Besitz und Gewohnheit. Zur politischen Anthropologie von Eigentum in der westlichen Moderne

Lafitau

Das Teilprojekt A03 im neuen SFB 294 "Strukturwandel des Eigentums" widmet sich der politischen Anthropologie von Eigentum. Es befasst sich mit Konzeptualisierungen der Beziehung zwischen Eigentumssubjekten und Eigentumsordnungen bzw. der Effekte von Eigentum auf Selbst- und Weltverhältnisse. Gegenstand ist die Geschichte der in den Humanwissenschaften verbreiteten politisch-anthropologischen Vermutung, dass Eigentumsordnungen mit je spezifischen Habitusformationen verknüpft sind.

Im Zentrum der Untersuchung stehen positive und negative Bestimmungen der gewohnheitsbildenden Kraft von Grundeigentum: die Auffassung, Eigentum korrumpiere und wirke dadurch zivilisationsgefährdend, und die entgegengesetzte Auffassung, nach der Besitz gute Angewohnheiten hervorbringe und damit zivilisationsstiftend oder -stabilisierend wirke. Beide Positionen kommen seit dem 17. Jh. mit wechselnden historischen Konjunkturen in anthropologischen, politisch-ökonomischen, staatswissenschaftlichen, soziologischen und psychologischen Schriften, in staatstragenden ebenso wie in revolutionären Entwürfen zum Ausdruck. Entsprechend werden einerseits (proto-) rousseauistische Thematisierungen der Relation von Besitz, Macht und Religion zu Beginn der Zivilisation sowie in vormonetären Gesellschaften untersucht, andererseits die Annahme der zivilisationsstiftenden Kraft des Eigentums im Hinblick auf pastorale/nomadische bzw. sesshafte Gesellschaften; dieser wird anhand von zivilisations- bzw. entwicklungstheoretischen Überlegungen des 18. und 19. Jh. zwischen Anthropologie, Evolutionstheorie und Soziologie sowie in politischen Konstellationen zwischen Liberalismus, Frühsozialismus und Kommunismus weiter nachgegangen.

Das TP eröffnet damit die Möglichkeit, die in der (liberalen) politischen Anthropologie der Moderne dominant gewordenen Verbindungen Eigentum/Freiheit bzw. Eigentum/Individualismus sowie das gängige (historiographische) Narrativ einer neuzeitlichen Positivierung des Eigentums aus neuer Perspektive zu hinterfragen. Die Thematisierung von Schwellen, Übergangsphänomenen sowie von Oppositionskonzepten wie dem des Nomadismus erlaubt es, eine Wissens- und Wissenschaftsgeschichte zu schreiben, die sich mit einer gouvernementalitätstheoretischen Analyse der Geschichte vom Regieren über Besitz verbindet. Damit kann die Grundannahme des SFB, dass Eigentum eine konstituierende Institution moderner Gesellschaften darstellt, auf spezifische Weise historisiert werden.