Glauben in Musik erfahren – Ein Interview mit Mark Porter

Personalia
Die Villa Martin der Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Erfurt im Frühjahr

Mark Porter ist seit Mai Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur für Fundamentaltheologie und Religionswissenschaft. In seiner interdisziplinären Forschung beschäftigt sich der passionierte Musiker vor allem mit der Verbindung zwischen Musik und Religion und den vielen Facetten christlicher Musik. Wir haben mit ihm darüber gesprochen, wie er über die Musik zur Theologie gekommen ist, wie man während einer Pandemie Feldforschung betreibt und welche Musik er in seiner Freizeit hört. 

Mark Porter
Mark Porter

Lieber Mark, könntest Du zum Einstieg etwas zu Deinem aktuellen Forschungsprojekt erzählen? Womit beschäftigst Du dich gerade?

Der Titel meines aktuellen Forschungsprojekts lautet „Christian Musical Innovation and Changing Ecological Relationships“ und es geht darum, wie verschiedene christliche Gruppierungen auf den Klimawandel reagieren. Viele dieser Gruppierungen greifen auf Musik zurück, wenn sie sich mit der aktuellen Klimakrise beschäftigen und vor allem bei der Entwicklung neuer Rituale zu diesem Thema. Viele der Gruppen experimentieren und probieren etwas Neues aus. Ich will herausfinden, wie und warum sie das machen und überlegen, wie man dazu am besten wissenschaftlichen forschen kann.

Die Gruppen, mit denen ich mich bis jetzt beschäftigt habe, lassen sich in Kategorien aufteilen: Da gibt es einmal evangelikale Gruppen, die Lobpreis-Lieder schreiben, in denen es um den Klimawandel geht. Einer der Gründe, aus denen diese Lieder besonders interessant sind, ist, dass sie nur schwer in die Kategorie der Lobpreis-Lieder passen, in denen es vor allem um das persönliche Verhältnis zu Gott geht. Wenn diejenigen, die diese Songs komponieren also versuchen, die Perspektive zu erweitern, dann stoßen sie auf viele Hindernisse und müssen sich eine Strategie überlegen, um diese Hindernisse zu überwinden.

Eine zweite Kategorie sind die „Forest Church“-Gruppen, die damit begonnen haben, Rituale und Gottesdienstformate im Freien zu entwickeln. Sie versuchen ihre Rituale beispielsweise den wechselnden Jahreszeiten anzupassen und so eine stärkere Verbindung zur Natur herzustellen. Häufig greifen diese Gruppierungen auch auf indigene und pagane Traditionen zurück. Wenn Sie Musik und Lieder nutzen, geht es oft darum, wie deren Kraft durch die Natur verstärkt wird nach dem Motto „Wir geben Laute von uns und wir singen, aber dann gibt es da auch noch die Bäume und die zwitschernden Vögel, sodass eine andere Dynamik entsteht“.

Dann gibt es noch die Protestgruppen: Innerhalb von Bewegungen wie Extinction Rebellion, wo Spiritualität ohnehin schon eine Rolle spielt, gibt es auch religiöse Gruppierungen, die Liedtexte umschreiben, Gesänge anstimmen und bestimmte Handlungen mit Musik kombinieren. Ein weiterer Forschungszweig sind Komponist*innen, die beispielsweise Requiems für ausgestorbene Arten oder den Planeten schreiben. Das sind die Bereiche, auf die ich mich im Moment konzentriere, aber ich bin immer auf der Suche nach neuen Beispielen.

 

Im Vorfeld unseres Gesprächs hast du gesagt, dass du viel Feldforschung betreibst. Wie genau kann man sich das vorstellen? Nimmst Du aktiv an Gottesdiensten oder Lobpreisungen teil?

Der Kern meiner Forschung bestand schon immer aus Feldforschung, schon seit meiner Promotion. Die Art und Weise, auf die ich diese Forschung betreibe, ist aber immer ganz unterschiedlich. Am Anfang ging es vor allem darum, direkt zu den Leuten hinzugehen und sie zu fragen, ob sie Lust haben, sich mit mir zu unterhalten. Die Arbeit an meinem aktuellen Projekt hatte ich gerade zu dem Zeitpunkt begonnen, als die Corona-Pandemie ausgebrochen ist. Dadurch musste ich auch meine Forschungsstrategie anpassen.

Es war dann häufig so, dass ich in den sozialen Medien auf Gruppen gestoßen bin, die irgendetwas Neues mit Musik und Riten ausprobiert und interessante Projekte ins Leben gerufen haben. Ich habe dann geschaut, wer alles in diesen Projekten involviert ist und habe diejenigen angeschrieben. Und da die meisten von ihnen aufgrund der Pandemie ohnehin zu Hause festsaßen, haben sie sich fast immer gefreut und gleich einen Termin für einen Videocall vereinbart. So hat es angefangen – also etwas anders als typische Feldforschung.

Im Moment habe ich aber eher das Gefühl, das wieder ausgleichen zu müssen: Jetzt, da die Lage wieder etwas entspannter ist, muss ich mir viele dieser Events persönlich anschauen, um auch wirklich zu erfahren, wie es ist, dabei zu sein. Gleichzeitig gibt es immer noch viele Gruppen, die Livestreams und Videos anbieten, sodass man quasi aus der Ferne dabei sein kann. Es ist also im Moment eher eine Mischung aus beiden Ansätzen.

