Zum Studium – Literaturwissenschaft und Philosophie – kam er 2005 nach Erfurt. Und blieb. Weil er sich verliebte. In der Unibibliothek in seinen heutigen Ehemann. Aber vor allem in die Stadt Erfurt und ihre Kulturszene. Und überhaupt – die Literatur, das Schreiben, das Leben. Also arbeitete er für Kultur-, Wirtschafts- und Jugendmagazine. Heute ist er freier Autor und hat mit „Niemanns Kinder“ gerade seinen zweiten Roman veröffentlicht. Schöne Geschichte, finden wir. Dürfen wir vorstellen? Unser Alumnus René Müller-Ferchland …
„Ich komme ursprünglich aus Magdeburg und habe mich damals für das Studium an der Uni Erfurt entschieden, weil mich auf Anhieb das Angebot an Vorlesungen und Seminaren überzeugt hat“, sagt René Müller-Ferchland, und gibt zu: „Ich würde das genauso auch wieder tun. Wieder in Erfurt und wieder bei diesen Dozenten.“ Ganz bewusst habe er sich damals dagegen entschieden, Literarisches Schreiben zu studieren, erklärt der heute 36-Jährige. „Ich wollte mich lieber erst einmal wissenschaftlich mit Literatur auseinandersetzen und vor allem ein gewisses Repertoire an Lesarten und Zugängen zu literarischen Texten und Kulturen erwerben. Das hat meinen Horizont unheimlich erweitert und mich sogar eine Promotion planen lassen, zu der es dann aber doch nicht kam. Stattdessen schrieb ich 'Alle Wasser Stein' – meinen ersten Roman, der 2019 veröffentlicht wurde.“ Und so wurde Erfurt Heimat für den jungen Schriftsteller, der heute sagt: „Wir leben sehr gern hier und können uns gar nicht mehr vorstellen, woanders zu sein.“
Wie man sich einen typischen (Arbeits-)Tag im Leben von René Müller-Ferchland vorstellen muss? „Ich stehe früh auf und spaziere durch die Erfurter Altstadt zu meinem Job – ein Halbtagsjob im Büro, bei dem ich mich weniger mit Literatur beschäftige, was ganz gut ist, denn so bleibt mehr Kreativität für das Schreiben übrig.“ Und nach der Mittagspause geht’s dann an die Recherche für neue Texte, ans Lektorat, Meetings mit dem Verlag, der Grafikerin. Kurz: Ab mittags ist René dann Autor – mit allem, was so dazu gehört. „Im Augenblick nehme ich auch an einer Online-Leserunde zu meinem neuen Roman teil und versuche, auf den Social-Media-Kanälen präsent zu sein. Das kreative Schreiben selbst verlagert sich so bei mir eher in den späten Abend.“
Dabei ist das Kreativsein in Zeiten von Corona manchmal gar nicht so einfach. Klar, schreiben kann man auch allein, zu Hause im „Homeoffice“, aber vieles, das früher völlig „normal“ war und eine Menge Input brachte, fällt aktuell aus. Lesungen zum Beispiel. „Gerade wurde meine geplante Lesung auf der Bundesgartenschau abgesagt, was natürlich sehr schade ist. Denn Lesungen sind ein großer und wichtiger Teil meiner Arbeit als Schriftsteller. Ich hoffe einfach nur, dass wir das alles bald überstanden haben“, sagt René Müller-Ferchland, der Ende 2020 in seinem Beitrag „Das benommene Jahr“ für eine Anthologie des Schriftstellerverbands Thüringen ein bisschen davon erzählt, wie die Pandemie sein Schreiben beeinflusst hat.
Aber nun ist er ja da, sein neuer Roman „Niemanns Kinder“ – eine tragische Familiengeschichte, eine Geschichte über die schwierige Suche eines Mädchens nach seinem verschwundenen Vater. Die Idee dazu hatte der Autor nachdem er von einem Verbrechen, das vor etwa 20 Jahren in Frankfurt verübt wurde, gehört hatte. „Die Eindrücke aus dem Recherchematerial haben mich nicht mehr losgelassen“, sagt René Müller-Ferchland. „Aber es hat mehrere Anläufe gebraucht, das Ganze in Worte zu fassen. Ich habe verschiedene Erzählperspektiven und Figurenkonstellationen ausprobiert – dabei hat sich dann mein Studium einmal mehr als Vorteil erwiesen – und irgendwann gelang es mir dann. Es begann eine spannende Reise – auf dem Papier – zu einer sehr besonderen Familie.“
Das Ergebnis ist nun im Erfurter Proof-Verlag erschienen und im Buchhandel erhältlich. „Und hoffentlich bald auch wieder in Lesungen zu erleben“, sagt der Autor, dem das Publikum natürlich, wie vielen anderen Kunstschaffenden, aktuell wahnsinnig fehlt. Deshalb plant er gerade Lesetermine – wenngleich sie vermutlich noch eine ganze Weile digital stattfinden müssen. Wann es soweit ist? „Folgt mir einfach in den Sozialen Medien“, empfiehlt René Müller-Ferchland. „Dort gebe ich den Termin rechtzeitig bekannt. Ich freue mich schon.“
René Müller-Ferchland
Niemanns Kinder
Proof Verlag Erfurt 2021
ISBN 978-3-949178-11-5
176 Seiten
14,90 Euro