"Garten und Religion?!" – Einblicke in ein interdisziplinäres Lehrprojekt

On Campus , Vorgestellt
Jesus-Holzskulptur in einem Garten

Das Deutsche Gartenbaumuseum Erfurt öffnet am 12. Mai eine neue Sonderschau unter dem Titel „Garten und Religion?!“. In der interdisziplinären Ausstellung, die bis zum 31. Oktober zu sehen ist, werden die vielfältigen Verschmelzungen beider Themen miteinander aufgezeigt und diskutiert. Die Entdeckungsreise führt von Klostergärten und heilenden Kräutern bis hin zum Umgang mit dem Klimawandel in verschiedenen Religionen. Die Besonderheit dieser Ausstellung: Sie ist eine Kooperation mit der Universität Erfurt, die mit Studierenden und Lehrenden von Anfang an in das Projekt inhaltlich eingebunden war. Für unseren Campusblog sprachen wir im Vorfeld mit Katharina Waldner (Professorin für Allgemeine Religionswissenschaft) und Susanne Rau (Professorin für Geschichte und Kulturen der Räume in der Neuzeit), zwei der Dozent*innen, die die Studierenden in diesem interdisziplinären Lehrprojekt begleitet haben...

Wie kam denn eigentlich die Idee zur Zusammenarbeit mit dem Gartenbaumuseum zustande?
Katharina Waldner: Die Kuratorin des Deutschen Gartenbaumuseums Erfurt, Alieda Halbersma – sie selbst hat Klassische Archäologie und Vergleichende Religionswissenschaft studiert – kam bereits 2022 auf die Geschichtswissenschaft und die Religionswissenschaft an der Universität Erfurt zu, mit  der Idee, gemeinsame Projekte zu gestalten. Uns gefiel die Idee...

Und im Wintersemester 2023/24 war es dann soweit...
Susanne Rau: Ja genau. Unter dem Titel „Garten und Religion“ konnten sich Studierende zu einem Studium Fundamentale anmelden, das bereits im Kommentar im Vorlesungsverzeichnis einige Herausforderungen versprach, nämlich: „Im Seminar konzipieren die Studierenden gemeinsam eine Sonderausstellung des Deutschen Gartenbaumuseums mit dem Titel „Garten und Religion“, die im Sommer 2024 in Erfurt gezeigt werden soll. Sie durchlaufen dabei alle Stufen der Planungsphase einer Ausstellung. Von den ersten Ideen über die Konzeption von Vermittlungsformaten bis hin zu partizipativen und inklusiven Aspekten werden alle Bereiche theoretisch vorgestellt und für die Ausstellung vorbereitet. Auch die thematische Ausrichtung der Ausstellung liegt in ihrer Hand und kann je nach Interessen und Vorwissen angepasst werden. Von religiösen Symbolen und Elementen in historischen Gärten bis hin zum Umgang mit dem Klimawandel in Religionen sind viele Themen möglich. Nach Ende der Veranstaltung gibt es die Möglichkeit, im Rahmen von Praktika, unter bestimmten Voraussetzungen auch von Werkverträgen, die Ausstellung weiter vorzubereiten und zu begleiten.“

Verantwortliche Lehrende waren – neben uns beiden – die Kuratorin der Ausstellung und Lehrbeauftragte Alieda Halbersma, Prof. Kai Brodersen (Antike Kultur). Darüber hinaus wurden Studierende aus einem Master-Seminar in der Geschichte, in dem unter Anleitung von Dr. Sara Keller (Max-Weber-Kolleg der Universität Erfurt) zum Thema "Der Paradiesgarten als Idealraum: Persische und indische Gärten in der Frühen Neuzeit" gearbeitet wurde, eingeladen, Beiträge besonders zum Bereich Islam und Garten zu gestalten. Schließlich beteiligte sich auch Simone Buss, eine Dozentin im Fachgebiet "Schulgarten" der Uni. Sie brachte einige ihrer Studierenden mit ins Stufu-Seminar, sodass diese schließlich ein zur Ausstellung passendes Hochbeet gestalten konnten.

Das klingt sehr vielfältig. Wie sah die Arbeit mit den Studierenden dann konkret aus?
Katharina Waldner: Die Studierenden erhielten in Input-Sitzungen zunächst Einblicke in verschiedene historische und religionswissenschaftliche Zugänge zur Thematik, aber auch eine grundlegende Einführung von Alieda Halbersma, wie der Prozess der Erarbeitung einer derartigen Ausstellung überhaupt aufgebaut ist. Darüber hinaus galt es, das Gartenbaumuseum vor Ort als Raum und Institution kennenzulernen. Die Studierenden und natürlich auch wir als beteiligte Dozent*innen lernten viel über Zielgruppen, gesellschaftliche Relevanz und Praxis aktueller Museumsarbeit: Wir mussten ja Aspekte wie Interaktivität, einfache Sprache sowie den Bezug zu Objekten in ihrer Bedeutung erst einmal durchdringen. Inhaltlich ging es hier darum, ein Gefühl für die kulturelle Vielfalt und historische Tiefe sowie die soziale und politische Dimension der Phänomene Garten und Religion zu entwickeln: Paradiesgärten im Judentum, Christentum und im Islam, Königsgärten als Ausdruck von Macht in verschiedenen Epochen und Traditionen, die lange Geschichte von Nutzgärten, Klostergärten seit dem Mittelalter und die Friedhofsgestaltung seit der frühen Neuzeit – aber auch der Buddha aus dem Baumarkt im eigenen Garten (ist er wirklich nur "Deko"?), die Bedeutung von bestimmten Pflanzen, von Düften und Gewürzen für ganz verschiedene Rituale und der Zusammenhang zwischen Klimakrise, Garten und Religion... die Liste ist noch lange nicht vollständig. Die Studierenden des Master-Seminars haben sich außerdem gemeinsam mit Sara Keller mit dem Konzept des Idealraumes im Islam beschäftigt, das auf eine uralte mesopotamische Tradition zurückgeht.

