und Streitkräfte (Rechtfertigungsdiskurse); das zweite Ziel umfasst eine Untersuchung der diskursiv verhandelten Beziehungen zwischen diesen drei rechtfertigenden Institutionen, insbesondere mit Blick auf die (Um-)Verteilung so zentraler politischer Werte wie Macht, Einfluss, Kontrolle, Loyalität, Kompetenzen, Legitimation oder Autonomie (Gewaltenteilungsdiskurse). Beide Ziele sollen anhand einer Beantwortung der folgenden Fragen erreicht werden: Wie erklären (oder: rechtfertigen) Parlament, Regierung und Streitkräfte den Soldatentod – und wie werden dabei ihre Beziehungen zueinander beschrieben bzw. ausgestaltet? Obgleich das Thema Soldatentod in jüngerer Zeit aus verschiedener Perspektive Gegenstand sozialwissenschaftlicher Forschung geworden ist, liegt zu der hier aufgeworfenen Fragestellung keine systematisch verfahrende Studie vor. Dabei schließt das skizzierte Vorhaben durch die Verknüpfung der Sinngebungsnarrative zum Soldatentod mit dem politikwissenschaftlichen Dauerthema von Kontinuität und Wandel deutscher Außenpolitik an laufende wissenschaftliche Debatten an und erweitert diese dadurch, dass auch die Konsequenzen der nachgezeichneten Entwicklungen für die Gewaltenteilung mitreflektiert werden. Gleichzeitig fügt sich das Vorhaben in eine Reihe jüngerer Ansätze ein, welche die theoretischen Potentiale der sprachphilosophischen Wende durch das Konzipieren und Durchführen einer konsistenten und überprüfbaren methodischen Vorgehensweise konsequent in den Dienst empirischer Forschung stellen.

Die Institutionalisierung der Präventions- und Interventionspolitik

Ziel des Forschungsvorhabens ist es, einen Beitrag zur Erklärung des komplexen und emergenten Präventions- und Interventionsregimes zu leisten, das einen wesentlichen Einfluss darauf hat, wann, von wem, in welchem Umfang und mit welchem Effekt Einmischungspolitik betrieben wird.

Laufzeit:
Seit 01. Juli 2010

Beteiligte:
Prof. Dr. Peter Mayer (Projektleitung)
PD Dr. Ulrich Franke
Dr. Sebastian Mayer

Projekttyp:
Drittmittelprojekt

Details:
Seit dem Ende des Ost-West-Konflikts sind gewaltsam ausgetragene innerstaatliche Konflikte verstärkt ins Blick- und Aktionsfeld der internationalen Sicherheitspolitik gerückt. Staatliche und nicht-staatliche Akteure haben Maßnahmen konzipiert, begründet und durchgeführt, die darauf abzielen, solche Konflikte zu verhüten oder, wo sie bereits aufgetreten sind, rasch und nachhaltig zu beenden. Diese Präventions- und Interventionspolitik ist in einen normativ-institutionellen Rahmen eingebettet, der sie zugleich beschränkt und ermöglicht.
Ziel des Forschungsvorhabens ist es, einen Beitrag zur Erklärung dieses komplexen und emergenten Präventions- und Interventionsregimes zu leisten, das einen wesentlichen Einfluss darauf hat, wann, von wem, in welchem Umfang und mit welchem Effekt Einmischungspolitik betrieben wird. Im Zentrum des Interesses stehen die Vereinten Nationen, die OSZE, die NATO und die Europäische Union, die das organisatorische Rückgrat des Regimes bilden. Vier Dimensionen dieser Sicherheitsorganisationen wird dabei besondere Beachtung geschenkt, weil sie über den Grad und die Form der Institutionalisierung von Einmischungspolitik Auskunft geben: den sich wandelnden Aufgaben, Ressourcen, Handlungsspielräumen und interorganisatorischen Beziehungen. Die Erklärung, die in einem mehrstufigen, induktive und deduktive Elemente verknüpfenden heuristischen Verfahren entwickelt wird, ist explizit theoriegeleitet und bezieht Theoriebestände unterschiedlicher institutionalistischer Denkschulen der Politikwissenschaft mit ein.

Abgeschlossene Projekte

Pragmatistische Weltpolitikforschung

In diesem Projekt geht es darum, die Philosophie, Wissenschafts- und Gesellschaftstheorie des (klassischen) Amerikanischen Pragmatismus - Peirce, James, Dewey und Mead - für die Untersuchung von Weltpolitik fruchtbar zu machen. Dies erfolgt sowohl auf methodologischer und methodischer als auch auf empirischer Ebene - unter besonderer Berücksichtigung der Beziehungen zwischen internationalen Organisationen im Bereich der Friedens- und Sicherheitspolitik.

Laufzeit:
01. Januar 2012 - 31. Januar 2016

Beteiligte:
Dr. Ulrich Franke

Gutachter:
Prof. Dr. Gunther Hellmann; Prof. Dr. Mathias Albert; Prof. Dr. Peter Mayer

Projekttyp:
Qualifikationsprojekt (Habilitation)

