Arbeitswelten der Zukunft #11: Prof. Dr. Joachim R. Höflich – Kollege Roboter?

Gastbeiträge

Das neue Wissenschaftsjahr des Bundesministeriums für Bildung und Forschung widmet sich 2018 dem Thema „Arbeitswelten der Zukunft“. Es soll „erkunden, welche Chancen sich eröffnen und vor welchen Herausforderungen wir stehen“. Forschung, Wissenschaft, Wirtschaft und Kultur suchen gemeinsam nach Antworten auf Fragen zu den Arbeitsplätzen von übermorgen. Auch die Universität Erfurt beteiligt sich mit einer Beitragsreihe wieder am Themenjahr des BMBF und geht dabei aus geisteswissenschaftlicher Sicht der Frage auf den Grund, wie sich künftige Arbeitswelten gestalten werden. Welche Ängste bringen Digitalisierung und Robotik mit sich? Wie haben sich Berufe gewandelt, beispielsweise der Lehrerberuf, die Arbeit in Bibliotheken und Archiven oder die Tätigkeit des Forschers selbst? Was ist Arbeit überhaupt, etwa lediglich die Erwerbstätigkeit oder nicht doch alles, was uns im Leben prägt, von familiären und freundschaftlichen Beziehungen bis hin zur Muße? Welche Rolle spielen zukünftig Internationalisierung, Ehrenamt, ständige Leistungssteigerung und Work-Life-Balance? Und wie müssen sich Unternehmen verändern, um zukunftsfähig zu bleiben? Diese und weitere Fragen sollen in der Textreihe „Arbeitswelten der Zukunft – Beiträge der Universität Erfurt zum Wissenschaftsjahr 2018“ diskutiert werden.

Prof. Dr. Joachim R. Höflich ist Professor für Kommunikationswissenschaft mit dem Schwerpunkt Medienintegration an der Philosophischen Fakultät an der Universität Erfurt. In Teil elf unserer Beitragsreihe geht er der Frage nach, inwiefern Roboter in den Arbeitswelten der Zukunft eine Rolle spielen könnten.

Die Medienwelt ist in stetem Wandel. Immer mehr prägen Medien unseren privaten und beruflichen Alltag – und verändern das, was als Medienökologie bezeichnet wird. In der aktuellen Diskussion steht nachgerade ein Wandel durch digitale Medien, wobei zwei Momente hervorstechen: die Entwicklung der künstlichen Intelligenz und eine Entwicklung, von der es heißt, dass das Zeitalter des Computers nun durch ein Zeitalter des Roboters fortgeführt werde. Eine solche Roboterisierung lässt kaum einen Bereich des Alltags aus, verändert das Leben, die zwischenmenschlichen Beziehungen, ja sogar die Liebe. Darauf verweisen in letzter Zeit vermehrt vorzufindende wissenschaftliche Publikationen, die sich dem Thema „Love and Sex with Robots“ (so auch der Titel einer internationalen Tagung, die im Jahr 2017 in London stattfand) widmen. Vieles bleibt indessen noch im Bereich der Ideenwelt und der Science-Fiction. Selbst wenn sich manches im Erprobungsstadium befindet, so wird es noch dauern, bis die neuen roboterischen Möglichkeiten in den Alltag einziehen. Weitaus schneller geht das in der Arbeitswelt, verbunden mit neuen Formen der Zusammenarbeit. Unter dem Stichwort „Industrie 4.0“ wird nicht zuletzt darauf verwiesen, dass der Roboter seinen festen und auch in einer Schutzzone befindlichen Arbeitsort (wie einer Schweißerei oder Lackiererei) verlässt und Teil einer interaktiven Arbeitskette, ja zu einem neuen „Mit-Arbeiter“ wird. Das erinnert durchaus an die Herkunft des Begriffes Roboter, der auf ein von dem tschechischen Schriftsteller Karel Čapek verfasstes Schauspiel zurückgeführt und aus dem Begriff „Robota“ (Frohnarbeit) abgeleitet wird.

Ob der Roboter damit zu einem Kollegen wird, ist gleichwohl eine Frage. Das Kollegiale ist immer auch das Zwischenmenschliche, das schließlich das Arbeits- und Kommunikationsklima eines Unternehmens ausmacht. Und beim Roboter hat man es eben nicht mit einem Menschen zu tun, mit dem man sich informell austauscht, über Privates spricht und sich über die Arbeitsumstände unterhält und beklagt und mit dem eine solidarische Gemeinschaft aufgebaut werden kann. Der Roboter ist eine Maschine, die nicht motiviert werden muss, keine Launen kennt, ohne Ermüdungserscheinung immer voran arbeitet, die nicht krank werden und der nicht gekündigt werden kann – und die eigentlich eher eine Anpassung erzwingt als sich selbst anzupassen. Unbekannt ist dies nicht: Eine Entmenschlichung der Beziehung durch einen Verlust des Menschen, eine Maschinisierung des Menschen, so dass ihm die Maschine als Konkurrenz gegenübertreten kann, das hatte nicht zuletzt Karl Marx im Visier.

