StuFu goes Reality – Wie zwei Studentinnen zu „Welt(t)räumerinnen“ wurden

Engagement , On Campus
Symbolbild Teamarbeit (Hände)

Sie schleppen Schutt und räumen alte Möbel aus, kratzen die Tapete von den Wänden und die Farbe vom Fußboden. Ganz schön anstrengend, was in diesen Tagen im Haus in der Webergasse 25 gestemmt wird. Aber am Ende werden sie einen Traum wahr gemacht haben – Luise Meißner und Marlene Panten, zwei Studentinnen der Universität Erfurt. Zusammen mit Benjamin Graber, Christiane Porfert und weiteren Mitgliedern des Erfurter Welt(t)raum e.V. wollen sie ein „Haus der Nachhaltigkeit und Menschenrechte“ eröffnen. Entstanden ist die Idee in einem Seminar im Studium Fundamentale an der Uni – Realität wird daraus durch viele zupackende „Welt(t)räumer und Menschen, die das Projekt durch Crowdfunding angeschoben haben. Wir haben mit den Initiatorinnen gesprochen…

Wie wird man im Studium an der Uni Erfurt zum Unternehmer eines solchen Projektes?

Die Idee stammt aus dem StuFu Nachhaltigkeit. Darin hat der Welt(t)raum e.V. aus Erfurt eines Tages mal die Idee eines Informations- und Bürgerzentrums für Nachhaltigkeit und Menschenrechte vorgestellt. Wir haben diese Idee dann gemeinsam weiterentwickelt und uns am Prinzip der Wächterhäuser orientiert. Leer stehende Häuser also, die Kulturschaffenden Raum für Ateliers und Veranstaltungen bieten und durch die Zwischennutzung wieder belebt werden. Wir fanden das interessant und haben daraufhin gemeinsam mit dem Verein ein Konzept zu einem „Haus der Nachhaltigkeit und Menschenrechte“ entwickelt, mit vielen Leuten aus anderen Projekten gesprochen, die schon Erfahrungen damit gesammelt haben, aber auch mit Verantwortlichen bei der Stadt. Zu Semesterende stand das Konzept. Aber wir haben so viel reingesteckt, da wollten wir dann nicht einfach wieder loslassen, also haben wir uns entschieden, weiterzumachen – und damit unsere Idee in die Tat umzusetzen. Im März 2015 haben wir uns dann spontan von der Idee eines neuen Wächterhauses entfernt, da sich die Möglichkeit bot, ein Objekt in der Webergasse / Ecke Moritzstraße zu mieten – seitdem arbeiten wir an unserem „Haus der Nachhaltigkeit und Menschenrechte“.

Und was genau ist das Ziel? Was soll dort in Zukunft geschehen?

Ziel ist es, Menschen in unserer Stadt eine zentrale Anlaufstelle zu bieten, für Fragen offen zu sein und ein Ort des Lernens und Ausprobierens zu werden. Wir bedienen dabei die drei Aspekte der Nachhaltigkeit: Ökonomie, Soziales und Ökologie. Das wurde uns übrigens auch durch eine Auszeichnung des Nachhaltigkeitsrates zum Werkstatt N Impuls 2015 bestätigt. Wir wollen aber auch die Zusammenarbeit zwischen Uni und dem Welt(t)raum e.V. stärken, um später im Haus studentisches Engagement und Bildungsprojekte zu fördern.

Welche konkreten Angebote soll es geben?

Einige Mitglieder des Welt(t)raum e.V. haben bereits jahrelange Erfahrung im Betreiben des Erfurter Weltladens. Dieser soll nun als Fachgeschäft für fairen Handel fester Bestandteil des „Hauses der Nachhaltigkeit und Menschenrechte“ werden. Dabei wird das Sortiment um zusätzliche nachhaltige regionale Produkte erweitert, so dass neben Kaffee, Schokolade und Kunsthandwerk bald auch Recyclingschreibwaren, plastikfreie Haushaltswaren, Produkte regionaler Bio-Erzeuger zu bekommen sein werden. Gleichzeitig wird ein Café entstehen, in dem wir fairgehandelte Getränke, aber auch selbsthergestelltes Gebäck anbieten wollen. Darüber hinaus werden natürlich auch Bildung und Kultur für jede Altersgruppe eine wichtige Rolle spielen: Wir wollen Interesse am Thema wecken, Denkprozesse anregen und ein Bewusstsein für einen positiven und nachhaltigen Umgang mit der Natur schaffen. Es gibt einfach unendlich viele Möglichkeiten, sich den Themen Nachhaltigkeit und Menschenrechte zu nähern. Unser Haus soll deshalb zum Beispiel auch Ausstellungsfläche solcher künstlerischer, musikalischer, filmischer, literarischer oder anderweitig kreativer Annäherungen sein. Besonders lokalen Künstlern wollen wir dabei eine Plattform bieten.

