Porträt

Lernraum der Lernwerkstatt

Der für die Hochschulbildung geforderte "Shift from Teaching to Learning" intendiert eine Reformierung universitärer Lernkultur, die u.a. die Förderung selbstbestimmten Lernens in authentischen Lernsituationen umfasst. Für die Lehrer_innenbildung ist dieser Anspruch empirischen Befunden zufolge besonders relevant. Zudem kritisieren Lehramtsstudierende häufig, dass im Studium Gelerntes wenig Bezug zum schulischen Alltag habe und »zu viel Theorie« auf »zu wenig Praxis« treffe. Die Lernwerkstatt an der Universität Erfurt soll eine mögliche hochschuldidaktische Lernumgebung darstellen, um diesen Ansprüchen an die Professionalisierung von Lehrer_innen gerecht zu werden. Ziel des QUALITEACH-Projektes "Hochschullernwerkstatt"ist es daher, dieses Konzept als hochschuldidaktische Ergänzung zu bestehenden Lehrformaten an der Universität Erfurt zu implementieren und zu evaluieren.

Lernen in einer Lernwerkstatt

Eingangsbereich der Uni Erfurt

Eine Lernwerkstatt „ist ein in seiner Funktion als ‘Lernwerkstatt’ längerfristig festgeschriebener real vorhandener gestalteter Raum“ (VeLW 2009, S. 4). Dabei bezeichnet Bönisch (2002) mit dem Begriff Lernwerkstatt „ein Lernort innerhalb einer Schule oder Hochschule […], der durch seine Ausstattung mit Geräten (Werkzeugen) und Materialien es ermöglicht, Lernen als Werken und Wirken, als Produzieren und Gestalten, als Experimentieren und Erproben, als Handeln und Lernen mit allen Sinnen zu realisieren und dies in vornehmlich individuell oder kooperativer Weise“ (S. 168; vgl. zudem VeLW 2009).

Gemeinsam ist vor allem den Lernwerkstätten an Hochschulen das Verständnis „als Impulsgeber einer innovationsorientierten Hochschuldidaktik“ (Müller-Naendrup 1997, S. 142), deren Potential insbesondere für die Lehrer_innenbildung und im Sinne des „Shift from Teaching to Learning“ (vgl. Wildt 2003) in den folgenden Aspekten zusammenfassend gesehen werden können (vgl. u.a. Müller-Naendrup 1997; Schubert 2003; Bolland 2011; Franz 2012; Schneider / Schwarzkopf 2013):

  • Verknüpfung von fachwissenschaftlichen, fachdidaktischen und erziehungswissenschaftlichen Erkenntnissen durch die Arbeit an selbstgewählten Fragestellungen aus einem berufsbezogenen Kontext,
  • Überwindung des vielfach betonten Theorie-Praxis-Problems der Lehrer_innenbildung,
  • Verknüpfung der Phasen der Lehrer_innenbildung durch Lernwerkstätten als Kontakt- und Kooperationsstelle,
  • Aufbau einer forschenden Grundhaltung durch Lernen in Lernwerkstätten.

Dabei sind Lernwerkstätten Teil „einer langen und vielseitigen Geschichte des Bemühens, das selbständige, eigenverantwortliche Lernen in das Zentrum pädagogischen Handelns zu rücken“ (VeLW 2009, S. 5). So wird vor allem die Lernwerkstatt als Möglichkeit gesehen, „anderem Lernen Raum zu geben. Dieses andere Lernen gründet sich in der Überzeugung, dass es die Lernenden selbst sind, die ihr Lernen in Auseinandersetzung mit der materiellen Welt und mit anderen Menschen bestimmen“ (Ernst & Wedekind 1993, S. 31). Lernen wird in diesem Kontext als eine Neukonstruktion der Welt, als ein individueller und kumulativer Prozess verstanden, wobei Lernprozesse sozial situiert und selbstreguliert erfolgen (vgl. Wedekind 2009, S. 4; VeLW 2009, S. 6).

Der Raum korrespondiert dabei mit diesen prinzipiellen Ansprüchen an Lernprozesse, indem er Mobilität, Dezentralisierung und Offenheit in einer materialbasierten Lernumgebung gewährleisten soll (vgl. Müller-Naendrup 1997, S. 184ff.). Es ist jedoch festzuhalten, „dass Studien- und Lernwerkstätten mehr sind als materialgefüllte Räume; sie sind Lernumgebungen. Lernumgebungen, die ein bestimmtes Bild von Lernen, den Anforderungen an (angehende) Lernkräfte und nicht zuletzt – wenn auch nicht explizit benannt – von Schule erfordern“ (Schude 2016, S. 10).

Dennoch berücksichtigt eine Lernwerkstatt durchaus die Materialität des Lernens. So verbindet sich daran die Erwartung der Schaffung eines „Identifikationsortes“ (Hagstedt 2016, S. 28), „Refugien“ (Coelen / Müller-Naendrup 2013 S. 9; Hagstedt 2016, S. 33), als „Orte der Begegnung mit dem eigenen Lernen“ (Nieswanst / Schneider 2014, S. 239) oder als „Dritten Pädagogen“ (Müller-Naendrup 2013, S. 193). Damit wird dem Raum eine für den Lernprozess wichtigere Bedeutung beigemessen, als es in herkömmlichen Räumen universitärer Ausbildung (z.B. Seminar-, Vorlesungsräume oder Bibliothek) möglich ist.

