Covid-19 - Stresstest für die digitalen Strategien von Regierungen und Unternehmen

Corona und die Folgen , Gastbeiträge
Skulptur mit Maske

Von Almudena Nunez (Studentin im Master of Public Polcy an der Willy Brandt School)

Covid-19 stellt die ganze Welt auf unterschiedliche Weise auf die Probe: auf persönlicher Ebene unsere Fähigkeit, geduldig und belastbar zu sein; auf kommunaler Ebene unsere Fähigkeit, fürsorglicher und weniger egoistisch zu sein; auf globaler Ebene uns alle. Unsere Alltagsroutinen haben sich in einer Weise verändert, die wir nie für möglich gehalten hätten. Selbst das alltägliche Händewaschen wird zum Hygieneritual. Wir müssen strategisch planen, wie, wo und wann wir Lebensmittel einkaufen gehen. Wir müssen einen Plan machen, um mit unseren Freunden und Familien abzuhängen, um Videoanrufe zu koordinieren. Unsere Wohnungen sind zu Schulen und Büros geworden.

Dies sind nur einige Beispiele für die Schwierigkeiten, mit denen die meisten von uns aufgrund der Sicherheitsvorkehrungen konfrontiert sind, die eingeführt wurden, um die Ausbreitung von Covid-19 unter Kontrolle zu bringen. Mit zunehmender Verlängerung der Quarantänezeit wird deutlich, dass Quarantänen mehr als nur Sicherheitsmaßnahmen sind: Sie werden zu einem sichtbaren Beweis dafür, wer bereit ist, einer solchen Pandemie entgegenzutreten, und wer nicht.

Sichtbar wird das Ganze unter anderem bei zwei wichtigen Akteuren: Regierungen und Unternehmen. Die Schutzmaßnahmen haben viele Menschen gezwungen, Bürobesprechungen durch Online-Meetings zu ersetzen, online einzukaufen, Vor-Ort-Seminare durch Web-Seminare zu ersetzen, die persönliche durch eine digitale Interaktion. Allerdings waren nicht alle Regierungen und Unternehmen in der Lage, diese Umstellungen zu vollziehen, so dass mancherorts betriebliche Prozesse auch zeitweise lahm gelegt waren. Wer dagegen in der Lage war, sich anzupassen, hatte in der Regel  einen entscheidenen Vorteil: digitale Infrastruktur. Diejenigen, die bereits eine digitale Strategie hatten und diese auch lebten,  konnten mit der neuen Situation besser fertig werden - den Kontakt zu Kunden halten, den Beschäftigten Unterstützung und entsprechende "Werkzeuge" anbieten und besser kommunizieren - ob nun durch Videokonferenzen oder das Versenden von E-Mails mit Informationen und Sicherheitsanweisungen oder die Nutzung weiterer digitaler Kanäle.

Was es braucht, um eine Krise wie eine solche Pandemie zu meistern, sind also drei Kernfaktoren: 1) Infrastruktur, 2) Bereitschaft zur Nutzung digitaler Plattformen und 3) Engagement mit Arbeitnehmern, Kunden und Bürgern. Für Regierungen als "erste Hüter" von Informationen im Zusammenhang mit Covid-19 ist es umso wichtiger, eine effiziente digitale Strategie zu haben und in der Lage zu sein, mit den Bürgern und allen Regierungsmitarbeitern zu kommunizieren. "Genaue, nützliche und aktuelle Informationen für die Menschen bereitzustellen, insbesondere in Krisenzeiten", ist hierbei von größter Bedeutung (UN, 2020). Die Nutzung digitaler Plattformen für die Kommunikation mit den Bürgern ermöglicht es den Regierungen, Informationen über den Ausbruch des Virus, über Reisebeschränkungen und Schutzmaßnahmen auszutauschen. Einige Regierungen haben sogar mit der Veröffentlichung von Statistiken begonnen, was ebenfalls einen wichtigen Schritt zur Stärkung der Forschung in diesem Bereich darstellt.

