Papst Franziskus und die Hoffnung: Wegweiser oder Projektionsfläche?

Forschung & Wissenschaft
Ein Blätterdach durch das das Sonnenlicht bricht
Dr. Elisabeth Höftberger
Dr. Elisabeth Höftberger

Dies sollte ein Blogbeitrag werden über Hoffnung, Papst Franziskus und den gesellschaftlichen Diskurs rund um sein Schreiben Laudato si zur ökologischen Krise und weltweiten sozialen Gerechtigkeit, das vor zehn Jahren veröffentlicht wurde und seither eines der öffentlichkeitswirksamsten Papstschreiben ist. Der Tod von Papst Franziskus macht nun noch deutlicher als zuvor sichtbar: Er wurde als „Hoffnungsträger“ wahrgenommen. Der Theologe Paul Zulehner schreibt in einem Nachruf in der Zeitschrift Profil: „Franziskus hat unermüdlich Hoffnung gesät. Nun hat die angstgetränkte Welt einen Hoffnungsträger weniger.“[1] Als „Wegweiser der Hoffnung“[2] bezeichnet ihn der österreichische Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zeichnet Franziskus als „leuchtendes Zeichen der Hoffnung“[3] aus. Auch der britische Premierminister stellt fest: “Yet he never lost hope of a better world. That hope was at the heart of his papacy.”[4]

Dr. Andrea Schmuck
Dr. Andrea Schmuck

Aus der Perspektive unseres aktuellen Projekts zu theologischer Hoffnungsforschung in der Klimakrise ist nun interessant, welche Rolle das Thema für Franziskus in seinem Pontifikat gespielt hat und ob er einen spezifischen Ansatz christlicher Hoffnung vertrat. 

Bereits im Jahr 2015 bezeichnete Andreas Englisch Papst Franziskus als ein „Zeichen der Hoffnung“. Besonders das letzte Jahr seines Pontifikats legt nahe, dass Hoffnung tatsächlich als zentrales Leitmotiv in Erinnerung bleiben könnte. Hoffnung erfasst auf treffende Weise sein konsequentes Engagement sowohl für arme, marginalisierte und besonders schutzbedürftige Menschen als auch für den Schutz der Schöpfung.

Das Heilige Jahr 2025, das im Angesicht weltweiter Kriege und Krisen stattfindet, stellte Franziskus unter das Motto Pilger der Hoffnung. Passend dazu erschien zu Jahresbeginn seine Autobiografie mit dem prägnanten Titel Hoffe

Doch was meint Papst Franziskus, wenn er von Hoffnung spricht? Und inwiefern könnte Hoffnung seine Antwort auf die Herausforderungen der ökologischen Krise sein? Zwar entwirft Franziskus keine Theorie oder Theologie der Hoffnung, doch lassen sich in seiner Autobiografie zahlreiche Hinweise finden, wie er Hoffnung versteht. So schreibt er beispielsweise:

  • „Hoffnung ist vor allem die Tugend der Bewegung, der Motor der Veränderung: Sie ist die Spannung, die Erinnerung und Utopie verbindet, damit wir daraus tatsächlich jene Träume verwirklichen können, die uns erwarten.“ (9)
  • „Die Hoffnung ist weit mehr als eine Illusion, auch weit mehr als das schlichte Vertrauen. […] Hoffnung ist unbesiegbar, weil sie […] die Gewissheit [ist], dass wir alle auf etwas zugehen, von dem wir nicht nur wünschen, es wäre da, sondern das ganz einfach schon da ist.“ (329)
  • „Hoffnung ist die Tugend eines Herzens, das sich nicht im Dunkeln verschließt, nicht bei der Vergangenheit stehen bleibt, nicht in der Gegenwart verkümmert, sondern in eine helle Zukunft blickt. Unruhig und voller Freude, so müssen wir Christen sein.“ (377)

Anhand dieser Aussagen lassen sich verschiedene Dimensionen von Hoffnung in seinem Sinne nachzeichnen. Franziskus geht es im Kern darum, wie der Mensch seine Beziehung zur Welt versteht und wie er sich selbst als Teil dieser Welt begreift. Hoffnung – oder zu hoffen – bedeutet daher in erster Linie ein bewusstes Sich-in-Beziehung-Setzen zur Wirklichkeit: zu den Mitmenschen, zur Natur und Umwelt, zu sich selbst und letztlich zu Gott. Bei aller Krisenhaftigkeit und Hoffnungslosigkeit der Wirklichkeit sind diese Beziehungsbestimmungen auf Zukunft hin offen – eine Zukunft, die zwar im Bereich des Möglichen liegt, die zugleich aber auch nicht einfach verfügbar ist. Zu hoffen ist für Papst Franziskus daher Antrieb und Motivation, die gegenwärtigen Entwicklungen aktiv mitzugestalten und die Wirklichkeit aus der Hoffnung heraus positiv zu verändern. 

In den päpstlichen Dokumenten zur Ökologie, der Enzyklika Laudato Si (LS, 2015) und der Erklärung Laudate Deum (LD, 2023) ist der Begriff „Hoffnung“ zwar noch nicht programmatisch leitend – zumindest nicht explizit. Dennoch lassen sich seine darin getätigten Äußerungen mit Blick auf die zuvor genannten Dimensionen von Hoffnung – im Sinne eines Weltverhältnisses, das auf Zukunft hin offen und Motor für Veränderungen und Handlung ist – in seinen Texten wiederfinden. Denn angesichts der Herausforderungen der ökologischen Krise fordert Franziskus ein Überdenken dessen, wie wir Menschen uns selbst und unsere Beziehungen zum Planeten und zur Natur verstehen.

