Wichtige strategische Entscheidungen kündigen Unternehmen in der Regel in der Presse an. Dazu zählen auch Umstrukturierungen, die oft mit Stellenabbau oder -aufbau einhergehen. Wie die Medien so etwas aufgreifen und ob sie dabei zwischen Familienunternehmen oder Nicht-Familienunternehmen unterscheiden, das hat Miriam Zschoche, Professorin für Strategisches und Internationales Management an der Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Erfurt, zusammen mit Sebastian P. L. Fourné und Rico Kremer untersucht. Die Ergebnisse haben sie unter dem Titel „Media reactions to family firms’ downsizing and upsizing decisions” im Journal of Business Research veröffentlicht. “WortMelder” hat darüber mit Miriam Zschoche gesprochen…
Frau Prof. Zschoche, was genau haben Sie sich für Ihre Untersuchung angesehen?
Wir haben die Medienreaktionen auf Ankündigungen aller wichtigen Umstrukturierungsentscheidungen von Familienunternehmen und Nicht-Familienunternehmen mit Sitz in Deutschland im Zeitraum von 2006 bis 2019 empirisch analysiert – genauer gesagt: 464 Ankündigungen von Stellenabbau mit den dazugehörigen 15.913 Medienberichten sowie 324 Ankündigungen von Einstellungen mit 2128 Medienberichten. Diese stammen aus den 20 auflagenstärksten Printmedien in Deutschland. Unsere Hypothese war, dass Familienunternehmen bei der Ankündigung einer Verkleinerung im Durchschnitt positiver bewertet werden, während ihre Vergrößerungsentscheidungen (im Vergleich zu Nicht-Familienunternehmen) weniger positiv in den Medien dargestellt werden.
Wovon hängt denn Ihrer Beobachtung nach ab, wie die Medien solche Umstrukturierungen beurteilen?
Grundsätzlich hängt das Medienecho von ganz unterschiedlichen Faktoren ab – etwa von der finanziellen Situation des jeweiligen Unternehmens oder auch von allgemeinen Entwicklungen in der jeweiligen Branche. Ein Einflussfaktor könnte allerdings auch sein, ob sich ein Unternehmen in Familienhand befindet oder nicht.
Und hat sich Ihre Annahme bestätigt?
Ja, wir haben festgestellt, dass Medien die Entscheidung von Familienunternehmen, ihre Mitarbeiterzahl zu reduzieren, deutlich „milder“ beurteilen, sprich: eine Verkleinerung im Durchschnitt positiver bewertet wird als es bei Nicht-Familienunternehmen der Fall ist.
Und wie erklären Sie sich das?
Kurz gesagt: mit den Werten von Stabilität und Langfristigkeit, die häufig mit Unternehmen, die in Familienbesitz sind und zum Teil sogar von Mitgliedern der Eigentümerfamilie geführt sind, verbunden werden. Das zeigt sich in den Beziehungen zu Geschäftspartnern und Kunden, aber auch in der regionalen Verankerung, die viele Familienunternehmen haben. Sie gelten auch als besonders verantwortungsvoll gegenüber ihren Mitarbeitern. Diese Werte sorgen offenbar dafür, dass die Unternehmen Entlassungen und andere Maßnahmen der Stellenreduktion vermeiden beziehungsweise möglichst langte hinauszögern. Stellenabbau wird bei Familienunternehmen als letztes Mittel gesehen, zu dem man nur greift, wenn alle anderen Möglichkeiten der strategischen Neuausrichtung ausgeschöpft sind. Die Medien scheinen da also einen gewissen „Goodwill“ zu haben, der zu mehr Verständnis für die Entscheidung führt.
Unsere Studie zeigt aber auch, dass es für ein Unternehmen, wenn es von Medienakteuren bewertet wird, nicht nur Vorteile hat, wenn es mit bestimmten (meist positiven) Merkmalen assoziiert wird, sondern dass dieselben Merkmale in anderen Situationen auch eine Belastung darstellen können.
Sie meinen, dass sich die Befunde bei einem Stellenaufbau umkehren?
Ja, das Wohlwollen der Medien greift anscheinend bei Vergrößerungsentscheidungen nicht. Hier zeigen unsere Daten, dass Medien deutlich positiver berichten, wenn Unternehmen ohne Bezug zur Eigentümerfamilie im großen Stil einstellen. Allerdings kann man diesen Befund ebenfalls mit den bereits erwähnten Werten erklären: Um Stabilität und Langfristigkeit in der Mitarbeiterbeziehung zu erreichen, wird von Familienunternehmen ein behutsames Aufbauen der Kapazitäten erwartet, also keine „hire and fire“ Mentalität. Wenn aber Familienunternehmen viele neue Stellen auf einmal schaffen, erweckt das offenbar den Eindruck, dass nicht alle neuen Mitarbeiter nachhaltig in das Unternehmen eingegliedert und gehalten werden sollen. Die Medien reagieren hier auf die eigentlich positive Nachricht der Einstellung deutlich reservierter als bei Nicht-Familienunternehmen.
Weitere Befunde und Details lesen Sie im ausführlichen Artikel von Sebastian P. L. Fourné, Rico Kremer und Miriam Zschoche im Journal of Business Research.