Liebe Antonia, du bist seit September Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Dogmatik. Eine Unbekannte bist du an unserer Fakultät allerdings nicht, weil du bereits für dein Magisterstudium in Katholischer Theologie nach Erfurt gekommen bist. Aus welchen Gründen hast du dich damals für die Uni Erfurt entschieden?
Die ersten Überlegungen, für mein Theologiestudium nach Erfurt zu ziehen, habe ich mir bereits im Frühling während meines Abiturs gemacht. Ich bin damals anlässlich des Hochschulinfotages nach Erfurt gefahren, habe den Campus und die einladende Altstadt besichtigt und sogar an einer Vorlesung im Coelicum teilgenommen. Die eindrucksvollen Seminarräume, die Einbindung in den Dom und damit auch in das Erfurter Stadtgeschehen haben meine Begeisterung direkt geweckt.
Entscheidende Gründe für meine Wahl des Studienstandortes waren für mich neben logistischen Vorteilen auch der Umstand, dass Erfurt nicht nur eine Studierendenstadt ist, sondern als Landeshauptstadt Thüringens ein kulturelles Angebot und eine demographische Vielfalt mit sich bringt. In Erfurt interessierte mich besonders die Stadtgeschichte, einschließlich des zeitgenössischen und historischen jüdischen Erbes, dem ich mich dann während meines Studiums auch im einen oder anderen Studium Fundamentale widmen konnte. Aber natürlich auch die Geschichte des dortigen Theologiestudiums und die lange Tradition, auf die die Fakultät zurückblicken kann.
Die Entscheidung für die Uni Erfurt ist aber nicht zuletzt dadurch gefallen, dass ich in Berlin aufgewachsen bin und nach dem Abitur ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) in Jerusalem absolviert habe. Durch diese Zeit sind mir religiöse und kulturelle Pluralismen, christliche Diaspora und gelebte Säkularität zu sehr vertrauten Phänomenen geworden. An der katholisch-theologischen Fakultät der Universität Erfurt, der einzigen katholischen Fakultät in den neuen Bundesländern, die diese Themen zum Gegenstand ihrer Forschung und Lehre gemacht hat, habe ich daher erwartet, mich inhaltlich mit meinen Erfahrungen gut verorten zu können.
Ist dir während deines Studiums relativ schnell klar geworden, dass du auch promovieren möchtest? Welche Gründe haben dich dazu bewogen?
Die ganz grundsätzliche Möglichkeit einer Promotion hat sich für mich durch Gespräche mit Professor:innen relativ früh, in etwa ab der Hälfte meines Studiums, abgezeichnet. Das hing u. a. auch damit zusammen, dass ich zu den Studierenden gehörte, die ihr Studium nicht mit einem klaren (pastoralen) Berufsziel begonnen haben. Den endgültigen Entschluss zur Promotion habe ich aber erst nach erfolgreicher Abgabe der Magistra-Arbeit in meinem letzten Studienjahr gefällt.
Die Gründe für eine Promotion sind nicht zuletzt auch feministischer Natur. Unter anderem geht es mir um die Sichtbarmachung von Frauen in einer nach wie vor männlich dominierten Wissenschaft.
Darüber hinaus möchte ich mich durch die Promotion noch weiter inhaltlich qualifizieren, um mir die Möglichkeiten zu schaffen, in kirchlichen, aber auch außerkirchlich-gesellschaftlichen Einrichtungen als Theologin z. B. im Bildungsbereich arbeiten zu können. Während meines Studiums habe ich gemerkt, dass ich gern und viel lese, Freude an der vertiefenden Auseinandersetzung mit einem spezifischen Thema und dem Schreiben wissenschaftlicher Texte habe. Damit bringe ich hoffentlich die notwendige Ausdauer für einen Promotionsmarathon mit.
In deiner Dissertation möchtest du dich mit Frauenordination beschäftigen und das aus einer religionsvergleichenden Perspektive. Was kann der Blick auf andere religiöse Kontexte zur Debatte um Frauenordination in der katholischen Theologie und der Katholischen Kirche beitragen?
Die Idee für mein Promotionsvorhaben resultiert aus den Untersuchungen, die ich im Rahmen meiner Magistra-Arbeit durchgeführt habe. Das Ziel dieser Arbeit bestand darin, aus kulturwissenschaftlicher, theologischer und traditionshermeneutischer Perspektive den Emanzipationsprozess von Frauen bis hin zur Zulassung zum Rabbinat in den vier Denominationen des modernen Judentums in Deutschland und den USA zu untersuchen.
Zwei ganz zentrale Aspekte sind dabei deutlich geworden: Erstens, die Feminisierung des Judentums erfolgte in einer engen Korrelation zu den zeitgenössischen politischen Emanzipationsbewegungen und parallel mit den Entwicklungen anderer religiöser Gemeinschaften. Beispielsweise forderten diverse christliche Konfessionen zur selben Zeit mehr Partizipationsrechte für Frauen in ihren Kirchen. Zweitens wurden in der Analyse der Argumente für und gegen die Frauenordination im Judentum auch Argumente aufgeworfen, die uns aus den Debatten in der katholischen Kirche bekannt sind. Um nur zwei Beispiele zu nennen: Da es in der Vergangenheit keine ordinierten Frauen gegeben habe, dürfe sich dies auch in der Zukunft nicht ändern. Oder auch: Der Ausschluss von Frauen aus religiösen Ämtern sei keine Diskriminierung.
