„Christlicher Glaube fordert uns auf, uns in der Demokratie zu engagieren.“

Veranstaltungen
Kreuzgang von außen gesehen mit Personen, die sich unterhalten
Prof. Dr. Gesine Schwan und Prof. Dr. Dr. Holger Zaborowski
Prof. Dr. Gesine Schwan und Prof. Dr. Dr. Holger Zaborowski

von Sophie von Kalckreuth

Die diesjährigen Kreuzganggespräche sind der großen und komplexen Frage nach Gott gewidmet. An jedem der drei Abende wird diese Fragestellung unter einem anderen Aspekt beleuchtet. Den Anfang machte am 04. Mai die Politikwissenschaftlerin und Politikerin Gesine Schwan mit einem Vortrag über den „politischen Gott“. Inwieweit sind christlicher Glaube und politisches Engagement miteinander verbunden und welche Rolle spielen christliche Werte in der Politik? Diese beiden zentralen Leitfragen zogen sich durch Schwans Vortrag und wurden an den konkreten Beispielen des Kriegs in der Ukraine und des Einsatzes für die Demokratie näher erläutert.

Politisches Engagement lasse sich, so Schwan, direkt aus Gottes Auftrag zur Bewahrung der Schöpfung ableiten: „Gott bleibt als Partner und Unterstützer lebendig und nimmt uns in die Pflicht.“ Die Konzentration auf privates Glück genüge diesem Anspruch nicht. Als einen der bedeutendsten christlichen Werte, die sich innerhalb der Politik realisieren lassen, nannte Schwan die Nächsten- und Feindesliebe. Gerade zu einer Zeit, in der in politischen Debatten ein Unterton herrsche, der darauf abziele den politischen Gegner auszuschalten, sei es wichtig, ein „grundsätzliches Wohlwollen gegenüber den Anderen“ zu praktizieren und dessen Aussagen im Lichte dieses Wohlwollens zu interpretieren, auch wenn dies nicht immer leichtfalle.

„Beim Gebot der Liebe geht es nicht um Paragraphen oder Definitionen, sondern um eine Haltung“, sagte Schwan weiter.

Wie aber lässt sich diese Haltung zum Beispiel mit der Entscheidung für die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine vereinbaren? Während Pazifismus auf privater Ebene auf jeden Fall respektiert werden müsse, folgt für Schwan aus dem christlichen Gebot der Nächstenliebe nicht notwendig ein absoluter Pazifismus als politische Maßgabe, denn „Politik braucht moralische Gründe, aber aus moralischen Gründen folgt keine bestimmte Politik“. Dies ergebe sich schon durch die vielen Faktoren und Unsicherheiten, die bei politischen Entscheidungen eine Rolle spielen. Das Gebot der Liebe verpflichte politische Entscheidungsträger jedoch zu „umsichtiger Verantwortung und vernünftiger Abwägung“.

Zum Abschluss ihres Vortrags ging Schwan auf die Beteiligung von Bürger*innen an der Demokratie ein und betonte hierbei vor allem die Bedeutung des politischen Engagements auf der kommunalen und regionalen Ebene. Wir alle seien verantwortlich für die Politik um uns herum und auch für die Demokratie. „Mit dem großen Gebot der Liebe fordert uns der politische Gott in die Verantwortung für die Bewahrung der Schöpfung“, schloss die Politikwissenschaftlerin.

Die Kreuzganggespräche sind eine jährlich stattfindende Vortragsreihe, die vom Katholischen Forum im Land Thüringen und der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt organisiert wird.

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