Tiere handeln. Mensch-Tier-Verhältnisse zwischen dem Horn von Afrika, Deutschland und der Welt

Lebende Elefanten, Giraffen, Strauße und Dromedare, Paviane und in Europa unbekannte Eselarten – die Liste der Tiere, die im 19. Jahrhundert global gehandelt wurden, war lang. Neben den zahlreichen Tieren waren auch ganz unterschiedliche Menschen in diesem Unternehmen involviert, das Tiere aus dem Inneren Afrikas in europäische Zoos brachten oder Tiere in andere afrikanische Regionen transportierte, um sie in kolonialen Projekten einzusetzen. Der deutsche Tierhändler und -fänger Josef Menges (1850–1910) war mehr als dreißig Jahre lang in diesem Unternehmen tätig und jagte, fing, transportierte und verkaufte in dieser Zeit tausende große und kleine, lebende und tote Tiere.

Der Tierhandel um 1900 ist Gegenstand des Dissertationsprojekts. Ziel ist es, anhand eines mikrogeschichtlichen Zugriffs auf das Tierhandelsunternehmen von Josef Menges zu untersuchen, wie koloniale und ökonomische Logiken Tier-Mensch-Verhältnisse strukturierten und prägten, aber auch wie diese konkreten Tier-Mensch-Verhältnisse auf die Ausgestaltung von kolonialen Machtstrukturen zurückwirkten. Dabei wird untersucht, wie der Tierhandel funktionierte, wer daran beteiligt war und welche Netzwerke und Praktiken sich daraus ergaben.

Das Projekt legt einen besonderen Fokus auf afrikanische Perspektiven und benennt konkret afrikanische Akteure und ihre Handlungen und Handlungslogiken. Damit können auch nicht-europäische Tier-Mensch-Verhältnisse und Praktiken betrachtet werden. Ein solcher Blick sensibilisiert für die asymmetrischen Machtverhältnisse gerade während Tierjagd und -fang, die nicht immer ausschließlich zugunsten der Europäer verschoben waren. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf den Tieren selbst. Individuelle Tiere, konkrete Handlungen von Tieren, die Kooperation und der Beitrag von Tieren zum Tierhandel ebenso, wie ihr Widerstand sollen herausgestellt werden. Das Projekt möchte dabei, wo es die Quellen zulassen, die Doppeldeutigkeit des Titels einlösen: Tiere werden nicht nur gehandelt, sie handeln auch.

Das Projekt stützt sich auf unveröffentlichte und bisher unbeachtete Quellen wie die Reisetagebücher von Josef Menges und den Briefwechsel zwischen Menges und dem berühmten Tierhändler und Zoodirektor Carl Hagenbeck. Diese Quellen bieten einen unmittelbaren Einblick in die Praktiken und Akteure des Tierhandels, ohne dass Brüche, Konflikte, Schwierigkeiten oder die agency afrikanischer Akteure oder kranke oder widerständige Tiere redaktionell herausgeschrieben oder verschwiegen wurden. Theoretisch und methodisch werden Anregungen der Human-Animal-Studies aufgegriffen. So wird das im Rahmen der post-colonial studies entwickelte Konzept einer Verflechtungsgeschichte um die Kategorie Spezies erweitert. Damit wird die Geschichte des Tierhandels als doppelt verflochtene Geschichte gedacht, in der nicht nur koloniale Metropole und Peripherie, sondern auch Tiere und Menschen auf einer Analyseebene betrachtet werden können.

Indem das Projekt sich informiert durch die post-colonial studies den theoretischen und methodischen Herausforderungen der Human-Animal-Studies stellt, können die Geschichte des Horns von Afrika, des Tierhandels und auch die neuere Kolonialgeschichte um eine tiergeschichtliche Perspektive bereichert werden.

Bild: „Ausladung einer Sendung afrikanischer Thiere aus dem Schiffe „Urano“ in Triest. Nach der Natur aufgenommen von H. Leutemann.“ In: Die Gartenlaube, 1874.

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Doktorandin
(Forschungskolleg Transkulturelle Studien / Sammlung Perthes)
Forschungskolleg Transkulturelle Studien / Sammlung Perthes (Schloss Friedenstein, Pagenhaus) / Raum 0.04