Nachgefragt: "Voigt vs. Höcke – Wer hat gewonnen, Professor Brodocz?"

Gastbeiträge
Teaserbild Professor André Brodocz

Es hat bereits im Vorfeld für viel Wirbel gesorgt – das TV-Duell zwischen Mario Voigt und Björn Höcke. Gestern Abend standen sich die beiden Thüringer Landeschefs von CDU und AfD bei "Welt TV" gegenüber. Sie lieferten sich einen Schlagabtausch u.a. zu den Themen Migration, Fachkräftemangel und Europa. "WortMelder" hat bei André Brodocz, Professor für Politische Theorie an der Universität Erfurt, nachgefragt...

Voigt vs. Höcke – Wer hat gewonnen?
Verloren haben jedenfalls die Wählerinnen und Wähler in Thüringen. Für sie gab es keine neuen Informationen über das, was beide Parteien wollen. Besonders kritisch ist anzumerken, dass politische Themen, die auf Landesebene entschieden und gestaltet werden können, keine Rolle gespielt haben: nichts zur Bildungspolitik, zur Energiewende, zur Wirtschaftspolitik in einem industrieschwachen Bundesland, zur Verkehrspolitik im ländlichen Raum.

Und wer hat gewonnen im Kampf um Wählerstimmen?
Für den Moment erwarte ich allenfalls, dass dieses Duell für die Wählerinnen und Wähler entscheidend war, die sich derzeit noch nicht zwischen CDU und AfD entscheiden konnten. Andere Wählerschichten wurden eher nicht erreicht. Dafür fehlten auch einfach die Themen, die die abwesenden Parteien anbieten, wie z.B. soziale Gerechtigkeit oder Umweltschutz. Dazu gab es nichts.

Langfristig kann es für beide ein Erfolg gewesen sein, weil es die Wahl im September auf die Entscheidung Höcke oder Voigt zugespitzt hat. Das hilft beiden. Und es ist auch nötig, weil Bodo Ramelow nach einer aktuellen Umfrage bei einer Direktwahl als Ministerpräsident deutlich besser abschneiden würde als Höcke oder Voigt. Genau dagegen werden aber auch die anderen Parteien ihre Strategie aufbauen. Insofern wird man erst am Ende des Wahlkampfs sehen, ob dieses Duell tatsächlich in dieser Hinsicht erfolgreich war.

Konnte Voigt Höcke, wie er es angekündigt hatte, inhaltlich stellen?
Das war die Absicht. Damit verbunden war die Annahme, dass es für die Bürgerinnen und Bürger beim Duell nur darum geht, was inhaltlich tatsächlich „wahr“ ist und wer dafür die besseren Argumente hat. Der Faktencheck des TV-Senders sollte dafür dienen – er wird aber erst einen Tag später online sein. Zudem hatte Höcke bereits auf seinen eigenen Faktencheck auf X hingewiesen. Und Voigt hat seinen Faktencheck laufend im Gespräch platzieren wollen. Jeder wusste es besser als der andere, jeder wusste, was der andere wirklich wolle. Dass sich auch noch der Moderator und die Moderatorin zwischendurch ins Wort gefallen sind, hat es nicht besser gemacht. Unter diesen Bedingungen ist eine „vernünftige“ Diskussion, in der nur die besseren Argumente zählen, kaum möglich. Das ist aber kein Spezifikum dieses Duells. Politische Auseinandersetzungen werden nur selten nach den Standards des wissenschaftlichen Diskurses geführt.

Viele Bürgerinnen und Bürger sind ohnehin vielmehr, vielleicht auch genau deshalb, mehr an den Personen als an den Inhalten interessiert, also daran, ob die Kandidaten wahrhaftig sind, ob sie sagen, was sie „wirklich“ denken. Ob die Inhalte wahr sind, ist dann zweitrangig. Gerade das Festhalten an der eigenen Meinung trotz widersprechender Fakten kann dann als „Beweis“ für einen Kandidaten herhalten, der sich nicht beirren lässt, der auch in schwierigen Situationen „standhaft“ bei seiner Meinung bleibt. Das hat Höcke sehr deutlich versucht, als er sich von nichts aus seinem Buch distanzieren wollte und gleichzeitig zugestand, sich an Details aus seinem Buch nicht mehr erinnern zu können.

Wer das Duell nicht geschaut hat …
…. der hat, insgesamt betrachtet, eher nichts verpasst.