Studium Fundamentale: "Social Entrepreneurship"-Projekte vorgestellt

On Campus
Eine Gruppe von Studierenden im Gespräch

Im Rahmen des Studium Fundamentale-Seminars „Social Entrepreneurship – von der Idee zum Geschäftsmodell“ setzten sich Studierende der Universität Erfurt und der Fachhochschule Erfurt in diesem Sommersemester mit nachhaltigen und sozialen Gründungsideen auseinander. Unterstützt von den Gründerservicebeauftragten der beiden Hochschulen sowie weiteren Beratern aus dem Thüringer Hochschulgründernetzwerk und dem Netzwerk des Thüringer Zentrums für Existenzgründungen und Unternehmertum konzipierten sie ausgehend von jeweils einem komplexen gesellschaftlichen Aspekt kleine, ökonomisch realistische Unternehmungen. Jetzt stellten sie ihre Projekte einer Fachjury bestehend aus (v.l.) Anja Wieland (Gründerberaterin für Enterprise Thüringen, Partner im Thüringer Zentrum für Existenzgründungen und Unternehmertum), Stephan Beier (Investmentmanager beim Beteiligungsmanagement Thüringen bm|t), Prof. Dr. Volker Herwig (Serialpreneur, Gründerbotschafter und Professor an der Fachhochschule Erfurt), Brigitte Schramm (Gründerin und Organisationsberaterin beim Paritätischen Wohlfahrtsverband) sowie Stefan Mayer-Ehrling (Hauptansprechpartner Mitteldeutschland der Ernst & Young Start-up-Initiative) vor:

„Frisches vom Land – Deine faire Kiste“
Das Projekt hat seinen Ausgangspunkt an drei konkreten Problemen im Zusammenhang mit dem Konsum landwirtschaftlicher Produkte wie Milch, Obst und Gemüse: unfairer Handel, Umweltverschmutzung und die unfaire Bezahlung von Landwirten. Diesen Problemen soll das Projekt entgegentreten, indem es einen direkteren Kontakt zwischen Bauern und Endkonsumenten herstellt. Über eine Onlineplattform sollen Verbraucher Lebensmittelkisten mit regionalen Produkten bestellen können und sich gleichzeitig ein Bild davon machen, wo genau ihre Lebensmittel herkommen, unter welchen Bedingungen diese bei welchem Bauern angebaut bzw. produziert werden und welchen Gütekriterien sie unterliegen. Die Projektgruppe agiert dabei als einziger Zwischenhändler sowie als Lieferant. Eine faire Bezahlung des Bauern soll genauso Ziel des Projektes sein wie ein stärkeres Bewusstsein für faire regionale Produkte und mehr Lebensqualität seitens des Konsumenten. Um diese Ziele zu erreichen, möchte das Projektteam zunächst eigene Kredite aufnehmen und einen Teil der Kosten über das Crowdfunding abdecken.
Die Jury lobte die Idee hinter dem Geschäftsmodell und gab den Projektteilnehmern Tipps zum Online-Shop, zur Rechtsform sowie zur Erschließung von Kooperationspotenzial. 

