Zahlenmann mit Erfindergeist

Ausgezeichnet , Engagement , Zwischen Mensa und Hörsaal
Tobias Kellner

Als Doktorand an der Professur für Ökonometrie an der Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Erfurt interessieren ihn effiziente Finanzmärkte. Aber irgendwie hat er auch ein Faible für das Wetter – wenngleich das thematisch doch ein Stück entfernt ist. Hinter beidem allerdings steckt Statistik und irgendwie auch Programmierung. Und dafür hat Tobias Kellner jetzt den Sonderpreis der Kategorie Open-Source-Lösungen beim Digital- und Open-Source-Preis 2021 gewonnen. Genauer gesagt für eine Web-App, die – für jedermann zugänglich – Daten zur aktuellen Klimadebatte veranschaulichen soll. Also schauen wir uns das einfach mal genauer an…

Bereits zum dritten Mal wurde in diesen Tagen zum Abschluss des Thüringer Digitalfestivals der Digital- und Open-Source-Preises Thüringen 2021 verliehen. Er prämiert innovative digitale Geschäftsmodelle, digitale Produkte und Open-Source-Lösungen. „In unserer Digitalstrategie haben wir eine klare Vision für ein digitales Thüringen formuliert. Mit dem Digital- und Open-Source-Preis möchten wir Projekte von Menschen und Institutionen in Thüringen würdigen, die mit digitalen Lösungen einen Mehrwert schaffen“, betonte Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee anlässlich der Verleihung.

Screenshot der Wetter-App

Eine dieser Lösungen hat nun Tobias Kellner geliefert. Mit dem Prototypen für besagte Wetter-App, die historische Klima- und Wetterdaten des Deutschen Wetterdienstes bis zu 240 Jahre in die Vergangenheit visualisiert. Sie bildet damit eine Schnittstelle zwischen historischen Wetterdaten mehrerer Jahrhunderte und moderner Datenwissenschaft. Dafür werden Daten des Deutschen Wetterdienstes (DWD) aufbereitet und visualisiert.

Nutzer können mit der Web-App Klimadaten von zunächst 60 Wetterstationen auf verschiedenen Ebenen abrufen. Später sollen es noch mehr werden. Dargestellt werden z.B. Jahresdurchschnittswerte der Temperatur, der Schneehöhe, der Niederschlagsmenge und der Sonnenscheindauer über alle verfügbaren Jahre. Auch monatliche Durchschnittswerte sind abrufbar. In einem weiteren Schritt kann man sich anzeigen lassen, wie das Wetter wann und an welcher Messstation war. Außerdem lassen sich die Klimaverläufe mehrerer Jahre miteinander vergleichen und Klimarekorde zeigen. „Und einen Überblick über alle verfügbaren Wetterstationen gibt’s natürlich auch. Aber am besten die Web-App einfach mal selbst ausprobieren“, empfiehlt Tobias Kellner.

„Als Doktorand der Ökonometrie arbeite ich den ganzen Tag mit Zahlen, meist mit Zeitreihendaten“, erläutert Kellner. „Und Wetterdaten sind von der Struktur genauso aufgebaut wie die Wirtschaftsdaten, mit denen ich den ganzen Tag rechne. Deshalb ist mir auch die Arbeit mit den Wetterdaten ziemlich leichtgefallen. Für die Programmiersprache ‚R‘, die ich zu Beginn meiner Promotion lernen musste, gibt es ein Erweiterungspaket für die Daten des Deutschen Wetterdienstes. So war es sehr einfach möglich, diese Wetterdaten herunterzuladen, zu bearbeiten, auszuwerten und zu visualisieren.“

Die Debatten um den weltweiten Klimawandel verfolgt der Absolvent der Staatswissenschaften an der Uni Erfurt schon lange. „Meine Idee war es anfangs, selber zu recherchieren, wie sich das Wetter in den vergangenen Jahrhunderten entwickelt hat. Denn die aktuellen Debatten habe ich zum Teil als sehr verzerrt wahrgenommen. Meine Intention war es deshalb, eine solide empirische Grundlage zum Thema Klima anzubieten. Eigentlich wollte ich zuerst nur eine Grafik über den Temperaturverlauf erstellen. Mit der Zeit kamen aus persönlichem Interesse heraus immer mehr statistische Auswertungen hinzu. Tja, und am Ende ist eine interaktive Klima-Web-App entstanden.“

Was eigentlich sein persönliches Lieblingswetter ist, fragen wir ihn – ist er eher der Sommertyp oder darfs auch mal klirrend kalt sein? Oder sammelt er sogar, wie manche Meteorologen, große Hagelkörner in seinem Eisschrank? „Nein, das nicht“, lacht Tobias Kellner. Und so etwas wie ein persönliches Lieblingswetter habe er auch nicht. „Ein paar heiße Tage im Jahr sind gut. Aber da ich viel Sport im Freien mache, fühle ich mich bei kühleren Temperaturen eigentlich am wohlsten. Im Winter auch sehr gerne bei Schnee.“

Dass Tobias Kellner nun schon einen ersten Preis für seine Web-App bekommen hast, ist dabei eher einem Zufall zu verdanken. Im Internet sei er auf den "Thüringer Digital- und Open-Source-Preis" aufmerksam geworden, berichtet er. „Als die Bewerbung im Mai startete, wollte ich es einfach probieren. Zu diesem Zeitpunkt bin ich allerdings nicht davon ausgegangen, dass ich am Ende für meine Entwicklung prämiert werde.“ Nur gut, dass er damals mit der Entwicklung seiner App schon so gut wie fertig war. „Sonst hätte ich meine Idee womöglich gar nicht rechtzeitig einreichen können und diese Chance verpasst.“

Die nächste Chance steht übrigens schon unmittelbar bevor. Zusammen mit Alexander Maxa und Alexander Beyer stellt Tobias Kellner am Donnerstag, 1. Juli 2021, beim Gründungsideenwettbewerb der Uni Erfurt ein weiteres Projekt vor: Mit „PantaRhei“, ihrer gemeinsamen Gründungsidee, wollen sie regionale kleine und mittelständische Unternehmen auf Grundlage empirischer Datenanalyse beraten und bei Projekten und Fragestellungen im Bereich der Data Science sowie der Künstlichen Intelligenz unterstützen. Daten bleiben also noch eine ganze Weile „sein Ding“…