Frauen und Liturgie – Was muss sich ändern?

Forschung & Wissenschaft
Collage mit Abbildungen einer stillenden Madonna, der Judit mit dem Kopf des Holofernes und der Heiligen Lucia

von Johanna Birkefeld und Magdalena Lorek

In diesem Beitrag wird das Thema der Frauenliturgie(n) in der Form eines Schreibgespräches diskutiert. Liturgie(n) für Frauen ist ein eher vereinzelt auftretendes Phänomen, sodass dieser Beitrag vor allem auf allgemeine Überlegungen von zwei jungen Theologinnen fokussiert und die praktische Erfahrungsdimension offenlässt.

1. Was ist Liturgie für Frauen?

Magdalena: In mehreren Bistümern werden Liturgien explizit für Frauen angeboten. Dabei handelt es sich (soweit ich das erblicken konnte) um Andachten, die von Frauen für Frauen organisiert, strukturiert und geleitet werden. Auch das Thema dieser Liturgien sind Frauen: Frauengestalten aus der Bibel oder aus der christlichen Tradition wie zum Beispiel die Heilige Odilia und die Heilige Lucia werden hervorgehoben. Ein weiteres Kennzeichen für “Frauenliturgien” ist die geschlechtersensible Sprache oder “feministische” Sprache (heißt: Bevorzugung der rein weiblichen Sprachformen – die Betitelung einer solchen Sprache als “feministisch” ist hier irreführend, da Feminismus nicht gleichzusetzen ist mit der Hervorhebung des Weiblichen; es gibt viele verschiedene Strömungen des Feminismus) in Lied und Lesung.

Johanna: Die ersten drei Treffer der Google-Bildersuche zur Anfrage “Frauenliturgie” repräsentieren genau das, was meine (und möglicherweise auch die einiger anderer) erste Assoziation zu diesem Thema darstellt: Frauen über 60, die in einem Stuhlkreis Andacht feiern. Nach nur kurzem Nachdenken oder Recherchieren wird allerdings schnell klar, Frauenliturgie meint mehr als eine Sitzgruppe rund um eine gestaltete Mitte, die zum liturgischen Raum für die gemeindliche kfd-Bewegung wird. Eine Liturgie für Frauen kann nicht nur jung und modern sein (wie bspw. digitale Formate wie “Das feministische Andachtskollektiv” in sozialen Netzwerken zeigen), sondern auch gestaltungsoffen und anpassungsfähig. All diese Attribute beschreiben schon die Grundhaltung, mit der Frauen solche Liturgien feiern und vorbereiten: Frauen werden selbst zu Subjekten der Liturgie, die sie feiern, gestalten und leiten und lösen sich so von traditionellen Gottesdienstmodellen, die nur sehr selten ihre Sprache, ihre Bedürfnisse und ihre Anliegen in den Blick nehmen.

Frauenliturgie fokussiert also auf Frauen auf allen möglichen Ebenen. Solche Formen von Gottesdienst weisen Potential auf.

2. Chancen einer Liturgie für Frauen

Magdalena: Eine Liturgie, die sich auf Frauen konzentriert, kann für Anliegen von Gottesdienstbesucherinnen sensibilisieren. Der “normale” Gottesdienst ist nicht nur durch den Priester eher Männerbelastet. Vor allem in den (biblischen) Texten fällt mir immer wieder auf, dass Frauen in der Liturgie kaum eine Rolle spielen: weibliche Figuren kommen nur selten in der Lesung vor, die Gebets- und Liedtexte sowie Fürbitten verwenden vor allem die männliche Form. Frauliche Anliegen wie Mutterschaft (oder die Entscheidung, kinderlos zu sein) werden in der Predigt kaum thematisiert, wenn dann immer aus der Perspektive eines Mannes. Frauenliturgie kann darauf aufmerksam machen und eine Art Ausgleich bieten. Außerdem stellt Frauenliturgie eine Alternative zur Eucharistiefeier dar, indem sie neue Formen entwickelt und ausprobiert.

Johanna: Liturgien für Frauen mit all ihren Dimensionen des Anfragens an herkömmliche, traditionelle Liturgien und des Protests gegen solche Gottesdienste und deren Androzentrik, die sich in der Auswahl der Lesungstexte, in Gottesanreden, in der liturgischen Sprache und auch in stereotypen Rollenzuschreibungen niederschlägt, sensibilisiert nicht nur die Mitfeiernden der Gemeinde für gerade diese Themen, sondern zeigt auf, wie es anders geht. Wie Frauen ganz konkret traditionelle Feierformen Frauen-freundlich adaptieren, mit ihrer Sprache und ihren Erfahrungen versehen und so einen eigenen liturgischen Freiraum gestalten. 

Diese Formen des liturgischen Feierns bieten also Anlass und Möglichkeit, männerdominierte “gottesdienstliche Traditionen im Licht von Frauenfragen zu überdenken”[1], wie es bspw. Teresa Berger ausführlich in ihren Überlegungen zu Frauenliturgien getan hat.

Neben all den Vorteilen, die Frauenliturgien vorweisen, gibt es aber auch kritische Aspekte zu bedenken.