„Zukunft mit Perspektive e.V.“
70 Prozent aller jugendlichen Straftäter werden nach Ablauf ihrer Haftstrafe wieder rückfällig. Häufig kommen sie in ihr altes Umfeld zurück und finden aufgrund ihres Hintergrundes keine Arbeits- oder Ausbildungsstelle. Das steigert die Aggressionen und die Wahrscheinlichkeit, sich wieder kriminellen Handlungen hinzugeben oder anzuschließen. Mit diesem Problem hat sich eine Projektgruppe des StuFu auseinandergesetzt und ein Konzept für die Resozialisierung von jungen Vorbestraften ausgearbeitet. Hauptaugenmerk des Projektes liegt dabei auf der Eingliederung der Jugendlichen in den Arbeitsmarkt durch einen Job oder eine Ausbildung. Das Team möchte durch Aufklärung und Information bei potenziellen Arbeitgebern Vorurteile abbauen, damit sie den Vorbestraften – unter ständiger Betreuung durch die Vereinsmitglieder – die Chance auf eine berufliche Zukunft geben. Zusätzlich sollen die Jugendlichen in einem Kursprogramm lernen, wieso man sich gesellschaftlichen Wertvorstellungen entsprechend verhalten sollte, und wie man durch Sport Energie gezielt einsetzt, Aggressionen abbaut und im Team zusammenhält. Auf lange Sicht soll zudem eine Einrichtung gegründet werden, die die Betroffenen nach ihrem Haftaufenthalt auffängt und sie ihrem vorherigen Umfeld entzieht. Finanziert werden soll das Projekt hauptsächlich durch den Europäischen Sozialfonds und durch Spenden. Die Jury war überzeugt vom Ansatz des Projektes, stellte aber die Frage, ob es wirklich sinnvoll ist, in einer WG-ähnlichen Einrichtung viele vorbestrafte Jugendliche zusammenzubringen.

„Dining Room – Taste the World“
Im Moment ist die weltweite Zahl der Flüchtlinge so hoch wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Auch in Deutschland steigt die Zahl der Asylanträge. Doch diejenigen, die tatsächlich Asyl erhalten, werden oft an den Stadträndern untergebracht und damit auch an die Ränder der Gesellschaft gedrängt. Mit der Idee des „Dining Room – Taste the World“ möchte eine Projektgruppe diese Menschen stärker gesellschaftlich teilhaben lassen und integrieren. Das soll zunächst mit einem wöchentlichen internationalen Kochabend erreicht werden, der Deutsche und Einwanderer unterschiedlicher Nationalitäten zusammenbringt, damit Vorurteile abbaut und Deutsche für das Thema Flucht sensibilisiert werden sollen. In einer einjährigen Testphase, in der die Kommunale Wohnungsgesellschaft mbH Erfurt (KOWO) die Räumlichkeiten sowie die Kochausstattung und REWE die Lebensmittel zur Verfügung stellt, möchte sich das Team erst einmal eine Community aufbauen, um im nächsten Schritt ein eigenes internationales Restaurant zu gründen. Dieses soll dann durch Crowdfunding finanziert werden.
Die Jury lobte auch diesen Ansatz zur Lösung eines gesellschaftlichen Problems sowie die Kooperation mit der KOWO und REWE, gab aber auch den Tipp, mit Mehrgenerationenhäusern zusammenzuarbeiten und die Interaktion von Deutschen und Ausländern noch zu verstärken, indem zum Beispiel Kochkurse angeboten werden.

„The FoodSaver“
Lebensmittelverschwendung ist ein bedeutendes gesellschaftliches Problem in den westlichen Ländern, denn mit ihr geht auch immer eine Verschwendung von Ressourcen einher. Allein in Deutschland verrotten beispielsweise pro Erntejahr 64 Tonnen Kartoffeln auf den Feldern, weil sie nicht in das Größenraster der Abnehmer fallen, zu klein oder zu unförmig sind. Mit einem „Rettungswagen“ möchten die „FoodSaver“ dieser Verschwendung zu Leibe rücken. Das Projektteam möchte dabei bei den regionalen Bauern nicht verkaufte und nicht geerntete Produkte zu einem fairen Preis aufkaufen und sie in ihrem „Rettungswagen“ dreimal pro Woche auf dem Erfurter Markt zu einem günstigeren Preis als im Handel verkaufen. Die Konsumenten sollen einerseits über das Thema Lebensmittelverschwendung informiert werden und in ihrem Bewusstsein, dass Qualität nicht nur von Größe und Aussehen abhängt, gestärkt werden, denn: Eine krumme Karotte ist ebenso geschmackvoll wie eine gerade! Da die Studierenden das Projekt zunächst als studentischen Nebenjob betreiben würden, erwarten sie keine eigenen hohen Einkünfte, brauchen aber ein Startkapital für die Gestaltung eines auffälligen „Rettungswagens“, für Transportmittel, Lagergebühren und das Marketing. Das Team nutzte die Projektvorstellung an der Uni Erfurt deshalb auch gleich als Spendenaufruf.
Die Jury stellte dennoch die Frage nach der Profitabilität, da Gemüse in Deutschland schon relativ preiswerte Lebensmittel sind, und ermutigten das Team, den Weiterverkaufspreis nicht von herkömmlichen Preisen zu unterscheiden, sondern bei den Kunden auf das Bewusstsein der Nachhaltigkeit zu setzen. 

