Ein Beitrag zur Diversitätsgeschichte? Die Geschichte tauber Menschen in Deutschland
Dr. phil. Anja Werner
Wö Di
13.4.21-13.7.2021
12-14 Uhr
Online
Bei Fragen kontaktieren Sie bitte anja.werner@uni-erfurt.de. Die Anmeldung erfolgt über Moodle.
Taube Menschen, die gebärdensprachlich kommunizieren, werden in Deutschland noch heute meist negativ konnotiert als „behindert“ wahrgenommen, obwohl sie sich selbst als sprachlich-kulturelle Minderheit sehen. Worin liegt diese Diskrepanz zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung begründet? In diesem Seminar verfolgen wir „hörende“ Vorstellungen über Menschen mit Hörschädigungen bis in die Antike zurück. Die Bildung eines positiven gebärdensprachlich-tauben Selbstbildes wurde u. a. durch die Gründung erster „Taubstummeninstitute“ in Europa im späten 18. Jahrhundert befördert. Der Schwerpunkt des Seminars liegt jedoch im 20. Jahrhundert. Wir diskutieren die Zwangssterilisierungen von als erbkrank eingestuften tauben Menschen zur Zeit des Nationalsozialismus und ordnen diese ein in die Geschichte von Selbstorganisation und politischem Engagement gehörloser Interessensvertreter*innen von der Weimarer Republik bis zur deutschen Wiedervereinigung. Inwiefern wirkten sich die Internationalisierung der Gehörlosenbewegung im Zeichen des Kalten Krieges, Dekolonisierung, Bürgerrechtsbewegungen und Kooperationen tauber Akteure mit internationalen Organisationen auf Vorstellungen von Taubheit in Deutschland aus? Inwiefern wurden diese Entwicklungen von einer „hörenden Mehrheit“ überhaupt wahrgenommen? Das Ziel dieses Seminars ist es, die Geschichte tauber Menschen auch als einen Beitrag zur Diversitätsgeschichte mit zahlreichen Anknüpfungspunkten zu zentralen Themen der Geschichtswissenschaft zu verstehen.