Herzog Ernst I. – der Pazifist, der Erneuerer, der Fromme

Außenansicht der Forschungsbibliothek Gotha der Universität Erfurt

Übergroß ragt die dunkle Bronzestatur vor Schloss Friedenstein über die Gothaer Altstadt. Seit 1904 huldigen die Gothaer damit ihrem einstigen Herrscher über das Herzogtum Sachsen – Gotha – Altenburg. Über seiner Rüstung trägt der ernestinische Wettiner einen Umhang, der den Militärhelm zu seinem Fuße mit Stoff bedeckt; in den Händen hält er eine Bibel – ein plastisches Abbild, das in der Vereinigung dieser zwei Symbole vieles über den Werdegang und die Persönlichkeit Ernsts I. erzählt.

Der spätere Herzog wurde am 25. Dezember 1601 als neunter Sohn von Herzog Johann III. von Sachsen – Weimar und Dorothea Maria von Anhalt in Altenburg geboren. Am Weimarer Hofe streng und auf ein hohes Amt vorbereitend erzogen, entwickelte er sich zu einem gebildeten, sehr gläubigen jungen Mann, der sich selbst schon früh dem täglichen Bibellesen verpflichtete. Als 1618 der Dreißigjährige Krieg  ausbrach, zog Ernst wie auch seine Brüder an die Front, um als Reitoberst an der Seite der Schwedischen Armee zu kämpfen. In seinem Herzen war der überzeugte Lutheraner jedoch immer ein Pazifist, der sich um Frieden bemühte und später auch maßgeblich an den Friedensverhandlungen mit Österreich sowie an den Vorbereitungen zum Westfälischen Frieden beteiligt war. Nicht umsonst erhielt das von ihm zwischen 1643 und 1654 in Gotha auf den Ruinen der Burg Grimmenstein erbaute Schloss den Namen Friedenstein. Dieses wurde nach der Erbteilung 1640 seine Herrschaftsresidenz, nachdem sich Ernst und seine Brüder Albrecht und Wilhelm das Land neu aufteilten und er den Teil Sachsen – Gotha erhielt – und so mitten im Dreißigjährigen Krieg das neue Oberhaupt eines von Not und Pest gebeutelten Landes wurde. Mit seinem Regierungsantritt und seinem Einzug ins Schloss Friedenstein 1646 brach für die Regionen seines Herzogtums jedoch eine große Zeit des Wiederaufbaus und der Reformationen an, mit denen der Herzog sein Land erneuern und sein Volk bilden und christlich erziehen wollte. In seinem 1654 verfassten Testament machte er den Anspruch, den er an sich selbst und die Regierung seines Herzogtums hatte, deutlich: "Und bestehet des Fürstenamt nicht in groser Pomp und äußerlichen Anstalt, sondern vielmehr in ordentlicher Führung des Regiments und fleißiger guter Aufsicht, daß es im Land allenthalben, sowohl in geist- als weltlichen Sachen, richtig daher gehe, Gottes Ehre befördert, jedermann gleich und unpartheyisch Recht ertheilet, Schutz geleistet, das Gute belohnet, das Böse bestrafet, und was sonsten versprochen, fürstlich gehalten werde." Herzog Ernst sah sein Amt als Berufung und sich selbst in der Zuständigkeit für all seine Untertanen. Er ließ gleich bei Regierungsantritt das Schul- und Kirchenwesen überprüfen und richtete zur Landesverwaltung die drei Oberbehörden Regierung, Konsistorium und Kammer ein. Außerdem holte er sich kluge Köpfe und gut ausgebildete Beamte nach Gotha, wie den Kanzler Georg Franztke, seinen Leibarzt und Reformator des Apothekenwesens Daniel Ludwig oder den Prinzenerzieher Hiob Ludolf, der wohl 25 Sprachen beherrschte und als Begründer der äthiopischen Grammatik gilt – allen voran aber den Pädagogen Andreas Reyher, der das Schulwesen reformieren sollte und im Zuge dessen Schulbücher verfasste und druckte, erste einheitliche Lehrpläne aufstellte und mit seinem Schulmethodus erste allgemeine Richtlinien für den Unterricht erstellte. Auch die Schulpflicht ließ Ernst für alle Kinder zwischen fünf und zwölf Jahren im Herzogtum einführen und kontrollieren. Er ließ Druckereien sowie eine Münzstätte bauen und legte mit seinen Sammlungen von Schriften und Kunstgegenständen den Grundstein für die noch heute in Gotha bewahrten Bestände des Barocken Universums und der Forschungsbibliothek Gotha der Universität Erfurt.

Anfang der 1670er-Jahre konnte Herzog Ernst I. sein Herrschaftsterritorium maßgeblich erweitern: Von dem kinderlos verstorbenen Altenburger Herzog Friedrich Wilhelm II. erbte er dreiviertel des Landes, da er selbst mit diesem Herzogtum verwandt war und auch seine Frau Elisabeth Sophia, die er 1636 in Altenburg heiratete, vom Hofe Sachsen – Altenburg stammte. Das Herzogtum Sachsen – Gotha – Altenburg war nun das größte Thüringens, seinem Herrscher Ernst I. fielen die Regierungsgeschäfte  jedoch zunehmend schwerer. Kurz nach seinem ersten Schlaganfall übergibt er sein Zepter dann auch seinem Erstgeborenen Friedrich. Nach einem weiteren stirbt der Herzog am 26. März 1675. Zu Lebzeiten von manchen noch spöttisch Bet-Ernst genannt, erhielt der Herzog nun den respektvollen Namen Ernst, der Fromme – ein Beiname, der nicht nur seinen tiefen Glauben ausdrücken sollte, sondern im 17. Jahrhundert auch mutig und rechtschaffend bedeutete.
Mit seiner Klugheit, Voraussicht und seinem enormen Wissensdrang schaffte Herzog Ernst, der Fromme viel Neues und brachte innovative Strukturen in sein Land, die nicht nur Vorbild für viele andere Herzogtümer waren. Sie ermöglichten es auch, dass sich sein Volk nach einer langen schweren Zeit voller Entbehrungen und Tod wieder erholte und sich die Lebens- und Bildungsbedingungen im Land stetig verbesserten. An der Legende, dass sich über seinem einen Monat lang öffentlich aufgebahrten Leichnam täglich die Tränen tausender Trauender ergossen, wird deshalb wohl tatsächlich etwas Wahres sein.