In der metaphysikkritischen Gegenwart scheint die philosophische Frage nach dem Menschen nicht mehr zeitgemäß. Auf der anderen Seite scheint die Anthropologie in den Natur- und Kulturwissenschaften heute gefragter denn je. Um die spezialisierten Erkenntnisse in die Gesamtwirklichkeit des Menschen zu integrieren, bedarf es allerdings der Zusammenarbeit von Wissenschaft und Philosophie. Doch wie kann die philosophische Frage nach dem Menschen heute zeitgemäß gestellt werden? Ist die philosophische Anthropologie auf die Frage nach einem überzeitlichen und unveränderlichen „Wesen“ des Menschen verpflichtet? Muss sie darauf hinauslaufen, ein etwaiges „Wesen“ des Menschen in Begriffen wie der Vernunft oder dem Geist zu suchen?
Der Philosoph, Soziologe und Zoologe Helmuth Plessner (1892-1985) sah nicht den Geist oder die Vernunft, sondern das Verhältnis des Menschen zu seinem Körper als Kardinalfrage menschlicher Existenz an. Jahrzehnte vor dem sogenannten body turn in den Geistes- Sozial- und Kulturwissenschaften wies Plessner auf die konstitutive Bedeutung des Leibkörpers für die philosophische Anthropologie hin. Somit bietet sein Ansatz an der Grenze zum (eigenen) Körper eine überaus fruchtbare Alternative zur klassisch westlichen Engführung auf den Geist sowie damit heraufbeschworener Dualismen von Körper vers. Geist oder Natur vers. Kultur an. Dabei verknüpft Plessner in seinem Gesamtwerk eine Philosophie des organischen Lebens, eine Philosophie der Geschichte und der Soziokultur mit Überlegungen zu Lachen, Weinen, Ausdruck und Schauspiel. Im Workshop soll die Bedeutung der Philosophischen Anthropologie Helmuth Plessners diskutiert sowie Anschlussmöglichkeiten seines Werkes an aktuelle Forschungsfelder evaluiert werden. Im Rahmen des Workshops laden wir Nachwuchswissenschaftler*innen und fortgeschrittene Studierende ohne große Vorkenntnisse ein, sich mit Teilen von Plessners Werk auseinanderzusetzen und sie im Kontext gegenwärtiger Problemstellungen zu reflektieren.
Der Workshop wird größtenteils aus Lektürekreisen bestehen, in denen einschlägige Texte Plessners in lockerer Atmosphäre diskutiert werden. Inwiefern können Plessners Überlegungen heute dazu beitragen, philosophische, gesellschaftliche oder ökologische Probleme zu thematisieren oder Vorurteile innerhalb der Disziplinen offen zu legen? Inwiefern können sie aber auch dazu beitragen, konkrete Phänomene unseres alltäglichen Lebens wie Angst, Lächerlichkeit oder Authentizität zu thematisieren? Inhaltlich decken diese Sitzungen insbesondere folgende Themenbereiche ab: (i) Naturphilosophie und Philosophische Anthropologie, (ii) Gesellschaft, Kultur und Politik, (iii) Lachen, Weinen und Ausdruck.
Ergänzt wird die Arbeit der Lektüregruppen durch Vorträge ausgewiesener Expert*innen, die einen Einblick in die Forschung geben werden, sowie einen Roundtable.
Zu folgenden Vorträgen und Veranstaltungen ist auch die interessierte Öffentlichkeit eingeladen:
Die Teilnahme am Workshop ist kostenlos. Außerdem wird den Teilnehmer*innen eine Übernachtungsmöglichkeit zur Verfügung gestellt, Fahrtkosten werden übernommen bzw. bis zu einem Höchstbetrag bezuschusst. Die Workshop-Plätze sind begrenzt, daher bitten wir um Bewerbung mit kurzem Lebenslauf und Motivationsschreiben (max. 1 Seite) per Mail. Um den organisatorischen Aufwand zu begrenzen, wird um eine Bewerbung bis zum 22.12.2022 gebeten. Ansprechpartner für Bewerbungen ist Moritz v. Kalckreuth.
Hinweis: Die Abendvorträge und der Roundtable sind öffentlich und können daher auch von Gästen besucht werden. In diesem Fall wird um eine kurze Anmeldung per Mail gebeten.