In Erfurt gibt es ja schon eine ganze Menge Initiativen rund um die Themen Nachhaltigkeit und Menschenrechte. Was ist das Besondere an eurem Projekt bzw. warum braucht es ein Haus der Nachhaltigkeit und Menschenrechte in der Landeshauptstadt?

Stimmt, in Erfurt ist mittlerweile ein großes Netz an Initiativen entstanden, die ihre Stadt nachhaltiger gestalten möchten und sich mit verschiedenen Aktionen dafür einsetzen. Dabei gibt es neben Schwerpunkten im Bereich Umwelt- und Naturschutz, Klimawandel oder Menschenrechte auch immer gemeinsame Ziele, die zu gemeinsamen Projekten anregen. Wir haben nun die Vision, einen Ort in Erfurt zu etablieren, an dem all diese Menschen und Gruppen miteinander an ihren Ideen arbeiten und sie auch umsetzen können. Das Haus erleichtert dabei die regelmäßige Begegnung, ist Aktionsraum und Ort für Veranstaltungen.

Sicher spielt die Nachhaltigkeit da schon bei der Renovierung eine besondere Rolle…

Auf jeden Fall. Wir achten auf einen ressourcenschonenden Umgang mit Materialien und arbeiten vorhandenes Material auf (z.B. Türrahmen, Dielen). Für alles Neue verwenden wir ökologische Baustoffe und Farben (Lehm, Lehmbaublatten, Tadelakt, Lehmfarbe, Hydraulischer Kalk, Dielen oder Linoleum-Belag). Das Energiekonzept wird durch Dämmung, Verwendung eines Deckenventilators, die effektive Nutzung der Heizung (Versetzung der Heizkörper, Verwendung der Rücklaufwärme) und den Einsatz von LEDs verbessert.

All das kostet natürlich Geld – wie stemmt ihr das alles?

Hauptsächlich Eigenleistung. Und darüber hinaus haben wir auf eine Kampagne bei EcoCrowd gesetzt, also darauf, dass wir für knapp 4.000 Euro Förderer finden, die uns für verschiedene Gegenleistungen mit einer Spende unterstützen. Das hat glücklicherweise auch schon geklappt.

Wofür wird das gesammelte Geld genau eingesetzt?

Das Geld aus der ecocrowd-Kampagne ermöglicht den Umbau des Hauses zu ökologisch nachhaltigen Räumen, die die Gesundheit von Mensch und Natur nicht beeinträchtigen. Obwohl wir bisher nur Eigenleistung in die Renovierung stecken, brauchen wir noch immer Mittel für Baumaterial, Werkzeuge, professionelle Unterstützung und die Reparatur gebrauchter Möbel.

Was ist nun der nächste Schritt im Projekt?

Seit einigen Tagen ist das Fachgeschäft für fairen Handel und andere nachhaltige Produkte eröffnet. Montags bis samstags sind wir von 13 bis 18 Uhr im Haus und halten die Tür geöffnet für alle Interessierten. Demnächst gibt es dann auch ein Ladencafé dazu. Außerdem läuft noch bis zum 22. Juli die Foto-Ausstellung „Stadt und Mensch“ der Kuratorin Sylwia Mierzynska und vielen Erfurter Fotografen und Fotografinnen. Am 24. Juli startet mit einer Vernissage dann die nächste Ausstellung von Studierenden der Fachhochschule zusammen mit geflüchteten Kindern, die in Erfurt wohnen. Alle sind herzlich eingeladen, vorbeizukommen!

Hinter dem Projekt steht der Verein Welt(t)raum, was zeichnet denn die Welt(t)äumer aus?

Wir sind Menschen, die erst von einer besonderen Welt träumen und dann Möglichkeiten suchen, die Dinge in der Welt und in den Köpfen zu verrücken. Und wir laden alle ein, mitzumachen. Damit unser Projekt ein kleines bisschen dazu beiträgt, die Welt zu einem schöneren Ort zu machen…