"Es gibt immer Luft nach oben"

Ausblicke , Einblicke
Featurebild Dr. Theresia Piszczan

Am Sonntag ist „Tag der Frauen und Mädchen in der Wissenschaft“. Ein guter Grund, einmal zu schauen, wie eigentlich die Situation von Frauen an der Universität Erfurt aussieht. Wir sprachen mit der Gleichstellungsbeauftragten, Dr. Theresia Piszczan, über die Ziele der Universität in Sachen Gleichstellung und den Gleichstellungsplan, dessen Anpassung für die kommenden zwei Jahre der Senat in dieser Woche beschlossen hat…

Wofür brauchen wir überhaupt einen Gleichstellungsplan, Frau Piszczan? Gerade die Uni Erfurt ist doch für ihren hohen Frauenanteil bekannt…
Schauen wir auf den Frauenanteil unter den Studierenden, stimmt die Aussage. Mit 73 Prozent ist er in der Tat recht hoch und man könnte überlegen, wie man den Männeranteil erhöht. Schaut man aber auf die Promovierenden, so liegt der Frauenanteil nur noch bei 52 Prozent und bei den Professor*innen gar nur noch bei 35 Prozent. Hier wird deutlich, warum wir als Hochschule einen Gleichstellungsplan brauchen. In ihm sollen Maßnahmen entwickelt werden, die die Gleichstellung von Frauen und Männern fördern. Es geht dabei aber auch um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, einschließlich Betreuung und Pflege. Um diese Maßnahmen überhaupt entwickeln zu können, beschäftigen wir uns als Gleichstellungsbeauftragte, Fakultätsgleichstellungsbeauftragte und im Gleichstellungsbeirat zunächst mit der Auswertung von vielen verschiedenen Daten. Diese Daten beziehen sich beispielsweise auf den wissenschaftlichen Bereich, also dem der Studierenden, Promovierenden und der Professor*innen. Wir schauen uns aber auch Daten aus dem Bereich der Mitarbeitenden der Universität Erfurt an, die sich auf Bewerbungen, Einstellungen, Höhergruppierungen, Beförderungen, Fortbildungen und Gremienbesetzung beziehen. Im nächsten Schritt arbeiten wir Stärken und Schwächen heraus und leiten zur Verbesserung der Situation die Ziele ab. Und da die Erstellung eines Gleichstellungsplans eine Vorgabe des Thüringer Gleichstellungsgesetzes ist, brauchen wir nicht nur einen Gleichstellungsplan, vielmehr sind wir zur Aufstellung sogar verpflichtet.

Der Gleichstellungsplan der Uni Erfurt war für die Jahre 2021 bis 2026 aufgestellt worden, was waren denn die ursprünglichen Ziele, die sich die Uni hier gesetzt hat?
Es gab quantitative Ziele auf vier Ebenen: Bei den Promovierenden und den wissenschaftlich Mitarbeitenden wurde ein Frauenanteil von 50 Prozent als Ziel formuliert. Bei den Professuren sollten 40 Prozent erreicht werden und ebenso bei den Leitungs- und Gremienpositionen. Darüber hinaus hat die Universität Erfurt immer das Ziel, gleichstellungsrelevante Aspekte in allen Prozessen zu berücksichtigen – also unter anderem bei Ausschreibungen, bei Einstellungen, bei Höhergruppierungen, bei der Erstellung von Ordnungen, in der Lehre oder in der Weiterbildung. Besonders zu erwähnen sind auch die Themenfelder „Vereinbarkeit“ und „Diskriminierungsschutz“, da hier Frauen häufiger betroffen sind als Männer. Die entwickelten Maßnahmen kommen dann aber natürlich allen zugute.

Warum ist nun eine Anpassung für die Jahre 2024 bis 2026 erforderlich geworden?
Primärer Grund hierfür ist eine Vorgabe des Thüringer Gleichstellungsgesetzes, den Gleichstellungsplan alle sechs Jahre zu erstellen und nach drei Jahren anzupassen. Und das ist natürlich auch sinnvoll. Dadurch schaut man, ob man auf einem guten Weg ist, die gesetzten Ziele auch zu erreichen oder man gegebenenfalls nachjustieren und Ziele korrigieren sollte; übrigens in beide Richtungen.

