Wie können wir eine gute Geschichte über Nachhaltigkeit erzählen? Dieser Frage gingen 26 Studierende im Sommersemester im Seminar "Grüne Narrative – Nachhaltigkeit erzählen in Literatur und Journalismus" im Studium Fundamentale an der Universität Erfurt nach. Aus dieser Auseinandersetzung sind eindrückliche Texte und Gedichte für Kinder und Erwachsene entstanden.
Das Studium Fundamentale (StuFu) ist eine Besonderheit und Kernelement der wissenschaftlichen Ausbildung an der Universität Erfurt. Die interdisziplinären Seminare sind für Bachelor-Studierende aller Fachrichtungen geöffnet und beschäftigen sich mit Themen abseits des eigentlichen Hauptstudiums. Studierende erwerben darin gemeinsam mit Kommiliton*innen anderer Studienfächer nicht nur fachlich-praktische Kenntnisse, sondern bilden auch wichtige Kernkompetenzen zur Persönlichkeitsbildung aus. Im Seminar „Grüne Narrative“ näherten sich Studierende gemeinsam mit ihren Dozierenden Stella Lorenz und Dr. Mark Porter dem Thema "Ökologischen Krise". Stella Lorenz ist Journalistin, schreibt unter anderem für die Frankfurter Allgemeine Zeitung über Kultur und promoviert derzeit an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg zu neuen journalistischen Erzählformen für Nachhaltigkeit. Mark Porter ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur für Fundamentaltheologie und Religionswissenschaft. In seiner interdisziplinären Forschung beschäftigt sich der passionierte Musiker sowohl mit der Verbindung zwischen Musik und Religion als auch zwischen Musik und Klimakrise. So baute ein vorangegangenes StuFu-Seminar im Wintersemester bereits auf seiner Forschung auf, indem sich die Studierenden mit Musik, Klang und der Öko-Krise beschäftigten. Das Folgeseminar konzentrierte sich jetzt auf die Verbindung von Journalismus und Erzählungen im selben Kontext.
In gewisser Weise liegt es auf der Hand, sich auf ein Thema zu konzentrieren, das für die Studierenden und die Gesellschaft von so großer Bedeutung ist."
Dr. Mark Porter
Die Möglichkeit, diese Themen gemeinsam zu unterrichten und aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten, sehen beide Dozierenden als große Chance. Neben theoretischen Grundlagen wie den verschiedenen Definitionsansätzen und der semantischen Bedeutungen von "Nachhaltigkeit" beschäftigten sich die Studierenden auch mit Aspekten der "Environmental Humanities". Unter diesen "Umwelt-Geisteswissenschaften" sind verschiedene geisteswissenschaftliche Disziplinen zusammengefasst, um Antworten auf die globale ökologische Krise zu finden und gemeinsam mit den Natur- und Umweltwissenschaften neue Lösungen zu finden. Ein zweites Forschungsfeld war der "Ecocriticism" (Ökokritik), bei dem die Beziehungen zwischen dem Menschen und seiner Umwelt und dessen Transformation in die Literatur- und Kulturgeschichte untersucht wird.
Der Schwerpunkt des Seminars im StuFu lag nun auf dem Erzählen von Geschichten zu Fragen der Nachhaltigkeit und der ökologischen Krise: Wie kann man eine Geschichte erzählen, die wirklich etwas Sinnvolles zur aktuellen ökologischen Krise beiträgt?
Das Besondere an diesem Seminar: Die Studierenden konnten sich einmal völlig "austoben" und hatten allen Freiraum sich individuell mit dem Thema auseinanderzusetzen. Ziel war es, diesen Raum mit Unterstützung der Dozierenden kreativ und kritisch zu nutzen, um Geschichten über Nachhaltigkeitsthemen zu entwickeln, die beim Lesenden eine Reaktion auslösen. Entscheidend für die Entwicklung dieser Texte war es zunächst, zu diskutieren, wie die Studierenden selbst Nachhaltigkeit verstehen, wie Narrative funktionieren und welche verschiedenen Genres des ökologischen Schreibens es gibt. Dabei setzten sich die Teilnehmer*innen mit Literaturbeispielen anderer Autor*innen auseinander. Aus diesen Erkenntnissen heraus begannen sie, erste eigene Konzepte und Texte zu entwerfen und diese Erzählung zu einer kurzen gesprochenen Performance für einen "Narrative Slam" zu entwickeln.
Die Fantasie der Studierenden war groß. So viel Kreativität auf zum Teil sehr persönlichen Ebenen zu erleben, war großartig."
Stella Lorenz
Diese Erfahrung und das Feedback der anderen Teilnehmer*innen halfen den Studierenden, die ersten Ideen weiterzuentwickeln. Einige schrieben Gedichtzyklen, andere Kindergeschichten. Viele Texte spiegeln eigene Erfahrungen der Autor*innen wider. Die Themen variieren zwischen Klimakrise und Umweltverschmutzung; zwischen Hoffnung und Resignation.
Wir hoffen sehr, dass unser Seminar die Studierenden ermutigt, ihre Bemühungen rund um Nachhaltigkeit in der Literatur weiterzuentwickeln und diese Prozesse der Kreativität an anderen Orten einzusetzen, um andere zu inspirieren."
Dr. Mark Porter
Aus diesem Grund haben Stella Lorenz und Mark Porter die Nachhaltigkeitserzählungen der Studierenden zum Nachlesen und Nachdenken in einem Erzählband zusammengetragen.
Das Thema Ökologie wird Mark Porter auch weiterhin beschäftigen. Im nächsten Semester wird er in einem StuFu-Seminar den Schwerpunkt auf Ethnografie und Interviews legen. "Wir wollen Studierenden die Möglichkeit bieten, ihre eigenen kleinen Forschungsprojekte umzusetzen, um herauszufinden, was man über die sozialen und persönlichen Aspekte der Klimakrise durch Gespräche mit verschiedenen Personen und Gruppen in ihrem Umfeld erfahren kann." Dafür bietet das Studium Fundamentale an der Universität Erfurt die beste Gelegenheit und ermöglicht es den Studierenden, einen Blick über den eigenen Lern- und Forschungsbereich hinaus zu werfen.