Konkret galt es dann, Inhalte und Vermittlung von drei Themenbereichen, von denen jeder in einem Raum ausgestellt werden sollte, zu erarbeiten: Das waren "Leben/Lieben/Sterben" – "Gesundheit/Krankheit/Glück", "Essen/Kleidung/ Wohnen". Außerdem wurde eine "Ecke für junges Gemüse" geplant – hier sollen Kinder passende Unterhaltung finden. Dafür wurden die Studierenden – ausgehend von den praktischen Bedarfen der Ausstellungsvorbereitung – in vier Teams aufgeteilt: 1) Inhalte 2) Vermittlung 3) Marketing 4) Social Media. Mithilfe der Inputs aber auch einer Menge von uns Dozent*innen bereitgestellten Materials machten sich die Gruppen dann an die Arbeit...

Welche Herausforderungen gab es dabei?
Susanne Rau: Eine didaktische Herausforderung war sicher – wie oft im Studium Fundamentale – die verschiedenen Voraussetzungen, die die Studierenden mitbrachten: Während Studierende aus der Religionswissenschaft es beispielsweise gewohnt sind, über den Begriff "Religion" nachzudenken, ist dies für andere eher ungewöhnlich. Außerdem erforderte der Umgang mit dem vielfältigen Material quer durch verschiedene Epochen und Kulturen umfangreiche historische und kulturwissenschaftliche Kenntnisse. Hier war es wichtig, dass wir als Dozent*innen immer für Fragen zur Verfügung standen und natürlich war es gelegentlich nötig, die selbst recherchierten Texte einem Faktencheck zu unterziehen. Auch die gerade im Bereich religiöser Traditionen oft sensiblen Fragen der Terminologie (warum spricht man besser von der "hebräischen Bibel" als vom "Alten Testament"?) galt es, zu meistern – und dies alles in einfacher Sprache. Doch bereits die abschließenden Präsentationen der Gruppen im Seminar zeigten, wie ambitioniert und kreativ die Studierenden das komplexe Thema gestaltet hatten. Und, anders als in so vielen Lehrveranstaltungen, war dies nicht nur die Prüfungsleistung, sondern nach dem Seminar begann nun  die eigentliche Umsetzung – jetzt natürlich unter Leitung der Kuratorin und mit den Mitteln des Museums (professionelle Grafik, Beschaffung von Objekten etc.).

Haben Sie eine Idee davon, wie die die Studierenden das Seminar erlebt haben?
Katharina Waldner: Wir haben sie im Anschluss an die Lehrveranstaltungen befragt. Die Evaluationen wahren mehrheitlich positiv, obwohl natürlich auch die oben beschriebenen Herausforderungen sowie der recht große Arbeitsaufwand angesprochen wurden. Stellvertretend für viele Kommentare sei hier folgendes Statement von Maurine Meier zitiert: „Es war auch spannend, sich bewusst zu machen, wie tief verwoben Religion und Gärten mit unserem Alltagsleben und Vorstellungen tatsächlich sind."

Einladung zur Eröffnung der Ausstellung am Sonntg, 12. Mai, um 15 Uhr im Gartenbaumuseum

"Gärten sind nicht nur Orte der Ruhe und Schönheit, sondern auch kulturelle Symbole und spirituelle Oasen, die seit jeher Menschen unterschiedlicher Glaubensrichtungen und Weltanschauungen inspiriert haben. Unsere Ausstellung lädt Besucher ein, die faszinierende Verbindung zwischen Gartenkunst und religiöser Praxis zu erkunden und dabei die gemeinsamen Elemente sowie die einzigartigen Ausdrucksformen verschiedener religiöser Traditionen zu entdecken. Indem wir diese Vielfalt an Ansätzen und Interaktionsmöglichkeiten in unsere Ausstellung integrieren, möchten wir eine inklusive und bereichernde Erfahrung schaffen, die es Besuchern jeden Alters und Hintergrunds ermöglicht, sich mit dem Thema auf persönlicher Ebene auseinanderzusetzen und neue Perspektiven zu gewinnen. Das Deutsche Gartenbaumuseum Erfurt lädt daher alle herzlich ein, gemeinsam die Wunder der Gärten und ihre spirituelle Dimension zu erkunden und zu feiern."
(Ole Hofmann, Student aus der Gruppe "Vermittlung und Social Media")