Was ist denn seit 2021 in Sachen Gleichstellung an der Universität Erfurt erreicht worden?
Der Frauenanteil bei den wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen konnte auf über 60 Prozent erhöht werden. Ebenso erfreulich ist, dass im wissenschaftsunterstützenden Bereich der Frauenanteil in den Entgeltgruppen E13 und darüber auf über 60 Prozent gesteigert werden konnte. Zusätzlich lag der Frauenanteil bei den abgeschlossenen Promotionen in den vergangenen drei Jahren konstant über 50 Prozent, was eine Verbesserung im Vergleich zum vorangegangenen Zeitraum ist. Allerdings muss man bedenken, dass aufgrund struktureller Gegebenheiten keine raschen Veränderungen auf Personalebene zu erwarten sind und große Sprünge innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren unrealistisch sind.  Das Thema „Gleichstellung und Chancengerechtigkeit“ wurde auch in den neu erstellten hausinternen Dokumenten berücksichtigt, z.B. im Leitfaden zum Ausschreibungs- und Einstellungsverfahren, in den Leitlinien für Studium und Lehre oder in der Diversitätsstrategie. Und auch viele Flexibilisierungsmöglichkeiten, die wir während der Pandemie entwickelt haben, behalten wir bei. Ich denke da beispielsweise an Gremiensitzungen per Videokonferenz oder die bedarfsweise hybride Teilnahme an Lehrveranstaltungen. Außerdem wurde das Gleichstellungs- und Familienbüro in den vergangenen Jahren finanziell besser ausgestattet. Das ermöglichte es, Wissenschaftlerinnen gezielter zu fördern und kleinere Projekte oder Veranstaltungen mit Fokus auf Genderaspekten oder Familie zu unterstützen.

Und wie stehen wir im Vergleich zu anderen Thüringer Hochschulen da?
Mit den speziellen Profilen der einzelnen Hochschulen ist ein Vergleich mit anderen Thüringer Hochschulen leider nicht aussagekräftig. Wir können uns aber den bundesweiten Vergleich bei den Geisteswissenschaften sowie den Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften anschauen: Bundesweit lag der Frauenanteil bei den Professor*innen in der Fächergruppe Geisteswissenschaften im Jahr 2022 bei 40 Prozent. An der Universität Erfurt liegt er bei 39 Prozent. Und auch bei den Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften ist der Frauenanteil bei den Professuren an der Universität Erfurt in etwa genauso hoch wie im bundesweiten Durchschnitt, nämlich bei 32 Prozent. 

Sehen Sie beim Thema Gleichstellung an der Universität Erfurt noch Luft nach oben? Und wenn ja: wo konkret?
Es gibt immer Luft nach oben. Quantitativ sollte der Frauenanteil bei den Promovierenden und bei den Professor*innen erhöht werden. Gleiches gilt für den Männeranteil in bestimmten Gehaltsgruppen und Bereichen im nicht-wissenschaftlichen Bereich sowie bei den Studierenden. Qualitativ lässt sich auch hier und da noch etwas verbessern, sei es beispielsweise bei Beratungs- und Sensibilisierungsangeboten oder beim Thema Familienfreundlichkeit. 

Mit welchen Maßnahmen soll das in den kommenden zwei Jahren erreicht werden?
Wir werden uns intensiv damit beschäftigen, wie man im Rahmen von Berufungsverfahren noch mehr Bewerbungen von qualifizierten Frauen bekommt und wie man Familienaspekte noch besser in den Berufungsverfahren berücksichtigen kann. Darüber hinaus läuft aktuell das Verfahren zur Zertifikatsverlängerung „audit familiengerechte hochschule“. Außerdem planen wir die Teilnahme am Professorinnenprogramm 2030. Die ständig laufenden Maßnahmen, wie die gezielte Förderung von Wissenschaftlerinnen, aber auch Maßnahmen zur geschlechtergerechten Personalgewinnung und -entwicklung, behalten wir natürlich bei und schauen regelmäßig nach Verbesserungspotenzial.

Weitere Informationen / Kontakt:

Gleichstellungsbeauftragte
(Universität Erfurt)
C03 - Lehrgebäude 1 / Raum 107