Ausgehend von diesen Erkenntnissen will ich in meiner Dissertation nun verschiedene christliche und jüdische Denominationen hinsichtlich ihrer geschlechteranthropologischen und amtstheologischen Diskurse in Engführung auf die Debatten um die Zulassung von Frauen zu leitenden und religiösen Diensten bzw. Ämtern beleuchten.
Auf diese Weise erhoffe ich mir Erkenntnisse über parallele oder divergierende Entwicklungen. Außerdem erweitere ich den Forschungshorizont dahingehend, die katholische Kirche hinsichtlich der Frage nach der Frauenordination nicht singulär und losgelöst vom gesellschaftlichen Kontext zu betrachten. Deutlich werden sollte bei diesen Untersuchungen dann auch, inwieweit es bei den Debatten um die Frage der Zulassung von Frauen zu religiösen Leitungsämtern überhaupt um theologische Begründungsweisen und Argumente oder vielmehr doch nur um patriarchalen Machterhalt und Misogynie geht.
Du warst schon vor deinem Studium mit der "Aktion Sühnezeichen Friedensdienste" für ein Jahr in Israel. Im Rahmen deines Studiums hattest du dann einen weiteren Aufenthalt in Israel, an der Hebrew University of Jerusalem. Wie war es für dich, als Christin in Israel zu studieren und inwieweit hat diese Zeit deinen Blick auf (die christliche) Theologie verändert und bereichert?
Die insgesamt zwei Jahre, die ich in Jerusalem leben, arbeiten und studieren durfte, waren zweifelsohne unfassbar prägend und in vielerlei Hinsicht sehr bereichernd.
Mein Studium an der Hebrew University of Jerusalem habe ich im Rahmen des Studienprogramms „Studium in Israel“ absolviert. Die Idee des Programms ist es, als Christ:in in Israel hautnah jüdisches Leben mitzuverfolgen und Judentum im Rahmen von Universitätskursen auf Hebräisch zu studieren.
Ich habe diesen Studienaufenthalt also nicht der Fortführung meines katholischen Theologiestudiums gewidmet. Vielmehr habe ich Seminare zur rabbinischen Literatur, Judaistik und zu Holocaust Studies besucht. Es war für mich sehr eindrücklich, beispielsweise über Epochen christlicher Judenfeindschaft aus der Perspektive von jüdischen Dozierenden unterrichtet zu werden. Daneben erlangte ich Einblicke in (religions-)politische, archäologische und interreligiöse Fragestellungen sowie neue methodische Zugänge. Die Relevanz dieser Studieninhalte wird deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass die Kirchen nach wie vor antijüdische Ressentiments tradieren und bei antisemitischen Anfeindungen teils nicht ausreichend Partei ergreifen.
Nicht zuletzt im eigenen Erleben interreligiöser Begegnungen wird in diesem Programm also deutlich, dass sich christliche Identität nur in Beziehung zum Judentum leben lässt.
Als Christin gehört man in Israel allerdings zu einer Minderheit. Diese Erfahrung lässt einen vor allem die Privilegien einer christlichen Dominanzkultur, wie wir sie in Europa nach wie vor erleben, hinterfragen und öffnet den Blick für religiöse Vielfalt. Es mag für manche zunächst ungewohnt sein, über Weihnachten nicht selbstverständlich mehrere Tage freizuhaben. Meine Kommiliton:innen begegneten mir jedoch mit großer Offenheit und Interesse. Viele meiner Kurse waren ohnehin international, multikulturell und von Jüdinnen:Juden, Muslim:innen und Christ:innen besucht.
Was machst du gerne, wenn du gerade nicht arbeitest?
Einen wunderbaren Ausgleich zur Arbeit finde ich zum einen beim Sport. In erster Linie gehe ich gern joggen und mache Ausfahrten mit meinem Rennrad. Zum anderen ist die Musik ein fester Bestandteil meines Lebens. Seit ein paar Monaten singe ich wieder in einem Chor. Davor gehörte das Klarinettespielen zu meiner regelmäßigen Beschäftigung.
Daneben ist mir mein soziales Engagement im Kontext verschiedener Vereine sehr wichtig, u. a. engagiere ich mich seit Jahren für den Verein „Aktion Sühnezeichen Friedensdienste“, der mich für mein FSJ nach Jerusalem geführt hat. Ich wirke in der Öffentlichkeitsarbeit, teame Seminare und habe lange Zeit die Regionalgruppe ehemaliger Freiwilliger in Thüringen geleitet.
Mehr Informationen zu Antonia Dölle finden Sie auf der Website der Professur für Dogmatik.