Prinzipien des Lernens in einer Lernwerkstatt

Konstitutiv für die pädagogische Arbeit in Lernwerkstätten sind nach Müller-Naendrup (vgl. Müller-Naendrup 1997, S. 148ff.) die folgenden Prinzipien:

  • Prinzip des Entdeckens und der Handlungsorientierung
  • Prinzip der Autonomie und Kooperation
  • Prinzip der Innovation
  • Prinzip der Reflexion

Auf der Grundlage der Kerngedanken und den daraus resultierenden grundlegenden Gemeinsamkeiten zwischen den Ansätzen und Lernkonzepten, verstehen sich Lernwerkstätten selbst „als alternative Formen der traditionellen Lernkultur. Weg von referentenorientierten Lehrerbildungskonzepten, bieten sie vor allem teilnehmerorientierte Lernarrangements an, die dem Lernenden eine aktive Rolle übertragen und ihn im Sinne des Partizipationsprinzips den eigenen Lernprozess selbst gestalten lassen“ (Müller-Naendrup 1997, S. 132).

Das QUALITEACH-Teilprojekt "Lernwerkstatt an der Uni Erfurt"

Die Lernwerkstatt an der Universität Erfurt befindet sich in der Nähe des Haupteingangs an der Nordhäuser Straße, unterhalb vom Audimax, gegenüber der Erfurt School of Education und nur einen Katzensprung entfernt von der Mensa.

Die „Lernwerkstatt an der Universität Erfurt“ ist eines von fünf Teilprojekten des QUALITEACH-Projektes, in dem der Fokus besonders auf der Lehrer_innenbildung liegt. Das Teilprojekt zielt dabei auf die Implementation und Evaluation einer Lernwerkstatt im oben dargestellten Sinne, die …

  • … eigenaktives und selbstbestimmtes Lernen ermöglicht,
  • … forschendes Lernen mit dem Ziel der Verknüpfung von Theorie und Praxis anregt und fördert
  • … Desintegration der fachwissenschaftlichen, fachdidaktischen und erziehungswissenschaftlichen Ausbildung überwindet
  • … Vernetzungen erzeugt.

Zusammenfassend können folgende, das Projektvorhaben leitende und orientierende Fragestellungen formuliert werden:

  1. Wie kann der Lernwerkstattansatz – neben anderen Ansätzen in der Hochschullehre – in das Lehramtsstudium der Universität Erfurt curricular und didaktisch eingebunden werden, um eigenaktives, selbstbestimmtes und interdisziplinäres Lernen an individuellen Fragestellungen zu entfalten und professionsspezifisches Wissen und Können aufzubauen?
  2. Welche Wirkungen hat die Lernwerkstattdidaktik für Professionalisierungsprozesse/Prozesse der Kompetenzentwicklung zukünftiger Lehrerinnen und Lehrer in der 1. Phase der Lehrer_innenbildung?
  3. Wie kann die Lernwerkstatt zu einem etablierten Ort des kommunikativen Austauschs und der Kooperation zwischen den Phasen der Lehrer_innenbildung in Thüringen werden? Welche Bedingungen sind notwendig, um von punktuellen und projektorientierten Formen zu festen Strukturen der Vernetzung und des professionellen Miteinanders zu gelangen?

Dabei sollen Workshops, Seminare im Rahmen der Lehrer_innenbildung, Fortbildungen und natürlich vor allem Zeiten für individuelles Lernen angeboten werden.

Die Lernwerkstatt an der Universität Erfurt basiert auf dem BMBF-geförderten Teilprojekt. Damit ist sie ein Teil des Projektes QUALITEACH, das sich insgesamt auf die Optimierung der Lehrer_innenbildung an der Erfurt School of Education, dem Zentrum für Lehrer_innenbildung und Bildungsforschung der Universität Erfurt spezialisiert hat. Damit stehen wir als Team der Lernwerkstatt vor folgenden Zielstellungen:

  1. Implementierung der Lernwerkstatt in die Strukturen der Lehrer_innenbildung an der Universität Erfurt: Dazu gehört einerseits die konzeptionelle Arbeit, die eine pädagogische Basis für das Lernen in der Lernwerkstatt darstellen soll. Und andererseits zählt eine begleitende Forschung im Sinne einer formativen Evaluation dazu. Hier geht es vor allem um die Frage, wie eine Lernwerkstatt als Innovation implementiert und schließlich institutionalisiert werden kann (vgl. Dimai 2011).
  2. Summative Evaluation der Wirksamkeit von Lernwerkstattarbeit: Trotz des in den letzten Jahren gestiegenen erziehungswissenschaftlichen Interesses an der Unterstützung von Studierenden durch die Einrichtung von Lernwerkstätten, wird immer wieder auf einen Mangel an Wirksamkeitsforschung hingewiesen (vgl. z.B. Franz 2013; Schule et al. 2016). Diesem Desiderat wollen wir begegnen.

Die Arbeit der Lernwerkstatt wird begleitet von einem Blog. Darauf wollen wir vor allem Ergebnisse der Arbeit öffentlich mit anderen teilen und diskutieren. Das heißt Konzept und Forschung - so sollen etwa Studierende, die in der Lernwerkstatt Erfahrungen gemacht haben, auch eine öffentliche Plattform nutzen können, um für andere Studierende, Lehrer_innen und Wissenschaftler_innen Anregungen bereitzustellen.