Dazu beschreibt Franziskus einen Gegensatz: In der Gegenwart würden wir Menschen unser Weltverhältnis in erster Linie über ein „technokratisches Paradigma“ (LD 20–28 und LS 106–114) verstehen: Aufgrund der Vorstellung „eines autonomen, allmächtigen, unbegrenzten Menschen“ (LD 68) auf der einen und von Natur als „Objekt der Ausbeutung“ (LD 25) auf der anderen Seite sei dieses Prinzip mit verantwortlich für den menschengemachten Klimawandel. 

Angesichts der Klimakrise und ihrer Auswirkungen, von denen die vulnerablen Personengruppen global gesehen am stärksten betroffen sind, fordert Franziskus ein grundsätzliches Um- und Neudenken: eine „ganzheitliche Ökologie“ (LS Kapitel 4). 

Elementar dafür ist, dass die Trennung des Menschen von der Natur überwunden wird und der Mensch sich wieder als Teil der Natur begreift: Der Mensch „muss als Teil der Natur betrachtet werden. Das menschliche Leben, die Intelligenz und die Freiheit sind in die Natur eingebettet, die unseren Planeten bereichert, und sie sind Teil seiner inneren Kräfte und seines Gleichgewichts.“ (LD 26) Gegen die Ideologie unlimitierten Wachstums und einer Dehumanisierung von Natur betont Franziskus die Verbundenheit aller mit allem: „Da alle Geschöpfe miteinander verbunden sind, muss jedes mit Liebe und Bewunderung gewürdigt werden, und alle sind wir aufeinander angewiesen.“ (LS 42, vgl. auch LS 117, LS 240 und LD 19) Die Natur hat einen intrinsischen Wert unabhängig menschlicher Nutzbarmachung. Fragen der ökologischen Krisen sind für Franziskus immer verbunden mit der Frage nach sozialer Gerechtigkeit (LS 91). 

Hier knüpft er klar an die sozialethischen Positionen der christlichen Soziallehre im 20. Jahrhundert an – und darüber hinaus beispielsweise an die franziskanische Tradition, wie bereits die Wahl seines Namens anzeigt. Neu und inspirierend ist jedoch, dass Franziskus sie angesichts der zunehmend spürbaren Bedrohungen durch den Klimawandel wieder neu ins Bewusstsein ruft und in die Praxis überführt.

Wie Franziskus „hoffen“ und „Hoffnung“ bestimmt, spiegelt unterschiedliche Auffassungen wider, die auch in verschiedenen Bereichen der Hoffnungsforschung präsent sind: von einem stärker kompetenzorientierten psychologischen Ansatz über individuell-spirituell unverfügbare Hoffnung hin zu kollektiv-aktiven Zugängen. In der letzten Predigt von Franziskus, die in der Osternacht verlesen wurde, betonte er die handelnde Dimension von Hoffnung, die für ihn auch einen Kern des Christseins ausmacht – Christ:innen sollten zu „Bauleuten der Hoffnung“ werden: „Wir können dies mit unseren Worten tun, mit unseren kleinen alltäglichen Gesten, mit unseren vom Evangelium inspirierten Entscheidungen. Unser ganzes Leben kann ein Zeichen der Hoffnung sein.“[5]

Hoffnung ist in den christlichen Traditionen von Beginn an von zentraler Bedeutung – und doch: Papst Franziskus belebte Hoffnung in Zeiten sozialer, politischer und ökologischer Krisen neu. Er ist damit eine Projektionsfläche im besten Sinn: Für viele Menschen hat er Hoffnung glaubwürdig vertreten – ja verkörpert – und damit auf den Boden der Realität zurückgebracht. 

 

[1] https://www.profil.at/gesellschaft/papst-franziskus-ist-tot-ein-hoffnungstraeger-voll-des-reformwillens-und-wider-die-vatikan-hardliner/403034114 (23.04.2025)

[2] https://www.bundespraesident.at/aktuelles/detail/bundespraesident-zum-tod-von-papst-franziskus (23.04.2025).

[3] Papst Franziskus: Wie die Welt auf seinen Tod reagiert - ZDFheute (23.04.2025)

[4] https://www.gov.uk/government/news/statement-from-the-prime-minister-following-the-death-of-pope-francis (23.04.2025).

[5] https://www.vaticannews.va/de/papst/news/2025-04/osternacht-vatikan-papst-predigt-wortlaut-deutsch-2025.html (23.04.2025).

Elisabeth Höftberger und Andrea Schmuck sind Teil des Teams aus Nachwuchswissenschaftler*innen der Universität Erfurt und der Paris Lodron Universität Salzburg, die im Projekt "Theologie als Hoffnungsforschung? Auswirkungen der Klimakrise auf theologische Reflexion und religiöse Praxis" erforschen, welche Rolle Hoffnung bei der Bewältigung der Klimakrise spielt und wie die Theologie im Dialog mit anderen wissenschaftlichen Disziplinen komplexe Phänomene untersuchen kann.

In diesem Blog-Beitrag erfahren Sie mehr über das Projekt.