Nachgefragt: „Zerfleischt sich die AfD selbst, Herr Professor Anter?“

Gastbeiträge
Andreas Anter

Die Alternative für Deutschland (AfD) dreht sich derzeit viel um sich selbst – die inhaltliche Arbeit scheint innerparteiliche Streitigkeiten zu weichen. „WortMelder“ hat bei Andreas Anter, Professor für Politische Bildung an der Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Erfurt, nachgefragt: „Zerfleischt sich die Partei gerade selbst oder sind das „normale Pubertätsprobleme“ einer noch sehr jungen Partei, Herr Prof. Anter?“

„Ob sich die AFD zerlegen wird, ist derzeit noch nicht absehbar. In der Bundespartei und insbesondere im Landesverband Baden-Württemberg spielen sich im Moment heftige Szenen ab, bis hin zur Spaltung der Stuttgarter Landtagsfraktion, ein in der bundesdeutschen Parlamentsgeschichte bislang einmaliger Vorgang. Die Ursache der Konflikte sind – weit über den Streitfall des Stuttgarter AfD-Abgeordneten Wolfgang Gedeon hinaus – politische Richtungskämpfe: über den künftigen Kurs der Partei, aber auch persönliche Machtkämpfe um den Führungsanspruch im Bundesvorstand und in der baden-württembergischen Landespartei. Die persönliche Ebene ist kaum von der inhaltlichen zu trennen. Insgesamt bietet sich das Bild einer Partei, deren programmatische Ausrichtung noch längst nicht abgeschlossen ist und die sich in heftigen Flügelkämpfen befindet.

Hier handelt es sich um ein typisches Phänomen bei einer jungen Protestpartei: Die AfD hatte nach unverhofften Wahlerfolgen in mehreren Bundesländern zahlreiche neue Positionen in den Fraktionen zu besetzen; sie verfügt aber noch nicht über eine gefestigte Parteistruktur – und nicht über eine ausreichende Zahl von Kandidaten und Kandidatinnen, die Parlamentserfahrung oder zumindest Erfahrung im mühevollen Kleinklein der Parteiarbeit mitbringen würden. Beides sind wichtige Voraussetzungen für einen stabilen Kurs und den dauerhaften Erfolg einer politischen Partei. Offene Situationen, wie sie derzeit die AfD kennzeichnen, werden erst dann beendet, wenn sich eine der konträren Richtungen im innerparteilichen Machtkampf durchsetzt.

Ähnlich war die Lage der Grünen in den ersten Jahren nach ihrer Parteigründung, in den frühen 1980er-Jahren. In der jungen Ökopartei prallten konträre, ja feindliche Strömungen aufeinander, die sich auf Parteitagen und in Landesverbänden heftige Kämpfe lieferten: rechtskonservative Ökofundamentalisten, linksradikale K-Gruppen-Aktivisten, Pazifisten, Realos. Die permanenten Konflikte, bis hin zu dramatischen Parteiausschlussverfahren, endeten erst, als sich der realpolitische Flügel schließlich durchsetzte. Aus heutiger Sicht könnte man diese Zeit als die „Pubertät“ der Grünen bezeichnen.

Kann man auch die aktuelle Lage der AfD als Pubertätszeit bezeichnen? Die hohen Wogen des innerparteilichen Streits könnten darauf schließen lassen. Die Konflikte sind derart verhakt, dass sie, wie kürzlich zwischen Jörg Meuthen und Frauke Petry im Stuttgarter Landtagsgebäude, sogar vor laufenden Kameras ausgetragen werden. Von einer ‚Pubertät‘ aber wird man bei einer politischen Partei eigentlich immer nur im Rückblick sprechen können: wenn sie später nämlich auch das Erwachsenenalter erreicht. Ob dies der AfD gelingen wird, ist noch ungewiss.“