Nachgefragt: Ist das aktuelle Konjunkturpaket der Bundesregierung wirklich geeignet, um die Wirtschaft nach den Corona-Einbrüchen wieder anzukurbeln?

Corona und die Folgen , Gastbeiträge
Blick in den Bundestag

Vor dem Hintergrund der Auswirkungen der Corona-Krise in Deutschland hat die Bundesregierung in dieser Woche ein großes Konjunkturpaket geschnürt. 130 Milliarden Euro will sie ausgeben, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Wird ihr das gelingen? „WortMelder“ hat bei Gerhard Wegner, Professor für Institutionenökonomie und Wirtschaftswissenschaften an der Universität Erfurt, nachgefragt...

"Das kann zur Zeit niemand seriös beantworten, dazu ist die Krise in ihrem Charakter zu einzigartig. Zudem ist die deutsche Volkswirtschaft zu sehr mit anderen europäischen und außereuropäischen Handelspartnern verflochten, die von der Krise zumeist tiefer betroffen sind. Die Überwindung des Wirtschaftseinbruchs in Deutschland bleibt aber eng von der Überwindung der weltweiten Rezession abhängig. Ein nationales Konjunkturprogramm ist unter solchen Umständen in seiner Wirkung immer begrenzt und schon die meisten europäischen Handelspartner verfügen nicht über die Haushaltsmittel, ein ähnlich hoch dimensioniertes Konjunkturprogramm zu finanzieren. Es ist ihnen auch schon vor der Coronakrise nicht gelungen, ihre wirtschaftlichen Strukturschwächen und die daraus resultierende prekäre Haushaltslage zu überwinden, weshalb sich die Bundesregierung zu einem europäischen Hilfsprogramm entschlossen hat; dieses muss naturgemäß die Strukturschwächen der Partnerländer als gegeben hinnehmen.

Immerhin setzt das Konjunkturprogramm ein Zeichen des entschlossenen Handelns. Die jüngste Entwicklung auf den Aktienmärkten spiegelt das Vertrauen in die erfolgreiche Krisenüberwindung wider. Gleichzeitig reizt das Programm aber die fiskalischen Möglichkeiten des Bundes aus; für ein weiteres Konjunkturprogramm dürften die Handlungsspielräume wesentlich enger ausfallen. Die Achillesferse des Programms besteht darin, dass es allein darauf setzt, den Wachstumspfad vor der Krise wieder aufnehmen zu können. Damit würde sich das Programm zu einem Großteil selbst finanzieren, wenn sich auch der künftige Schuldenabbau lange hinziehen könnte. Der Erfolg dieser Strategie hängt wesentlich davon ab, dass die Wirtschaftsaktivitäten in ihrer ganzen sektoralen Breite – unter Einschluss des hoch differenzierten Dienstleistungsgewerbes bis hin zum ökonomisch keineswegs unbedeutenden Kulturleben – wieder auf das Vorkrisenniveau hochgefahren werden können. Dies aber kann angesichts der Ungewissheit des weiteren Verlaufs der Pandemie niemand vorhersagen. Das Konjunkturprogramm geht eine riskante Wette ein, sonst wäre es sehr viel bescheidener ausgefallen. Das Verhalten der politischen Akteure gleicht einem Roulettespieler, der einen großen Teil seines Vermögens auf eine Farbe gesetzt hat. Hoffen wir – für uns alle –, dass er gewinnt."

Prof. Dr. Gerhard Wegner
Prof. Dr. Gerhard Wegner