Nachgefragt: "Welche Rolle spielt Rassismus in der Drogenpolitik der USA?"

Gastbeiträge
Drogen auf einem Tisch

Verschiedenen Medienberichten zufolge, steigt die Zahl der Drogensüchtigen in den USA aktuell immer weiter an: Hunderttausende sind süchtig nach Schmerzmitteln und Heroin, und auch die Zahl der Menschen, die deshalb behandelt werden müssen, hat deutlich zugenommen. Im Herbst hat US-Präsident Donald Trump den Gesundheitsnotstand ausgerufen. Eine Verbesserung ist jedoch nicht spürbar. „WortMelder“ hat bei Timo Bonengel, der an der Universität Erfurt zum Thema Drogenkonsum und öffentliche Gesundheit in den USA forscht, nachgefragt: „Mit welchen Mitteln hat die US-Regierung bislang versucht, die Drogenproblematik in den USA in den Griff zu bekommen und spielen ethnische Zugehörigkeit und Rassismus dabei eine Rolle?“

Timo Bonengel
Timo Bonengel

„Schon seit dem Ende des 19. Jahrhunderts fußt die Drogenpolitik in den USA auf zwei Säulen, mit wechselnden Schwerpunkten: Einerseits geht es darum, das Angebot zu kontrollieren, also die Produktion, Einfuhr und den Verkauf der Drogen zu regulieren und unterbinden. Andererseits versucht man, auch die Nachfrage zu reduzieren – durch Prävention und die Therapie Abhängiger. Vereinfacht gesagt reagiert der Staat mit Bestrafung und Fürsorge. Womit bevorzugt reagiert wird, hängt eng damit zusammen, wer angeblich Drogen nimmt. Weiße, vor allem die weiße Mittelschicht, werden traditionell eher als Opfer porträtiert und entsprechend behandelt, ethnische Minderheiten hingegen werden eher mit Kriminalität in Verbindung gebracht und bestraft. Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts wurde beispielsweise das Opiumrauchen kriminalisiert, weil weite Teile der Gesellschaft rassistische Vorurteile gegenüber chinesischen Immigranten hegten, die meist die sogenannten ‚Opiumhöhlen‘ betrieben. Zur gleichen Zeit wurde Morphinabhängigen mehr Verständnis entgegengebracht: Dass viele wohlhabende weiße Frauen aus den Südstaaten betroffen waren, die es ursprünglich als Medikament genommen hatten, führte zu einer stärkeren Regulierung aber nicht zu einer Bestrafung der Betroffenen. Stattdessen kritisierten viele Ärzte ihre Kollegen, sie würden zu häufig Opiate verschreiben. Ein weiteres Beispiel: Erst als Marihuana in den 1960er-Jahren von der Gegenkultur ‚entdeckt‘ wurde und nach und nach seinen Weg in den Mainstream der Gesellschaft fand, stellten Medien, Wissenschaftler und Politiker die harschen Gesetze infrage. Der Unwille, weiße College Kids für ihren Drogenkonsum zu bestrafen, führte dazu, dass die Strafen gelockert wurden. Auch im Fall der aktuellen Opioid-Krise sehen wir, dass Trennlinien entlang der ethnischen Zugehörigkeit gezogen werden. Die Abhängigen, die uns in den Medien begegnen, sind in der Regel weiß und kommen entweder aus den verarmten Regionen im ‚Rustbelt‘ oder aus den suburbanen Gebieten, in denen überwiegend die Mittelschicht lebt. Der Tenor ist, dass sie schuldlos, durch eine zu liberale Verschreibungspraxis von Ärzten, in die Abhängigkeit geraten sind. Wenn sie dann nicht mehr legal an Opioide kommen, wenden sie sich dem Schwarzmarkt zu und nehmen Heroin. Das ist die gängige Lesart. Die Heroin-Dealer wiederum, behauptet nicht nur Donald Trump, seien vor allem Mexikaner. Genau diese Verbindung hat er ja auch schon gezogen, um für den Bau der Mauer zwischen den USA und Mexiko zu werben –  er hat das Thema benutzt, um seine Anti-Einwanderungs-Agenda voranzutreiben. Um den Leidtragenden in der Opioid-Krise zu helfen, ist bislang aber praktisch gar nichts passiert.“