Bibel predigen in der DDR: Buchpräsentation & Podiumsdiskussion

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Nahaufnahme aufgeschlagene Bibel

„Es war ein ausgesprochen gelungener Abend“, so lautete das Resümee vieler, die sich am 2. November 2023 auf den Weg nach Erfurt, in die Katholisch-Theologische Fakultät gemacht hatten, um die Vorstellung eines neu erschienen Buches zu einem spezifischen Thema mit zu erleben: zu „Bibelrezeption, Zensurmechanismen und homiletischen Fragestellungen in der katholischen DDR-Diaspora“, so der Titel des Sammelbandes. Im Coelicum, dem großen Hörsaal der Fakultät, hatte sich ein buntes Publikum eingefunden: Lehrende und Studierende ebenso wie eine interessierte Öffentlichkeit, darunter eine ganze Reihe von Menschen, die mit der untersuchten Predigtreihe oder einzelnen Akteuren eine persönliche Geschichte verbinden.

Foto der Buchpräsentation

Marlen Bunzel und Martin Nitsche, die Herausgeber des Bandes, hatten den Abend in Kooperation mit dem Theologischen Forschungskolleg so konzipiert, dass jeder, der einen Beitrag zu dem Band beigesteuert hatten, diesen selbst knapp und pointiert vorstellte: Norbert Clemens Baumgart, Jörg Seiler, Cornelia Aßmann, Georg Hentschel, Franziska Rauh, Maria Widl und Christoph Gärtner. Die vorgetragenen Perspektiven aus Bibelwissenschaft, Kirchengeschichte, Pastoraltheologie und Literaturwissenschaft gaben dadurch auf unterhaltsame und abwechslungsreiche Weise einen Eindruck davon, wie komplex und vielschichtig die Untersuchung einer Predigtreihe sein kann, die einen bibelpastoralen Aufbruch nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil mit der spezifischen Situation einer Diasporakirche verband, die sich staatlicher Zensur und Kontrolle ausgesetzt sah und zugleich – auch das wurde an diesem Abend durch verschiedene Wortmeldungen deutlich – mit einer scharfen eigenen (kirchlichen) Zensur konfrontiert war.

Auf die Vorstellung des Bandes folgte eine Podiumsdiskussion mit prominenten Gästen: mit Landesbischöfin i.R. Ilse Junkermann, die sich nach ihrer Amtszeit der Erforschung der kirchlichen Praxis in der DDR zugewendet hat, dem Magdeburger Bischof Dr. Gerhard Feige, dem emeritierten Leipziger Theologen Prof. Dr. Wolfgang Ratzmann, dem Erfurter Alttestamentler Prof. Dr. Norbert Clemens Baumgart und Gemeindereferentin i.R. Erika Buhl.

Foto der Podoumsdiskussion

Gerade Erika Buhl trug nicht nur viel Erhellendes zur Vergangenheit bei – sie war eine der ersten und wenigen Frauen, die in Erfurt, im Coelicum, vor 50 Jahren Theologie studieren durfte und eine von vier Autor:innen von „Das Wort an die Gemeinde“ – sondern regte auch mit ihren Überlegungen zu heutiger Predigtkultur und dem Verhältnis von Pastoral und theologischer Wissenschaft zum Nachdenken an. Mit der Besetzung des Podiums wurde eine Brücke von den Fragen des Sammelbandes hin zu einer ökumenisch-interkonfessionellen Öffnung der Themen und gegenwartsbezogenen Fragen geschlagen, die schließlich in einer regen Diskussion mit dem Plenum mündeten. Bei einem anschließenden Empfang wurde der Austausch bis spät in den Abend hinein fortgeführt und es wurden bereits Pläne für anknüpfende Forschungsprojekte geschmiedet.

Die angeschnittene Themenpalette und die Diskussionen an diesem Abend in Erfurt haben nämlich gezeigt, dass viele Themen zu ostdeutscher Kirchen- und Theologiegeschichte in interkonfessioneller und interdisziplinärer Verantwortung bislang nur ansatzweise erforscht wurden und dass sich hier somit ein breites Feld bietet, welches insbesondere von Erfurt aus nur darauf wartet, erschlossen zu werden.

Mehr Informationen zum Buch "Bibelrezeption, Zensurmechanismen und homiletische Fragestellungen in der katholischen DDR-Diaspora" finden Sie auf der Seite des Verlags.

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Bilder: Johannes Wolff