Wege aus der Diskrimierung: Gerechte Teilhabe von Frauen an Amt und Macht in der Kirche

Forschung & Wissenschaft , Publikationen
Stehende Frau im Stephansdom wendet sich vom Altar ab

Unsere Zeitschrift "Theologie der Gegenwart" behandelt in kurzen und übersichtlichen Artikeln aktuelle Fragestellungen aus dem Bereich derTheologie. Der Titel der aktuellen Ausgabe lautet "Wege aus der Diskriminierung". In diesem und dem folgenden Blog-Beitrag möchten wir zwei der Artikel vorstellen, in Form von kurzen Interviews mit den Verfasser*innen. Informationen dazu, wie sie die aktuelle Ausgabe bestellen und/oder die Zeitschrift abonnieren können, finden Sie in der Info-Box am Ende des Interviews.

Nachdem wir in unserem ersten Beitrag mit Dr. Thomas Bahne über Altersdiskriminierung in der Medizin gesprochen haben (diesen Blog-Beitrag finden Sie hier), geht es in diesem Interview mit Prof. Dr. Ursula Nothelle-Wildfeuer, Professorin für Praktische Theologie an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, über die gerechte Teilhabe von Frauen an Amt und Macht in der Kirche.

Prof. Dr. Ursula Nothelle-Wildfeuer
Prof. Dr. Ursula Nothelle-Wildfeuer

Zu Beginn Ihres Beitrags sprechen Sie von der Kluft zwischen Gesellschaft und Kirche und merken an, dass die Kirche in Fragen der Gleichberechtigung durchaus dazu in der Lage zu sein scheint, Missstände in der Gesellschaft zu kritisieren, es aber anscheinend nicht schafft, dieselben Maßstäbe an die eigene Institution anzulegen. Wie kommt diese Diskrepanz Ihrer Meinung nach zustande?

Das hat m.E. viel zu tun mit dem Selbstverständnis der Kirche als Sozialgebilde sui generis, für das die Kriterien zur Aufdeckung von Missständen, die für die gesellschaftlichen Verhältnisse zutreffen, gar nicht angelegt werden können. Aufgrund ihrer ganz anderen, nämlich hierarchischen Struktur, aufgrund ihres sakramentalen Charakters sowie aufgrund der unsichtbaren Wirklichkeit, die die Kirche zum einen Teil ausmacht, hat man lange Zeit die eigene Soziallehre für die Kirche ad intra gar nicht in Betracht gezogen. So hat etwa auch Papst Pius XII., der erklärte, das heute gesellschaftlich und politisch viel zitierte Subsidiaritätsprinzip gelte auch für die Kirche, unbeschadet ihrer hierarchischen Struktur, wenig Resonanz gefunden – bis heute.

Hinzu kommt, dass manches, was sich in der Kirche und ihrer Gestalt als Sozialgebilde vor allem seit dem 19. Jahrhundert entwickelt hat, heute oftmals als unveränderliche überzeitliche Wahrheit angesehen wird, anstatt zu sehen, dass es sich um die sichtbare Seite der unsichtbaren Wirklichkeit handelt, die dann, wenn sie das nicht mehr durchscheinen lässt, wofür sie steht, sondern eher verdunkelt, Veränderung braucht.

 

Neben dem Problem der Diskrepanz zwischen Gesellschaft und Kirche benennen Sie in Ihrem Beitrag auch eine Vielzahl theologischer Argumente, die für eine gerechte Teilhabe und den Zugang von Frauen zum Weiheamt sprechen. Können Sie eines dieser Argumente benennen und näher erläutern?

Als zentrales Argument dafür, dass Frauen keinen Zugang zum Weiheamt bekommen (können), wird oft und schnell das folgende angeführt: Jesus habe keine Frau in den Kreis seiner Apostel berufen und deswegen könne auch zweitausend Jahre später unter völlig gewandelten zeitgeschichtlichen und kulturellen Gegebenheiten keine Frau geweiht werden. Das Argument trägt sicher nicht weit, denn die anderen uns bekannten Merkmale der Apostel wie z.B. Religion (jüdisch) und Beruf (Fischer) sind auch nicht zu heute relevanten Entscheidungskriterien für die Frage nach der Repraesentatio Christi geworden – im Gegenteil!

Wenn wir uns nun fragen, was ist denn das Entscheidende für die Repraesentatio Christi, um die es ja im sakramentalen Amt geht, dann steht da an keiner Stelle das Geschlecht. Im Zentrum steht vielmehr das Bemühen, die Botschaft des Evangeliums zeichenhaft (sakramental) erfahrbar werden zu lassen.

Jesus Christus hat uns mit seinem Leben und seinem Handeln gezeigt, wer und wie Gott ist. Das auch heute mit ganzer Kraft zu zeigen und auch heute die Menschen das befreiende, heilende und stärkende Handeln Jesu Christi spüren zu lassen und es präsent zu machen, wo die Not am größten, wo Heilung notwendig, wo Sehnsucht spürbar und Stärkung hilfreich ist, da wird sakramentales Amt aus der Mitte des Evangeliums heraus verstanden. Da ist es unabhängig vom Geschlecht – ja man muss sagen, da wird deutlich, dass gerade viele Frauen genau das schon leben, ohne mit einem Amt ausgestattet zu sein. Dass diese Diskrepanz zwischen Handeln und (Nicht-)Amt auf Dauer nicht richtig und sinnvoll sein kann, liegt sehr nahe.

 

Julia Knop hat sich auf katholisch.de (hier finden Sie den entsprechenden Beitrag) dazu geäußert, dass im Bistum Essen seit Kurzem auch Frauen die Taufe spenden dürfen und dabei kritisiert, dass diese Änderung nur aus der Not geboren sei und keine echten Reformen ersetzen könne. In Ihrem Beitrag scheinen Sie in eine ähnliche Richtung zu argumentieren. Sind solche Maßnahmen dennoch zu begrüßen, z.B. weil sie Frauen durch die Erfahrung von Teilhabe in ihrer Forderung nach Gleichberechtigung bestärken können?

Ich denke, dass solche Maßnahmen auf jeden Fall dennoch zu begrüßen sind: Zum einen bestärken sie sicher die Forderung nach Gleichberechtigung, weil hier ein Zeichen gesetzt wird für das, was eigentlich möglich ist. Zum anderen aber entsteht auf diese Weise ein Kulturwandel, der nicht einfach später wieder beiseite gewischt werden kann. Meines Erachtens brauchen wir in der Kirche wirklich umfangreiche Reformen, um der Botschaft des Evangeliums wieder glaubwürdigen Ausdruck verleihen zu können. Dabei spielt aber der Faktor Zeit auch eine nicht unbedeutende Rolle. Das Ganze muss ein Entdeckungs- und Entwicklungsprozess sein, während dessen, gemessen an den erarbeiteten Leitlinien, immer wieder evaluiert werden kann und man sich versichern kann, ob man noch dem Ziel der glaubwürdigen Umsetzung des Evangeliums verpflichtet ist. Es geht nicht um eine Revolution, die auf einen Schlag keinen Stein mehr auf dem anderen lässt. Ein solcher Kulturwandel braucht auch Erprobungsphasen für bestimmte Modelle und Ideen, für kreative Lösungen und neue Anstöße.

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