„Der Raum“
Im vergangenen Jahr gab es in Deutschland 1228 nicht besetzte Lehrstellen und im Gegenzug 851 potenzielle Lehrlinge, die keine Ausbildungsstelle gefunden haben. Die Projektgruppe „Der Raum“ hat sich gefragt, woran das liegen könnte: Viele Jugendliche wissen nicht, wo ihre Stärken und Schwächen liegen, die Noten sind vielleicht nicht die besten und die Firmen klagen dann über die immer schlechter qualifizierten Bewerber. Mit seinem Konzept möchte das Team „Ein Raum“ Jugendliche und Firmen schon früh zusammenbringen und einen ungezwungenen Kontakt herstellen. Dafür soll ein Haus angemietet werden, in dem sich Schüler in unterschiedlichen Räumen unter fachlicher Betreuung in den unterschiedlichsten handwerklichen Richtungen ausprobieren können. So sollen sie sich schon früh ohne Druck mit der Berufswahl auseinandersetzen und eigene Interessen, Fähigkeiten und Talente entdecken – von denen sich die beteiligten Firmen wiederum ebenfalls ein Bild machen können. Diese sollen erkennen, dass nicht nur die Noten entscheidend sind, ein guter Handwerker zu werden, sondern dass auch unabhängig davon fachliche Talente vorhanden sein können. So können später vielleicht mehr Firmen und Schüler für einen gemeinsamen beruflichen Weg zusammenkommen.
Die Jury war überzeugt von der gesellschaftlichen Relevanz des Projektes, gab aber zu bedenken, dass es gerade bei kleinen Handwerksfirmen möglicherweise keine personellen Kapazitäten gäbe, sich an solch einem Projekt zu beteiligen. Sie empfahl außerdem, Round-Tables mit Unternehmen zu veranstalten und die Zielgruppe eventuell zu erweitern (z.B. Projekt Zukunft mit Perspektive).

„Clarify“
Sexuelle Aufklärung erfolgt heute vor allem noch durch Personen, die selbst nie aufgeklärt wurden, und Lehrer vermeiden das Thema gern auch ganz. Durch diese schlechte Aufklärungsarbeit holen sich die Jugendlichen heute ihre Informationen vor allem aus dem Internet, von Foren in denen jeder – egal mit wie viel Erfahrung – posten und Tipps geben kann. Die Antworten sind häufig schlecht und widersprüchlich und so verlieren viele Jugendliche das Interesse an richtiger Aufklärung schnell wieder. Die App „Clarify“ soll das vermeiden. Sie soll altersgerecht und fachlich kompetent aufklären und die wichtigsten Fragen Heranwachsender beantworten. Die App soll an die Zielgruppe der 14- bis 19-Jährigen im App Store verkauft werden, dort kann zwischen einem Basismodell und einem erweiterten Modell gewählt werden. Für die Bewerbung seines Produktes möchte das Team eine YouTube-Kampagne starten und mit namhaften YouTubern zusammenarbeiten.
Die Jury empfahl zudem eine Zusammenarbeit mit dem zuständigen Ministerium und eine zusätzliche Werbestrategie, die Eltern anspricht. Außerdem wurde dem Team nahegelegt, seine Idee eher als karitatives anstatt als kommerzielles Projekt anzulegen, die App als Freeware anzubieten und so auch schon jüngere Nutzer unter 14 Jahren zu erreichen.

Weitere Informationen