Praktisches Konfliktmanagement im Feld: Was graue Theorie nicht lehrt (Gastbeitrag)

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Symbolbild Bosnien

Eine außergewöhnliche Studienreise brachte Ende März elf Master-Studierende der Willy Brandt School of Public Policy im Rahmen des "Conflict Studies and Management Program" (CSMP) nach Bosnien und Herzegowina. Sie studieren im Master of Public Policy (MPP) – und so war es mehr als nur eine wertvolle Ergänzung, einmal praktisches Konfliktmanagement im Feld zu erleben. Dank einer Kooperation mit dem bosnischen Think Tank "Populari" konnten sie gemeinsam mit Juniorprofessorin Solveig Richter in mehr als 15 Veranstaltungen mit internationalen und lokalen Akteuren ins Gespräch über die Hürden des Friedensaufbaus kommen. James Harold Birak, MPP-Student im vierten Semester, zeigte sich sehr beeindruckt: "Alle Teilnehmer haben während der Reise ungeheuer reiches und umfassendes Wissen zur Situation in einem Nachkriegsland vor Ort erhalten."

Bosnien und Herzegowina ist in der Tat ein sehr einzigartiger Fall in der Friedens- und Konfliktforschung: Seit Ende des Bürgerkriegs 1995 war die internationale Gemeinschaft mit militärischen und zivilen Friedensmissionen massiv im Land engagiert. Gleichwohl stagniert die Entwicklung seit mehr als 10 Jahren, das Land ist weit von einer konsolidierten Demokratie entfernt. Alle typischen Dilemmata des Nachkriegsaufbaus sind hier zu finden, sei es, dass internationale Akteure sich zu stark in die gesellschaftliche Entwicklung einmischten oder dass die Zivilgesellschaft noch immer von externen Geldgebern abhängig ist. Die Studierenden haben in den letzten Semestern intensiv konzeptionelles Wissen dazu erworben, waren aber dennoch überrascht "von der Komplexität des Friedensaufbaus vor Ort, von der Verquickung geopolitischer Interessen, sozioökonomischer Faktoren und lokaler Politik, die heute das Schicksal des Landes bestimmen", meint Florian Kullick, im zweiten Jahr Student im Master of Public Policy.

Die Agenda für die Studienreise kombinierte entsprechend Perspektiven von der internationalen Gemeinschaft, wie dem Hohen Repräsentanten der Vereinten Nationen, mit lokalen Meinungen von Bürgern, die den Krieg und die Besetzung Sarajevos selbst erlebt hatten. Gespräche mit einer Psychologin, die in der Traumatherapie arbeitet, waren ebenso spannend wie ein Treffen mit dem stellvertretenden Außenminister des Landes, der einmal mehr die Bedeutung der EU-Integration für die Zukunft des Landes betonte. Die Studierenden realisierten auf der Studienreise, dass auch mehr als 20 Jahre nach Ende des Krieges das Land noch tief gespalten ist: Rabiya Kursheed erzählt: "Es hat mich sehr getroffen zu sehen, dass selbst Schulkinder weiterhin getrennt werden. So sahen wir ein Schulgebäude, ein Teil renoviert, der andere nahezu verfallen – und Kinder von der Volksgruppe der Kroaten werden durch einen Zaun von den Kindern der Volksgruppe der Bosniaken getrennt." Und Henry Tamayo ergänzt: "Die Studienreise hat mir gezeigt, wie frustriert die Bevölkerung wird, wenn das gesamte System eines Landes korrupt ist."

Die Studienreise brachte damit auch wertvolle praktische Erfahrungen für drei kolumbianische Studierende, die in ihrem Heimatland gerade den Anfang eines langwierigen Friedensprozesses sehen. Sie hoffen natürlich, ihr Wissen über Chancen und Risiken nach dem MPP-Programm auch zu Hause einbringen zu können. Laura Camila Barrios Sabogal brachte es auf den Punkt: "Diese praktische Erfahrung im Feld bringt uns viel näher an die Realität als es Lehrbücher und Theorien jemals könnten."

Foto und Text: Prof. Dr. Solveig Richter, Juniorprofessur für International Conflict Management an der Willy Brandt School of Public Policy der Staatswissenschaftlichen Fakultät