Herausforderung Klimakrise: Wie Studierende der Uni Erfurt in den USA den Perspektivwechsel wagen wollen

International , Off Campus
Das BUS-eum auf einem Parkplatz, davor Menschen im Gespräch

Wie umgehen mit Klimawandel und Wetterextremen? In Europa gibt es darauf zahlreiche Antworten. Doch welchen Blick haben Amerikaner*innen auf diese Frage? Wie verändert die Klimakrise ihr Leben und inwieweit bilden die Ideen zum Umgang damit deren Lebenswirklichkeit ab? Bei einem dreimonatigen Roadtrip durch den Mittleren Westen der USA suchen Studierende der Universität Erfurt im Rahmen eines Seminars im Studium Fundamentale (StuFu) dazu das Gespräch mit Einheimischen. In wenigen Wochen geht es los. Wir sprachen vorab mit Svea Benett, die als Studierende am Projekt teilnimmt. 

Svea, die Folgen des Klimawandels betreffen uns alle, nicht nur in Deutschland. Wie kam es zu der Idee, in die USA zu reisen und mit den Menschen dort über das Thema zu sprechen?
Svea Benett: Das Thema wurde von unserem Dozenten Dr. Luick-Thrams entwickelt. Ihm ist es ein Anliegen, möglichst viel über das Problem des Klimawandels zu informieren und dafür mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. Sein Tatendrang hat schließlich auch uns Studierende erfasst, eben weil unsere Zukunft vom Klimawandel bedroht ist. Uns Studierende hat dieses Konzeption der Reise mit einem Dialog auf Augenhöhe gefesselt, weil es nicht darum geht, andere von unseren Ansichten zu überzeugen, sondern wir wollen deren Sichtweisen erfahren. Im Gespräch wollen wir herausfinden, vor welchen Problemen und Herausforderungen die Bevölkerung steht und wo Klimaschutzkonzepte an ihre Grenzen stoßen, weil die Lebenswirklichkeiten und damit womöglich auch die individuellen Handlungsmöglichkeiten innerhalb der USA aber auch im Vergleich zu Deutschland sehr unterschiedlich sind.

Das klingt spannend, aber auch nach einer Herausforderung. Wie habt ihr euch während des StuFu-Seminars auf den Aufenthalt und die Gespräche vorbereitet?
Svea Benett: Als erstes stand die Frage im Raum, wie wir die Menschen überhaupt auf das Thema ansprechen wollen. Und womit treten wir ihnen möglicherweise auf die Füße? Wir wollen nicht als Ausländer*innen auftreten, die von ihrem Land nur das Beste denken und dann mit dem Finger auf die Probleme anderer zeigen. Denn es kann sonst schnell den Beigeschmack einer Lehrstunde mit sich bringen. Also begannen wir, uns selbstkritisch zu hinterfragen, um im wertfreien Vergleich mit unserem Gegenüber ins Gespräch zu kommen, ohne die Augenhöhe zu verlassen und jemanden in eine Verteidigungsposition zu drängen.

Das eine ist sicherlich die Theorie, das andere die Praxis: Was glaubst du, wird euch erwarten?
Svea Benett: Natürlich ist es ein schwieriges Unterfangen. Ob unsere Vorstellungen und Vorbereitungen zum Erfolg führen, werden wir erst während der Reise sehen. Auf alles kann man sich letztlich nicht vorbereiten. Aber das macht ja auch einen gewissen Reiz aus. Wir müssen sicherlich auch mit kritischen Stimmen rechnen, aber auch die sind ja wichtig, um ein Gesamtbild bzw. einen Gesamteindruck von der Haltung der Menschen beim Thema Klimakrise zu bekommen. Uns ist der Diskurs wichtig, und dafür wollen wir auf unserer Tour Raum schaffen. Nur dadurch erfahren wir, was die Menschen zu ihren kritischen Positionen verleitet. Und diese zu respektieren, wird auch für uns eine interessante Erfahrung, ja vielleicht sogar Lernerfahrung sein. Wir sind schließlich nicht dort, um zwanghaft Überzeugungsarbeit zu leisten. Unsere eigene Haltung funktioniert sicher nicht für alle, und das zu akzeptieren und zu respektieren, wird eine große Bereicherung für unsere Kommunikationsfähigkeit, denke ich. Letztlich wollen wir einen Austausch anstoßen, auch darüber, welche Projekte und Ideen zum Klimaschutz es schon gibt und welche man vielleicht für sich selbst adaptieren kann. Austausch funktioniert eben nur in beide Richtungen. Und unser BUS-seum bietet dafür eine tollen Kommunikationsraum.

Was kann ich mir unter einem BUS-eum vorstellen – was ist das?
Svea Benett: Das BUS-eum ist im Grunde ein umgebauter amerikanischer Schulbus, der mit anderen Projekten schon einige Touren durch Amerika gemacht hat. Im vorderen Teil wurden die Sitzbänke entfernt, damit dort Schautafeln und Ausstellungsstücke gezeigt werden können. Im hinteren Teil wurden die Sitzbänke belassen und mit einem eingebauten Fernseher zu einem kleinen Kino umfunktioniert. Auch an der Außenseite des Busses können Informationstafeln angebracht werden. Wir schaffen damit unser eigenes kleines mobiles Museum.