Während einige Regierungen in der Lage waren, Informationen auf ihren nationalen Websites, mobilen Apps oder Social-Media-Kanäle zur Verfügung zu stellen, haben andere überhaupt keine digitalen Plattformen zur Interaktion mit den Bürgern genutzt. Nach Angaben der UNO hatten bis zum 25. März 110 Länder im Rahmen einer Überprüfung ihrer Mitgliedsstaaten Informationen über Covid-19 auf ihren Websites ausgetauscht, während 83 Mitgliedstaaten dies nicht getan hatten. Immer mehr Regierungen erkannten jedoch, wie nützlich es sein kann, ihre Websites als Instrument der Kommunikation mit ihren Bürgern zu nutzen, und 57 weitere Länder (insgesamt 167) begannen, Informationen zu Corona auf ihren Websites zur Verfügung zu stellen.

Die digitale Strategie einer Regierung in Krisenzeiten erfordert große Anstrengungen und bedeutet nicht selten auch den Einbezug des privaten Sektors. Ein Land, das inmitten der Krise beschlossen hat, seine digitale Strategie anzupassen und die Hilfe seiner Bürger in Anspruch zu nehmen, ist Finnland. Sanna Marin, Finnlands Premierministerin, rekrutierte sogenannte "Influencer", um die Informationen leichter im ganzen Land zu verbreiten. Ihr Einsatz ermöglicht es den Regierungen, auch Menschen zu erreichen, die "traditionelle Kanäle" selten nutzen. Zudem kann die Regierung durch die Zusammenarbeit mit "Influencern" dazu beitragen, zuverlässige Informationen zu verbreiten und irreführende bzw. Fake News zu verhindern. Nicht unerheblich, denn der Austausch zuverlässiger Informationen, insbesondere in Krisenzeiten, hilft den Menschen die Situation besser zu verstehen und Schutzmaßnahmen zu ergreifen, sondern schafft zugleich Vertrauen in der Öffentlichkeit. Vor diesem Hintergrund hat die aktuelle Pandemiekrise den Bedarf an digitalen Behördendiensten und die Notwendigkeit, neue digitale Dienste zu schaffen, sicherlich verstärkt. So haben einige Länder beispielsweise einen Anstieg bei der Nutzung ihrer bestehenden Online-Dienste (z.B. digitale ID und digitale Signatur) verzeichnet, was hauptsächlich auf Erhöhung der Anwendungen für Sozialhilfeprogramme zurückzuführen ist (UN, 2020).

Der Zugang zu solchen Sozialleistungsprogrammen ist von wesentlicher Bedeutung und einer der Gründe, warum Regierungen ihre digitale Strategie in dieser Krise stärken müssen. Denn in Zeiten von Social Distancing muss auch die Beantragung von Sozialleistungen digital erfolgen. Was aber, wenn die Menschen keinen Computer, keinen Zugang zur Website haben oder die Online-Plattform nicht zuverlässigt arbeitet? Und wie sollen Beschäftigte im öffentlichen Dienst sie beraten? Klar ist: Staatliche Hilfe während und nach dieser Krise erfordert eine starke digitale Strategie, denn ohne sie erreicht die Hilfe möglicherweise die Bürger nicht. Selbst die ersten Schritte für Sozialhilfeprogramme wie eine Bewerbung können zu einem langen und mühsamen Prozess werden, wenn es keine effiziente digitale Strategie gibt

Genau wie Regierungen haben während der Corona-Pandemie auch Unternehmen mit verschiedenen Schwierigkeiten zu kämpfen, insbesondere diejenigen, die keine digitale Strategie haben. Auch Unternehmen, die sich bisher vor der Einführung von Informationstechnologie gescheut haben, wurden nun ins "Homeoffice" gezwungen. Zugleich verfügen viele von ihnen gar nicht über die nötige Infrastruktur, um ihren Mitarbeitern diese Möglichkeit zu bieten. Laut McKinsey & Company glaubten 92% der Unternehmen bereits vor der globalen Pandemiekrise, dass sie ihre Geschäftsmodelle anpassen müssten, um eine stärkere Digitalisierung zu erreichen. Eine der größten Herausforderungen dabei: Die Ausbildung von Arbeitnehmern über Online-Plattformen. Aber gerade dies ist eine entscheidende Fähigkeit, die es zu entwickeln gilt.