Zuerst kommt jedoch einmal die Angst des Menschen vor der Maschine. Generell ist es, das wird durch europaweite Studien unterstrichen, die Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren. Dazu kommt die Angst vor dem Unvertrauten, ja Unheimlichen der Maschine. Roboter müssen nicht per se angstauslösend sein. Aber mit zunehmender Menschenähnlichkeit scheinen sie ein Unwohlsein, ein Gefühl des Unheimlichen auszulösen. Das vermutete der japanische Roboterforscher Masahiro Mori in einem Aufsatz aus dem Jahr 1970. Und bereits 1906 hat Ernst Jentsch in Rahmen einer „Psychologie des Unheimlichen“ auf ein solches Phänomen aufmerksam gemacht. Es gibt zahlreiche Hinweise, dass solche Gefühle zutiefst menschlich verwurzelt sind. Selbst im Bereich der Primaten zeigen sich Reaktionen auf Andersartigkeiten zwischen einer Stilisierung und einem realen Gegenüber. Wenn es also „auffällt“, dass das Gegenüber ein Roboter ist, der Menschliches vorgibt, ohne ein Mensch zu sein, dann wollen wir mit ihm eher nichts zu tun haben, ganz zu schweigen davon, dass wir ihn gar in unserem Haushalt dulden würden.

Roboter im Arbeitsleben müssen natürlich nicht aussehen wie ein Mensch. Vielmehr folgt deren Aussehen ihrer Funktion. Dennoch nehmen die Menschen Bezug auf diese neue Art eines Gegenübers. Ein Roboter ist nämlich nicht nur ein Werkzeug, sondern auch ein Medium (das zwischen ihm und den Menschen und deren Umwelt vermittelt) und ein sozialer Aktor (auf den sich die Menschen einlassen). Dazu kommt die ausgeprägte Beziehungsorientierung des Menschen – auch zu einem Gegenüber, der zum Beispiel nicht anwesend ist. Wir reden etwa mit Fernsehfiguren, als ob sie uns real gegenübersehen würden (man spricht von einer parasozialen Interaktion). Wir gehen auch Beziehungen zu Tieren, ja Objekten ein, geben ihnen Namen und finden sogar einen sexuellen Bezug (Objektophilie). Das gilt ähnlich auch bei einem Computer, mit dem wir stellenweise so umgehen, als ob es sich um einen Menschen handeln würde. Robotern gegenüber nehmen Menschen Anteil. Bei einem Versuch mit einem Serviceroboter, der die Kollegen in einer Abteilung mit Erfrischungen versorgen sollte, hatten Kollegen Mitleid mit dem Roboter, der von anderen Kollegen aus deren Sicht veralbert und bloßgestellt wurde. Empathie zeigte sich auch, als ein von Boston Dynamics vorgestellter Roboter (der nun gerade nicht menschlich aussah) umgestoßen wurde. Und als ein Minensuchroboter namens Scooby-Doo bei seinem Einsatz in die Luft gesprengt wurde, kam nachgerade Trauer und der Wunsch auf, den Roboter, der als ein Teil der Truppe empfunden wurde, nicht auszutauschen, sondern zu „operieren“ und damit wieder „gesund“ zu machen. Und schnell lässt sich unsere Beziehungsorientierung durch eine persuasive Gestaltung von Technik exploitieren. Wir tun uns also schwer, einer Vermenschlichungsfalle zu entgehen und die Maschine als schiere Maschine zu sehen. Manche begründen dies damit, dass gewissermaßen ein „altes Hirn“ auf eine hochtechnologisierte Welt trifft und dieser gewissermaßen hinterherhinkt. Man mag sich indessen nicht so recht vorzustellen, was dann ein „neues Hirn“ zu leisten vermag. Die Maschine als Maschine – und damit auch den Menschen als Maschine – sehen? Wenn wir schon dahin tendieren, Dinge – und auch Roboter – zu vermenschlichen, dann braucht es vielmehr eine kritische Anthropomorphisierung. Denn wenn wir uns auf Maschinen in situ einlassen, dann bedeutet dies nicht, dass uns dies nicht bewusst ist. Wir sind durchaus in der Lage, unsere Beziehung zu einer Maschine aus einer Distanz heraus zu betrachten. Dann wird aber auch schnell klar: Ein Roboter braucht keine Solidarität. Er dient schlichtweg zur Arbeitsunterstützung. Erst recht ist er kein Ersatz des Menschen!