Das Grenzlandmuseum Eichsfeld möchte die Hintergründe der früheren Grenzübergangsstelle bei Teistungen weiter erforschen. Dabei arbeitet es nicht nur mit der Behörde des Bundesbeauftragten für die Stasiunterlagen (BStU), sondern auch mit Studierenden der Universität Erfurt zusammen. Ein Gewinn für beide Seiten. Das jedenfalls sagt Prof. Dr. Christiane Kuller, Historikerin an der Uni, über die der Kontakt zustande kam. "Ich freue mich, über diese Möglichkeit der Kooperation – denn unsere Studierenden lernen dabei höchst praktisch, mit der jüngeren deutschen Geschichte umzugehen, Quellen zu suchen, zu recherchieren, zu analysieren und daraus nachhaltige Konzepte zu entwickeln. Das ist vor allem vor dem Hintergrund spannend, dass die meisten von ihnen die DDR nur aus Erzählungen ihrer Eltern und Großeltern kennen, weil sie erst in den 90er-Jahren oder noch später geboren sind."
Was die rund 20 Studierenden aus dem Fachbereich Geschichte genau machen werden? Zunächst einmal Akten auswerten und Dokumente sowie Fotos zu damaligen Strukturen, Ereignissen und möglichen "Vorfällen" an der Grenze zusammentragen, die später Grundlage für neue Ausstellungen im Museum sein könnten. Aber Mira Keune, die Geschäftsführerin des Grenzlandmuseums, will noch mehr: "Wir möchten unser Außengelände stärker als bisher in die Museumsarbeit einbeziehen, denn der damalige Grenzübergang ist heute kaum noch zu erkennen. Wir möchten ihn im Sinne der sogenannten 'Public History' stärker erfahrbar machen und dabei Geschichten und Geschichte am historischen Ort vermitteln. Das Grenzlandmuseum soll Zeitzeugen, aber auch spätere Generationen zum Hinterfragen der eigenen Geschichte anregen und kritisches Geschichtsbewusstsein fördern." Vor diesem Hintergrund sollen die Studierenden in einem zweiten Schritt auch Konzepte zu dessen Gestaltung und zur pädagogischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen entwickeln. "Deshalb haben wir neben den Studierenden aus der Fachwissenschaft in diesem Projekt auch Studierende im Boot, die später einmal Lehrer werden wollen, also didaktisch fit sind. Gemeinsam sollen sie erarbeiten, wie man die Ereignisse, Daten und Fakten rund um den früheren Grenzübergang so aufbereiten kann, dass sie für jedermann verständlich und zugleich einprägsam sind", erläutert Prof. Kuller.
"Dabei kommt ja auch das Thema 'Flüchtlinge' noch einmal auf den Tisch und das ist nicht zuletzt für unsere angehenden Lehrer spannend..."
Die Historikerin bringt selbst einige Erfahrung in der Arbeit mit Gedenkstätten mit – ob aus der Vorstandsarbeit in der Stiftung Ettersberg oder dem Zeitzeugenarchiv, wo ihre Expertise gefragt ist. "Ich denke, dieses Projekt ist nicht nur ein hervorragendes Beispiel für außerschulische Lernorte im Umgang mit unserer Geschichte, es ist vor allem auch eine gute Möglichkeit für unsere Studierenden, sich mit dem Thema 'Grenze' bzw. 'Grenzerfahrung' auch aktuell noch einmal auseinanderzusetzen. Denn die wenigsten von ihnen haben Grenzen wirklich erlebt – und schon gar keine gefährlichen. Dabei kommt ja auch das Thema 'Flüchtlinge' noch einmal auf den Tisch und das ist nicht zuletzt für unsere angehenden Lehrer spannend, wenn ich daran denke, wie sich der Unterricht in ethnisch gemischten Schulklassen verändert hat und weiter verändert." Interessant an der Projektarbeit sei aber auch der "Generationenaspekt", der in der didaktischen Arbeit berücksichtigt werden müsse. "Gestaltet man einen Erinnerungsort für Menschen, die diese 'Grenzerfahrung' in der DDR noch gemacht haben, oder einen Ort der – distanzierten – Vermittlung an die nachfolgenden Generationen? Es wird auf jeden Fall spannend", freut sich Christiane Kuller. Und auch Mira Keune ist überzeugt, dass die Zusammenarbeit mit den Studierenden eine sehr fruchtbare sein kann: "Wir werden bei der Weiterentwicklung unseres Museums von fachkompetenten jungen Leuten unterstützt, die sehr engagiert sind und weitere Perspektiven in die Bildungs- und Vermittlungsarbeit einbringen. Ich freue mich auf die Ergebnisse."