 

Dein erstes Studienfach war nicht Theologie, sondern Musik. Wie genau bist Du darauf gekommen, Musik und Theologie in Deiner Forschung miteinander zu verbinden?

Ich habe schon ganz am Anfang, während meines Bachelorstudiums gemerkt, dass mir in meinem Musikstudium etwas fehlt. Ich dachte mir, dass ich Musik zwar spannend finde und dass sie eine wichtige Rolle in meinem Leben spielt, aber mir wurde auch meine eigene Spiritualität immer wichtiger. Irgendwie hat es sich komisch angefühlt, dass sich das in meiner Musik nicht widerspiegelt. Deswegen habe ich dann nach einem Masterstudiengang gesucht, bei dem ich mein Interesse für Theologie mit Musik verbinden konnte und habe tatsächlich in London an einem Institut für Musikwissenschaft jemanden gefunden, dessen Forschung in eine ähnliche Richtung ging.

Auch meine Promotion habe ich noch an einem Institut für Musik gemacht, hatte aber einen Theologen aus der praktischen Theologie als Zweitgutachter. Von da an habe ich angefangen, mich in der interdisziplinären Forschung sehr wohlzufühlen. Ich war an einer sehr fortschrittlichen und offenen Fakultät, die das sehr begrüßt hat.

Und während ich über Musik und Lobpreisung und Ähnliches gelesen habe, erschien es naheliegend Literatur aus Bereichen wie Anthropologie, Ethnomusikologie, Religionswissenschaft und Theologie hinzuzuziehen.

Das führte dann zu so einer Art Dominoeffekt. Ich habe Beiträge in verschiedenen religionswissenschaftlichen Zeitschriften veröffentlicht und an Tagungen teilgenommen, wo die Leute etwas offener waren gegenüber der Art, wie ich mich zwischen den Disziplinen bewege. Ich war vier Jahre lang am Max-Weber-Kolleg, wo interdisziplinäre Forschung eine zentrale Rolle spielt, und ein sehr offener Dialog geführt wird.

 

Lag es am Max-Weber-Kolleg, dass Du dich dazu entschieden hast, nach Deutschland zu ziehen oder gab es dafür andere Gründe?

Das ist eine längere Geschichte. Ich habe mich in Oxford, das ja wegen der Universität eine ziemlich internationale Stadt ist, mit einigen Deutschen angefreundet. Diese Freundschaften haben meinen Horizont etwas nach Europa hin erweitert. Ich war ein paar Mal in Deutschland und habe das Land besser kennengelernt und dachte damals schon, dass ich vielleicht eines Tages gerne dort leben würde.

Dann erst kam das Max-Weber-Kolleg ins Spiel: Ich habe mich nach meinem PhD auf sehr viele verschiedene Stellen beworben. Zu diesem Zeitpunkt habe ich in einem ökumenischen Haus in Oxford gewohnt mit anglikanischen und östlich-orthodoxen Mitbewohner*innen und da habe ich gehört, dass einige der Russ*innen sich am Max-Weber-Kolleg beworben haben. Die Literatur, die sie für ihre Bewerbung gelesen haben ließ sich sehr gut mit meiner Forschung verbinden und deshalb dachte ich mir „hey, wieso nicht?“. Ich habe mich also beworben, habe eine Stelle bekommen und bin geblieben.

 

Vermutlich spielt Musik generell in Deinem Leben eine große Rolle. Welche Instrumente spielst Du und was für Musik hörst Du gerne in Deiner Freizeit?

Ich spiele einige verschiedene Instrumente: Flöte, Saxofon, Klavier und Orgel. Und ich mache in vielen verschiedenen Kontexten Musik. Ich mache viel Kirchenmusik, was einer der Hauptgründe ist, aus denen ich da gelandet bin, wo ich jetzt bin. Ich bin nicht katholisch aufgewachsen, sondern bin jemand, der sich viel zwischen verschiedenen christlichen Traditionen hin und her bewegt hat, einfach nur durch meine Musik.

Ich habe relativ früh damit angefangen, in anglikanischen Kirchen Orgel zu spielen, dann bei Katholiken, bei Baptisten, bei Methodisten, dann für evangelikale Gemeinden, was mich zu Lobpreis-Liedern gebracht hat, zu Gospel, usw. So habe ich meine Leidenschaft für die verschiedenen Arten christlicher Musik entdeckt.

Ich habe in Orchestern gespielt, in Bands und war hin und wieder auch bei Festivals dabei. Ich habe Chöre geleitet und habe unterrichtet. Ich mag es, dass die Instrumente, die ich spiele, es mir erlauben, in vielen verschiedenen Konstellationen und Stilrichtungen Musik zu machen. Wenn es darum geht, was ich so höre: Eigentlich höre ich gar nicht so viel Musik. Ich mag es, neue Musik zu entdecken und finde es toll, wenn mich etwas wirklich berührt, aber ich bin niemand, der im Hintergrund immer Musik laufen hat. Ich habe mit der Zeit gemerkt, dass es mir mehr darum geht, gemeinsam Musik zu machen und zu erleben. Es geht mir mehr um die geteilte Erfahrung von Kreativität und Glauben. Das mag ich lieber, als alleine mit Kopfhörern zu Hause zu sitzen.

Mehr Informationen zur Person und über die Forschung von Mark Porter finden Sie auf seiner Website.

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