Und was soll am Ende des Projekts stehen und was ist euer Ziel nach Eurer Rückkehr nach Deutschland?
Svea Benett: Unser Ziel ist es, mit unserer Aktion möglichst viele Menschen zu erreichen und sie für den Klimawandel zu sensibilisieren. Es wäre schön, wenn am Ende alle – also auch wir – mit einem Mehr an Faktenwissen, persönlichen Erfahrungen und Ideen aus dem Projekt gehen. Ich vermute, dass wir dabei auch erkennen werden, wie schwierig es ist, als Einzelner gegen den Klimawandel anzukämpfen, insbesondere unter staatlichen Vorgaben, denen man sich nicht entziehen kann. Aber wenn wir die Probleme erkennen und uns bewusstmachen, wo die Potenziale liegen, unser Zusammenleben zu verbessern und in den Dialog treten, können wir gemeinsam etwas in Gang setzen, das uns weiterbringt.

Sicher werden manche kritisieren, dass eine Reise in die USA den Klimawandel eher vorantreiben wird. Wie geht ihr mit dieser Kritik um?
Svea Benett: Wir wissen, dass das Flugzeug nicht das umweltfreundlichste Verkehrsmittel ist. Diesbezüglich sitzen wir mit großen Organisationen wie Greenpeace oder FridaysForFuture „in einem Boot“ oder vielmehr „im selben Flieger“. Uns ist klar, dass wir nicht mit einer „weißen Weste“ unterwegs sind und dass der Flug unseren Verbrauch nicht reduziert. Wir hoffen aber, dass er eine Investition in die Zukunft ist, dahingehend, dass unsere Reise dafür sorgt, dass künftig mehr Menschen klimabewusster leben. Natürlich wissen wir, dass wir keine Nullbilanz erreichen können. Aber wir haben uns darauf verständigt, die für die gesamte Tour berechneten Emissionen in Spendengelder umzurechnen und diese an ausgewählte Klimaschutzorganisationen zu spenden. Das Geld wird also aus unserem eigenen Spendenfonds gespendet, so dass die Spender*innen unseres Projektes indirekt auch Organisationen unterstützen, die aktiven Klimaschutz in der Politik betreiben.

Euer Roadtripp startet Anfang April und wird drei Monate dauern. Wie organisieren du und deine Kommiliton*innen das kommende Semester?
Svea Benett: Die aktiv Studierenden haben sich entschlossen, eine Auszeit vom Studium zu nehmen und die Möglichkeit zu nutzen, sich das Ganze als Auslandspraktikums anrechnen zu lassen. Dies ist besonders für diejenigen unter uns interessant, die Internationale Beziehungen oder kulturwissenschaftliche Studiengänge studieren. So bekommen wir einen Einblick in das Leben im Heartland der USA, den man als Tourist*in normalerweise nicht bekommt, schon gar nicht mit dem Austausch, den wir uns erhoffen. Und einige von uns sind auch schon in ihrem letzten Semester. Sie arbeiten dann einfach mobil an ihrer Abschlussarbeit.

Und wohin wird Euch Eure Route genau führen?
Svea Benett: Wir reisen mit unserem Bus durch den mittleren Westen der USA und durchqueren dabei die Bundestaaten Iowa, South Dakota, Nebraska, Missouri, Illinois, Minnesota, Wisconsin und North Dakota.

Habt ihr bereits Kontakte in die USA und Unterstützer vor Ort? Wie werdet ihr dort leben?
Svea Benett: Wir haben ein zentrales Arbeitsteam organisiert, das aus uns Studierenden und Personen vor Ort besteht, die für uns die Verbindungen in die USA herstellen. Ihre Arbeit besteht darin, Gastgeber*innen für die Ausstellung zu organisieren, wie zum Beispiel die Drake University in Des Moines oder das Coe College in Cedar Rapids. Sie suchen auch nach Sponsor*innen für das Projekt und Unterkünfte. Ob wir an jeder Station eine Unterkunft finden, wird sich zeigen. Aber es sieht so aus, dass wir auch ganz klassisch irgendwo im Mittleren Westen campen werden. Also hoffen wir auf gutes Wetter und wenig Sturm.

Du hast die Kosten eben schon selbst angesprochen. Gerade für Studierende ist eine solche Reise sicher eine finanzielle Herausforderung. Wie geht ihr damit um?
Svea Benett: Bereits zu Beginn des Projektes stand fest, dass wir uns weitgehend über Spenden organisieren müssen. Davon werden wir die Ausstellung im BUS-eum realisieren. Wir wollen dadurch aber auch möglichst einen großen Teil unserer Reisekosten decken. Die An- und Abreise sind dadurch schon gedeckt. Deshalb ist die Belastung für uns Studierende eher gering, worüber wir natürlich echt froh sind. Nur bei den Kosten vor Ort brauchen wir noch Unterstützung. Wir haben dafür eine Spendenkampagne eingerichtet. Dies dient auch dem erwähnten Emissionsausgleich für unseren Flug. Hier freuen wir uns über jede Unterstützung.

Ein wirklich spannendes Projekt. Können wir euch über einen Blog oder die Social-Media-Kanäle während der Reise begleiten?
Svea Benett: Ja, das ist tatsächlich möglich. Wir bieten auf unserer Webseite erweiterte Inhalte zu unseren Ausstellungspanels an, damit auch diejenigen, die nicht dabei sind, teilhaben können. Außerdem haben wir einen Instagram-Account, den wir regelmäßig mit Updates zu unserer Tour sowie mit inspirierenden und informativen Videos füttern werden, so dass hoffentlich viele Menschen an der Aktion teilhaben können.

Vielen Dank für das Gespräch.