Nachgefragt: "Was sind die wichtigsten Ergebnisse der COP 27, Prof. Goldthau?"

Gastbeiträge , Klimawandel und Energiewende
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Am Wochenende ist die Klimakonferenz "COP 27" im ägyptischen Sharm El Scheikh zu Ende gegangen. Auf der „Conference of the Parties“ (Konferenz der Vertragsparteien) des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (United Nations Framework Convention on Climate Change, UNFCCC) beraten jedes Jahr 200 Staaten über nationale und internationale Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Begrenzung der Erderwärmung. Die 27. Konferenz, die vom 6. bis 20. November stattfand, schloss mit einem bahnbrechenden Ergebnis ab – und war zugleich enttäuschend, sagt Prof. Dr. Andreas Goldthau, Energieexperte an der Willy Brandt School of Public Policy der Universität Erfurt. "WortMelder" hat bei ihm genauer nachgefragt: Was sind die wichtigsten Ergebnisse der COP 27, Prof. Goldthau?

Die COP 27 stand unter keinem guten Stern. Zu stark war der Eindruck des Ukrainekriegs und der damit verbundenen, sich auf den gesamten Globus auswirkenden Energiekrise. Verglichen mit den (zugegebenermaßen geringen) Ausgangserwartungen gelang der ägyptischen Konferenzleitung in der Tat eine erstaunliche Leistung: Das Treffen der Vertreter*innen von 200 Staaten in Sharm El Scheikh wurde zum Gründungsort eines Fonds zur Abfederung von Verlusten und Schäden (Loss and Damage) des Klimawandels. Mit dem neuen Fonds sollen ab 2024 die Risiken der Erderwärmung, und ihre Folgen wie Fluten, Dürren oder andere Extremereignisse zumindest teilweise kompensiert werden.

... das große, in der Tat historische, Ergebnis"

Entwicklungsländer, und hier vor allem sogenannte „verletzliche Staaten“, erfahren damit zum ersten Mal Solidarität von Industrieländern, was die Klimafolgekosten angeht. Denn entwickelte Staaten verdanken ihren Reichtum der Tatsache, dass sie das globale CO2-Budget für lange Zeit nahezu exklusiv nutzten. Sie sind damit Hauptverantwortliche für den Klimawandel, die sich entwickelnden Staaten sind jedoch überproportional von dessen Folgen betroffen. Lange forderten Letztere dafür Entschädigungen, die von den Industrieländern aus Furcht vor Schadensersatzklagen abgelehnt wurden. Dass mit dem Fonds nun genau dies geschehen soll, ist das große, in der Tat historische, Ergebnis der COP 27.

Zudem auf der Habenseite: Internationale Entwicklungsinstitute wie die Weltbank sollen ihre Finanzierungspolitiken in Richtung Nachhaltigkeit ausrichten. Das ist tatsächlich ein wichtiger Schritt. Denn der Ausbau sauberer Energietechnologien scheitert oftmals an zu risikoreichen Investitionsbedingungen. Hier können staatlich getragene Finanzinstitute für das notwendige „De-risking“ sorgen und so private Akteure ins Spiel bringen.

Zentrale Fragen blieben auf der COP jedoch offen. So ist unklar, wer in den Loss and Damage Fonds einzahlen wird. Die EU, Japan und die USA sind gesetzt. China sieht sich, trotz seines Status' als weltweit größter Emittent von Treibhausgasen und einem Inlandsprodukt von der Größe der EU, weiterhin nicht in der Pflicht und beruft sich auf seinen Status als Entwicklungsland. Auch wer profitiert, bleibt offen. Denn der Status als Entwicklungsland allein ist wenig aussagekräftig im Hinblick auf die Frage, wie exponiert ein Staat gegenüber Klimarisiken ist. Der Weltklimagipfel 2023 in Dubai soll hierüber Klarheit bringen.

Klimapolitisch wichtige Ziele wurden nicht weiter verfolgt und gerieten stattdessen unter Druck. Statt die Nationalen Klimapläne (NDCs) zu überarbeiten, müssen sie nun bis kommendes Jahr nachgeschärft werden. Das Pariser Ziel einer Begrenzung der Erderwärmung von 1,5 Grad-Ziel, das auf dem G20-Gipfel in Bali noch bekräftigt worden war, konnte in Sharm El Sheikh gerade noch so gehalten werden. Das "Herunterfahren" der Kohle, ein Ergebnis der COP 26 in Glasgow, bleibt als Ziel erhalten, die ebenfalls fossilen Energieträger Gas und Öl jedoch sind kein Thema in der Abschlusserklärung. Die Öl- und Gasexportierenden Staaten verdeutlichten ihr geringes Interesse an mehr Klimaschutz und bremsten die Verhandlungen aus.

...eine verlorene Konferenz"

Die COP 27 zeigte damit auch, wie zentral zum UN-Klimaforum komplementäre Initiativen sind. Dies beinhaltet nationale Anstrengungen, wie beispielsweise der Inflation Reduction Act der USA, der die Dekarbonisierung des Landes klar befördern wird. Es beinhaltet die von der EU und der Afrikanischen Union angekündigte Initiative um die Klimaresilienz in Afrika zu erhöhen, die auch den Aspekt der Verluste und Schäden adressiert. Und es beinhaltet neue Ideen wie beispielsweise die vom ehemaligen indischen Finanzminister Jayant Sinha auf einem Seiten-Event vorgestellte Globale Klima-Allianz, die Klimaambition mit Finanz- und Technologietransfer verbindet.

Unterm Strich war die COP 27 ein Wendepunkt bei Loss and Damage. Was das Ziel angeht, die Erderwärmung zu stoppen, war sie eine verlorene Konferenz. Globale CO2-Emissionen müssen bis 2025 ihren Zenit erreicht haben um das Paris-Ziel zu halten. Für die COP 28 in Dubai ist damit die Erwartungshaltung: Sie muss das Ambitionsniveau klar nach oben schrauben. Denn die Zeit läuft uns schlicht davon.

Direktor
(Willy Brandt School of Public Policy)
C19 – Forschungsbau „Weltbeziehungen“ / C19.02.05
Sprechzeiten
nach Vereinbarung (kathrin.eisenhauer@uni-erfurt.de)
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