3. Problemstellung Frauenfokus

Magdalena: Ich glaube, dass die Konzentration auf Frauen in einer separaten Liturgie nicht zielführend ist. Frauenliturgie soll Frauen stärken, ihnen einen Ort der Gottesbegegnung zu geben. Warum braucht es dafür eine außerordentliche Liturgie? Sollten die Bedürfnisse von Frauen, denen der “normale” Gottesdienst nicht gerecht wird, nicht vielmehr ein Anlass für Veränderungen an der Norm sein? Der Fokus auf Frauen ist außerdem problematisch, wenn sich Frauen dadurch abgrenzen und exklusiv werden. Männer werden von der Frauenliturgie systematisch ausgeschlossen. Gerade die Männer haben Liturgie mit dem Fokus auf Frauen aber nötig: Männer sollten Achtsamkeit lernen gegenüber weiblichen Bedürfnissen; Männer sollten sprachlich sensibilisiert werden (abgesehen davon, dass auch vielen Frauen sprachliche Sensibilität in Bezug auf Geschlechtergerechtigkeit schwerfällt). Wenn Frauen unter sich bleiben, gibt es keine Veränderung und Männer werden womöglich noch zum Feind. Die Exklusivität der Frauenliturgie hat zudem zur Konsequenz, dass “normale” Liturgie als männlich gesetzt ist. Frauen(liturgien) werden dadurch zur Abweichung der Norm.

Außerdem: Wird “normale” Liturgie den Bedürfnissen von Männern überhaupt gerecht? Nur weil Männer sprachlich und in liturgischen Texten überrepräsentiert sind, bedeutet das nicht, dass ihren Anliegen in Liturgie entsprochen wird. Wann wird z.B. das Thema Vaterschaft im Gottesdienst behandelt? Wann wird das Stereotyp des Mannes als Versorger der Familie aufgelöst?

Johanna: Ich glaube, separate Liturgien mit Frauenfokus können Teil des ambitionierten Ziels und ein Zwischenschritt hin zu Veränderungen der bisherigen, kirchenamtlichen Liturgie sein. Diese Gottesdienstformate können einen geschützten Rahmen bieten, um die eigene Sprache, eigene Themen und Erfahrungen einfließen zu lassen. Ganz sicher wäre es fatal, dadurch ein Gegenüber zu “normalen” Gottesdiensten zu generieren, was eben suggerieren würde, dass andere Liturgie männlich wäre. Vielleicht ist es also möglich, diese Form der Liturgie nicht unbedingt exklusiv im Hinblick auf die Mitfeiernden, sondern exklusiv in Bezug auf ihre Themen zu denken, wie das in anderen anlassbezogenen Gottesdiensten auch geschieht.

Frauenliturgien sind vielfältig. Es kommt auf ihre genaue Gestaltung an, ob Chancen genutzt und Gefahren vermieden werden. Wie sind Frauenliturgien in den ebenso vielfältigen Schatz liturgischer Formen einzuordnen? Was kann Liturgie von Frauenliturgien lernen?

4. Frauenliturgien als Zukunftsweiser

Magdalena: Ich lege ehrlich gesagt nicht so viel Anspruch darauf, dass meine weiblichen Bedürfnisse in der Liturgie direkt angesprochen werden. Da wäre dann nämlich die Frage, was weibliche Bedürfnisse überhaupt sind. Die Antwort, die darauf käme, würde ich höchstwahrscheinlich ablehnen. Zumindest, wenn die Antwort sich an den bisherigen Geschlechterzuschreibungen des Lehramtes der katholischen Kirche orientiert und die Antwort von (geweihten) Männern ohne intime Erfahrung mit Frauen kommt. Ich wünsche mir eine Liturgie, die unabhängig vom Geschlecht der leitenden und teilnehmenden Personen ist. Das kann funktionieren, indem wir von Frauenliturgie lernen: es muss nicht unbedingt eine Eucharistiefeier sein. Geschlechtersensible Sprache ist angebracht und notwendig. Texte, gerade auch der Lesung, sollten die Vielfalt biblischer Geschichten ausschöpfen und Frauenfiguren nicht ignorieren. Ich wünsche mir, dass in Liturgie das Gemeinschaftsgefühl von Menschen gefördert und die Gottesbeziehung erfahrbar wird. Ob das vermittelt werden kann, liegt nicht daran, dass am Altar ein älterer Mann steht oder eine junge Frau. Es kommt auf die Person an.

Johanna: Frauenliturgien können Vorbild sein! Sie konfrontieren die Kirche mit ihrer männerdominierten liturgischen Tradition und regen eine Erneuerungsbewegung an, genau diese Problematik anzugehen und Liturgie anders und neu zu denken: nicht nur unter gleichberechtigter Beteiligung, sondern mit einem anderen Hineingenommensein des Menschen - nämlich eines jeden Menschen. Jede Liturgie ist in all ihren Bestandteilen auch Ausdruck von Ekklesiologie. Das Hineinbringen einer verstärkten weiblichen, feministischen Perspektive in das Gottesdienstgeschehen kann somit auch Spiegel eines erneuerten Kirchenverständnisses sein.

[1] Teresa Berger, Sei gesegnet, meine Schwester. Frauen feiern Liturgie, Würzburg 1999, 42.

Der Fachbereich Frauenpastoral stellt online Gottesdienstkonzepte und Liedblätter für Frauenliturgien zur Verfügung. 

Zur Website des Erzbistums Bamberg