Neben der Anpassung der Arbeitskräfte an die Covid-19-Herausforderung stehen die Unternehmen vor einem weiteren entscheidenden Hindernis: neues Kundenverhalten. Die Quarantäneregelungen und Schutzmaßnahmen haben die Verbraucher gezwungen, ihr Einkaufsverhalten zu ändern damit und hauptsächlich online einzukaufen. Laut Sabrina Helm, Forschungsprofessorin an der University of Arizona, ist das Wachstum im Online-Shopping vor allem bei Lebensmitteln beträchtlich - und zwar über alle Altersgruppen hinweg. Der Lebensmittelhandel musste reagieren und viele damit zunächst auch experimentieren. Nichtsdestotrotz gibt es einige Unternehmen, die mit der neuen Situation gut zurechtkommen, insbesondere diejenigen, die bereits eine digitale Strategie hatten. So ist es auch keine Überraschung, dass Unternehmen wie der Online-Händler Amazon aufgrund der gegebenen Umstände in Pandemiezeiten größere Gewinne erzielen.

Die meisten Menschen kennan Amazon als ein E-Commerce-Unternehmen sehen, aber der OOnline-Händler bietet auch Amazon auch Cloud-Dienste an. Auch wenn Prime Video oder Kindle populärer sein mögen, ist Amazon Web Services (AWS), die Cloud-Computing-Tochtergesellschaft des Unternehmens, der Grundstein für den Erfolg von Amazon. AWS liefert Cloud-Computing-Plattformen nicht nur für Amazon selbst, sondern auch für mehrere andere Unternehmen rund um den Globus. Adobe, BMW, General Electric, HTC, McDonald's, Netflix, Pfizer, Samsung, SAP, Siemens u.a. sind als AWS-Kunden registriert. Es scheint, als habe Amazon vorhergesehen, dass ein solch kritisches Ereignis in der Weltgeschichte die Menschheit dazu zwingen würde, sich so stark auf digitale Plattformen zu verlassen. Bereits ab 2017 stellte sich AWS als "das Geheimnis des zukünftigen Erfolgs des Online-Händlers" dar. Und es sollte sich bewahrheiten: Amazon Web Services ist ein enorm starker Teil von Amazons digitaler Strategie geworden. Und ein Beleg dafür dass Unternehmen  in Zeiten wie diesen in jedem Fall über eine digitale Strategie nachdenken sollten. Ein Blick auf die Regierungen und Unternehmen, die in der Covid-19-Ära gedeihen und erfolgreich sind, wird in den kommenden Monaten von entscheidender Bedeutung sein. Keine Leistungsanalyse wird mehr vollständig sein, wenn sie nicht einen Abschnitt enthält, der der Digitalisierung gewidmet ist. Und dafür wird es auch wichtig sein, das Regierungen und Unternehmen zusammenarbeiten, um schwierige Situationen zu meistern.

Google hat bereits angekündigt, kleine und mittlere Unternehmen dabei unterstützen zu wollen, ihre Kunden durch digitalen Dienste besser zu erreichen. Die Hilfe kommt in Form von 320 Millionen US-Dollar, die für Kredite für die Google-Anzeigendienste verwendet werden sollen. Hilfsprogramme wie dieses könnten kleinen und mittleren Unternehmen erheblich dabei helfen, in diesen Zeiten besser mit ihren Kunden zu interagieren und ihre digitale Strategie auszubauen. Wenn dieses Programm nun gemeinsam mit Regierungen durchgeführt würde, könnte es eine noch größere Reichweite und Vorteile sowohl für die Regierungen als auch für die Unternehmen haben.

Zusammengefasst: Während Covid-19 zum Stresstest für die digitale Strategie von Regierungen und Unternehmen wird, kann die Pandemie zugleich auch zu ihrem größten Katalysator für Innovationen werden. Mit einer robusten digitalen Strategie durch diese Krise zu segeln, wird nicht nur ihre Rettungsweste sein, sondern auch der Grund dafür, dass sie in Zukunft die beste Version ihrer selbst werden.

Die Ansichten, die in diesem Meinungsbeitrag vertreten werden, entsprechen nicht notwendigerweise denen der Universität Erfurt.

(übersetzt mit https://www.deepl.com/translator)

Der Beitrag erschien zuerst in englischer Sprache im Blog der Willy Brandt School of Public Policy der Universität Erfurt.