Vergessene Bauhausfrauen: Helene von Heyden – Entrechtung einer Mannheimer Malerin

Vorgestellt
Titelmotiv: "Vergessene Bauhaus-Frauen"

Das Bauhaus-Jubiläumsjahr 2019 verhalf den Frauen des Bauhauses zu neuer Aufmerksamkeit. Doch vieles liegt noch im Dunkeln: Von den rund 460 verzeichneten Studentinnen am Bauhaus sind beispielsweise nur von zwei Dritteln die Lebensdaten bekannt. Traditionelle Rollenvorstellungen, Heirat und Namenswechsel oder die vielfach schwierigen Lebensverhältnisse alleinstehender Frauen führten dazu, dass sie ihr künstlerisches Talent nicht immer frei entfalten konnten, ihr Werk nicht erhalten ist und ihre Lebenswege kaum Spuren in den Archiven hinterlassen haben. Insbesondere die nationalsozialistische Machtübernahme 1933 wirkte sich auf weibliche Bauhaus-Angehörige aus. Verfolgt durch das NS-Regime fanden einige den frühen Tod. Sie wurden im Exil Opfer stalinistischer Säuberung, starben aufgrund von Krankheit oder in den Bombennächten des Zweiten Weltkriegs.

Porträt Helene von Heyden als Mädchen, ca. 1900-1903 // © Marchivum, Mannheim, marchivum@mannheim.de

Ein neues Ausstellungsprojekt der Universität Erfurt und der Klassik Stiftung Weimar unter dem Titel „Vergessene Bauhaus-Frauen“ widmet sich nun der Erforschung dieser Schicksale, von denen mehr als 30 ab dem 1. Oktober 2021 im Bauhaus-Museum Weimar vorgestellt werden. „Die Erinnerung an die früh verschiedenen Bauhäuslerinnen trägt zur differenzierten Aufarbeitung der Bauhaus-Geschichte im Nationalsozialismus und Exil bei und verknüpft damit den Gender- und den zeithistorischen Diskurs“, erläutert Prof. Patrick Rössler, Kommunikationswissenschaftler an der Universität Erfurt. Doch nicht alle Frauen wurden verfolgt, einige gingen sogar konform mit der neuen Ideologie und traten in die NSDAP ein: „Diese Lebenswege sind in ihrer Verschiedenheit aufzuzeigen, um dem falschen Eindruck vorzubeugen, es habe das eine, typische Frauenschicksal in den 1930er-Jahren gegeben“, sagt Dr. Anke Blümm (Uni Erfurt/Klassik Stiftung Weimar).

In loser Folge stellt „WortMelder“ einige der „vergessenen Bauhaus-Frauen“ einmal kurz vor. Heute: Helene von Heyden (28.11.1893 bis 26.7.1940). Sie war 1919 am Bauhaus.

1933 wurde die Malerin Helene von Heyden gegen ihren Willen aus Italien, wo sie sich aufhielt, abgeholt und in eine Nervenanstalt eingewiesen. Einmal interniert, war aus dem System der NS-Heilanstalten kein Entkommen mehr. Eindringlich schrieb sie 1938 aus der Anstalt Emmendingen an eine Bekannte: „Sie können mir glauben, [...] dass ich meine ganze Entrechtung und Gefangenschaft im Irrenhaus als Verbrechen empfinde. [...] Ich war nur in der ital. Julisonne 33 verwirrt [...] war also viele Monate schon vollkommen gesund – nur ziemlich unterernährt – als mir Mama den Nervenarzt Dr. Claus aus Mannheim schickte, der [...] mich wie eine Entmündigte nach der Illenau anlieferte! [...] da geht aller Menschenglauben unter.“ Helene von Heyden wurde am 26.07.1940 von Emmendingen in die Tötungsanstalt Grafeneck gebracht und direkt nach der Ankunft ermordet. Die Mutter starb 1934, die Schwester 1938. Es deutet sich auch in Helene von Heydens weiterem Brief an, dass ihre Internierung eine Möglichkeit war, ohne ihre Zustimmung an Wohnhaus und Vermögen zu kommen.

Helene von Heyden wurde am 29.11.1893 in Karlsruhe in eine evangelische Familie hineingeboren. 1916 wurde sie in Weimar an der Großherzoglich Sächsischen Hochschule für Bildende Kunst in der Klasse von Walther Klemm aufgenommen, der Vorgängerinstitution des Bauhauses. Um 1917 bis 1918 hielt sie sich in München auf. In dieser Zeit muss das Gemälde Kastanienblüten entstanden sein, das durch den pastosen Farbauftrag mit breitem Pinsel und die reliefartige Binnenstruktur trotz realistischer Grundhaltung expressiv und lebendig wirkt. Letztlich studierte sie am Bauhaus nur im Sommersemester 1919. Sie verfolgte jedoch ihre Karriere in Mannheim weiter. Zusammen mit Albert Henselmann und Karl Stohner gründete sie die „Freie Akademie Mannheim“, ein damals wichtiges privates Ausbildungsinstitut. Zudem sind diverse Ausstellungsbeteiligungen bekannt, wie z.B. zur Schau „Moderne Aquarellisten“. 

Die nationalsozialistische Machtübernahme hatte dramatische Folgen für sie: Ihr Gemälde „Netzeflicker“ wurde 1933 in der Mannheimer Kunsthalle in der ersten antimodernen Propagandaausstellung im nationalsozialistischen Deutschland gezeigt. 1937 beschlagnahmten die NS-Machthaber die beiden Gemälde „Netzeflicker“ und „Fischerhafen“ als „entartet“. Nur noch zwei ihrer Werke befinden sich heute in der Mannheimer Kunsthalle, die maritimen Motive „Hafen“ und „Schiffe“ . Wahrscheinlich war es ihr nicht mehr möglich, nach ihrer gewaltsamen Einweisung künstlerisch tätig zu sein: „Was sprachen nur die Leute über mein Verschwundensein aus Mannheim? Ich leide so sehr, dass ich ‚Ex-Malerin‘ bin.“

Die Ausstellung "Vergessene Bauhaus-Frauen. Lebensschicksale in den 1930er- und 1940er-Jahren" zeigen die Universität Erfurt und die Klassik Stiftung Weimar vom 1. Oktober 2021 bis zum 4. Januar 2022 im Bauhaus-Museum Weimar.


Weitere Informationen

Projektwebsite

Bauhaus-Museum Weimar

Bildnachweis Titel: Foto: T. Lux Feininger, 1928, Karla Grosch (Weimar 1904 – Tel Aviv 1933) und Else Rawitzer (Berlin 1908 – KZ Auschwitz 1942) vor dem Bauhaus-Gebäude, Stiftung Bauhaus Dessau.