Details:
Die Grundlage des Projekts stellt ein Modell des Sozialen dar, für das Deweys Öffentlichkeitsbegriff und Meads Perspektive auf das Selbst als Dialektik von ‚I‘ und ‚Me‘ ebenso bedeutsam ist wie Peirce‘ Annahme, dass menschliches Handeln einer Überzeugung folgt. Konkret kennzeichnet das Modell ein Verständnis des Lebens als Prozess, als Dialektik von menschlichen Akteuren und Strukturen kollektiven Handelns (Franke/Roos 2010). Letztere entstehen bei Versuchen, die Folgen menschlicher Handlungen kollektiv zu regulieren. Bewusst wie unbewusst folgen menschliche Akteure dabei bestimmten Handlungsregeln, sodass Strukturen kollektiven Handeln – seien es Familien, Vereine, Nationalstaaten, überstaatliche Organisationen oder die Menschheit als Ganze – auch als geronnene Handlungsregeln gefasst werden können. Entsprechend zielt das Projekt auf die Rekonstruktion solcher Handlungsregeln (im Kontext der Beziehungen zwischen internationalen Organisationen im Bereich der Friedens- und Sicherheitspolitik etwa). Das Projekt ist jedoch nicht darauf beschränkt, mithilfe der Ontologie von Strukturen kollektiven Handelns und Handlungsregeln eine Sicht auf die Welt vorzuschlagen; zugleich geht es darum, den Prozess der Rekonstruktion von Handlungsregeln in den Blick zu nehmen. Kurz: Das Potential des klassischen Amerikanischen Pragmatismus soll nicht nur in empirischer, sondern auch in methodologischer und methodischer Hinsicht zur Entfaltung kommen.

Zum Fortbestand der Nato nach dem Ende der Blockkonfrontation

Mit der Auflösung der Sowjetunion und des Warschauer Pakts wird auch das westliche Militärbündnis bald der Vergangenheit angehören, lautete zu Beginn der 1990er Jahre die Einschätzung führender Vertreter des Neorealismus, jener Denkschule also, welche die Diskussion innerhalb der politikwissenschaftlichen Teildisziplin der Internationalen Beziehungen lange Zeit dominierte. In der Folge entwickelte sich eine heftige Debatte über die Gründe des Fortbestands der NATO. Denn das westliche Bündnis löste sich nicht nur nicht auf, sondern nahm neue Mitglieder, vornehmlich ehemalige Gegner, auf und übernahm neue Aufgaben auch jenseits seines Vertragsgebiets. Das Forschungsprojekt greift dieses „Rätsel“ auf und gelangt anhand detaillierter Analysen von Verlautbarungen der höchsten Entscheidungsgremien der NATO zu der Deutung, dass es ein Selbstverständnis als wirksamere Vereinte Nationen ist, welches die Verbündeten bereits seit der Unterzeichnung des Nordatlantikvertrages 1949 zusammenhält.

Laufzeit:
01. Juli 2003 - 20. Mai 2008

Beteiligte:
Ulrich Franke, M.A.

Gutachter:
Prof. Dr. Gunther Hellmann; Prof. James W. Davis, PhD

Projekttyp:
Qualifikationsprojekt (Dissertation)

Details:
Der Fortbestand der NATO nach dem Ende der Konfrontation zwischen den beiden Supermächten und ihren Machtblöcken wird innerhalb der politikwissenschaftlichen Teildisziplin der Internationalen Beziehungen seit dem Beginn der 1990er Jahre als „Rätsel“ angesehen. In erster Linie gilt dies für die Vertreter der neorealistischen Theorie, die schon früh prognostizierten, dass das Bündnis auseinanderfallen werde, da ihm mit dem sowjetischen Bedrohungspotential der „Leim“ abhanden gekommen sei, der es zusammenhalte. Schnell entwickelte sich eine Debatte, in deren Verlauf der Neorealismus von verschiedener Seite herausgefordert wurde.
Ungeachtet der Schlüssigkeit ihrer Argumente kennzeichnet jedoch die meisten der bisher vorgelegten Antworten auf die Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit des Fortbestands der NATO nach dem Ende der Blockkonfrontation, dass sie nicht aus einem rekonstruktionslogisch verfahrenden Forschungsprozess hervorgegangen sind. Sofern es sich bei ihnen nicht um bloße Meinungsbeiträge handelt, erfolgen die Antwortversuche in der Regel auf eine subsumtionslogische Art und Weise. Diese kennzeichnet, dass der Untersuchungsgegenstand nicht von innen heraus aufgeschlossen – rekonstruiert – wird, sondern unter vorab formulierte und von außen an ihn herangetragene Kategorien subsumiert wird. Während die Möglichkeit, zu neuen Erkenntnissen zu gelangen, somit minimiert wird, hat die Dissertation das Ziel, einen Lösungsvorschlag für das NATO-Rätsel zu erarbeiten, der auf dem Weg einer alternativen Vorgehensweise gewonnen wird.
Diese streng rekonstruktionslogische Alternative beruht auf der Idee, dass alle Gegenstände der sozialen Welt Sinn und Bedeutung haben und daher als Text interpretiert werden können. Im Einzelnen werden fünf Verlautbarungen der höchsten Entscheidungsgremien des atlantischen Bündnisses analysiert. Die Interpretation orientiert sich dabei an den Verfahren der „objektiven Hermeneutik“, einer Methodologie, die der Soziologe Ulrich Oevermann entwickelt hat: Die zu untersuchenden Dokumente, deren Auswahl nicht vor, sondern während des Forschungsprozes-ses erfolgt, werden in ihre kleinsten Sinn und Bedeutung tragenden Partikel zerlegt und Sequenz für Sequenz interpretiert.
Am Ende erweist es sich als die entscheidende Bedingung der Möglichkeit des Fortbestands der NATO, dass die Verbündeten ihren Zusammenschluss für wirksamer als die Vereinten Nationen halten, die Verwirklichung der Prinzipien der UN-Charta bei sich in besseren Händen wähnen und die Legitimität des Bündnisses in direkter Konkurrenz zum UN-Sicherheitsrat zu erhöhen versuchen. Gleichzeitig droht sich jeder Mangel an Einigkeit untereinander rasch zu Identifikationsproblemen mit der NATO und deren Selbstblockade auszuwachsen.