Off Campus: Dietlinde Schmalfuß-Plicht und die Philosophie im Lebensalltag

Off Campus
Dietlinde Schmalfuß-Plicht

Seit 1996 ist Dietlinde Schmalfuß-Plicht an der Universitätsbibliothek Erfurt tätig. Die Diplom-Bibliothekarin liebt ihren Beruf und übt ihn dort mit Leidenschaft und Akribie aus. Dennoch verspürte sie irgendwann das Bedürfnis, sich darüber hinaus weiterzubilden und neben ihrem ursprünglichen Beruf noch eine andere Tätigkeit auszuüben. Seit 2009 ist sie nun abseits vom Campus als Philosophische Praktikerin tätig. Für unseren Blog „Ich mag meine Uni…“ haben wir sie gefragt, was es damit auf sich hat...

Frau Schmalfuß-Plicht, Sie sind „Philosophische Praktikerin“. Was genau kann man sich darunter vorstellen?
Ich betreibe die Philosophische Praxis MILAN in Erfurt. Als Philosophische Praktikerin mache ich dort Gesprächsangebote sowohl für Einzelpersonen als auch für Gruppen. Einer meiner inhaltlichen Schwerpunkte ist die philosophische Beschäftigung mit Sterben, Tod und Trauer.

Seit mehr als zehn Jahren veranstalte ich außerdem regelmäßig einen Philosophischen Salon, der für jede und jeden offen ist. Dabei lade ich zum gemeinsamen Philosophieren über verschiedenste lebensrelevante Themen bzw. Ideen aus der Philosophiegeschichte ein. Auch mit Kindern philosophiere ich regelmäßig, führe Workshops und Seminare durch. Zudem bin ich Mitherausgeberin des „Jahrbuches der Internationalen Gesellschaft für Philosophische Praxis“ und als Vorstandsmitglied im Berufsverband für Philosophische Praxis auch Projektleiterin und Dozentin im „Bildungsgang für Philosophische Praxis“.

Das klingt umfangreich. Wie sind Sie dazu gekommen und wie bekommen Sie das heute unter einen Hut?
Die Arbeit in der Bibliothek ist überwiegend formal. Ich suchte einen intellektuell und geistig anspruchsvollen Ausgleich. So entschloss ich mich im Jahr 2000 neben meiner Berufstätigkeit zu einem achtjährigen Fernstudium der Literaturwissenschaft und Philosophie an der Fernuni in Hagen, in dessen Anschluss ich meine Zweittätigkeit begann. Ich habe dann meine Arbeitszeit in der Universitätsbibliothek reduziert, sodass ich mich heute in zwei Berufen gleichermaßen tätig sehe. Durch diese Doppelbeschäftigung habe ich natürlich mehr als eine 40-Stunden-Woche, denn die Vorbereitung der verschiedenen Veranstaltungen sowie die organisatorischen Aufgaben in meinem Berufsverband sind zeitintensiv. Da meine Kinder aber nunmehr erwachsen sind, habe ich genügend Freiraum für diese Beschäftigung, die ich sehr gern und mit Liebe tue…

Was reizte Sie dabei so an der Disziplin der Philosophie?
Ich bewege mich einerseits gern in Denkräumen, versuche, die mich umgebende Lebenswelt aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten und zu bewerten. Andererseits schätze ich sehr den bereichernden Gedankenaustausch mit anderen Menschen, das dialogische Gespräch, das mehr sein sollte, als ein Meinungsaustausch. Diese beiden Aspekte sehe ich in meiner Tätigkeit als Philosophische Praktikerin perfekt vereint.

Gibt es Überschneidungen oder Anknüpfungspunkte der beiden Tätigkeiten?
Ein großer Vorteil ist natürlich, dass ich die philosophische Literatur, die ich für die Vorbereitung meiner Veranstaltungen benötige, gewissermaßen „vor der Nase“ habe.

Sie sagten, Sie suchten nach einem „intellektuell und geistig anspruchsvollen Ausgleich“. Hat sich das für Sie erfüllt?
Auf jeden Fall. Der dialogische Austausch mit den verschiedensten Personen oder Gruppen ist für mich enorm bereichernd. Zwar gebe ich Impulse für ein gemeinsames Nachdenken und Philosophieren, bekomme aber durch die Gespräche von meinen Gästen viele Anregungen und neue Sichtweisen „geschenkt“, die unglaublich bereichernd und motivierend sind.

…auch, wenn es um schwere Themen wie Tod und Trauer geht?
Auch, vielleicht sogar gerade dann. Eines meiner beeindruckendsten Erlebnisse während dieser Tätigkeit war eine Einladung des Deutschen Kinderhospizforums zu einem Vortrag nach Essen. Die Atmosphäre dieser Veranstaltung, die dort vorherrschende fröhliche Grundstimmung der Teilnehmenden, deren Kinder lebensverkürzend erkrankt sind bzw. waren, hat mich tief berührt. Ebenso die freundlichen Reaktionen auf meinen Vortrag.

Was sagen eigentlich Ihre Kolleginnen und Kollegen aus der Unibibliothek zu ihrer zweiten Tätigkeit?
Sie wissen zum Teil davon und einige sind sehr interessiert. Hin und wieder besucht auch jemand eine meiner Veranstaltungen, was mich sehr freut. Allerdings ist es für mich eher wichtig, dass ich als ihre Kollegin gute bibliothekarische Arbeit leiste, denn meine Aufgaben in der Unibibliothek nehme ich natürlich nach wie vor sehr ernst.