Ein Meilenstein der Kirchengeschichte
Im Jahr 2025 jährt sich ein Ereignis von welt- und kirchengeschichtlicher Bedeutung zum 1700. Mal: Das Konzil von Nicäa, das erste Ökumenische Konzil der Christenheit im Jahr 325 n. Chr., feiert Jubiläum.
Bei einem Konzil (von lateinisch ‚concilium‘; deutsch ‚Versammlung‘, ‚Zusammenkunft‘) kommen Bischöfe zur Beratung zusammen. Wenn sie zumindest theoretisch die gesamte Welt repräsentieren, zudem über Fragen sprechen, die die ganze Kirche betreffen, und diese Entscheidungen kirchlich rezipiert werden, nennt man eine solche Versammlung ökumenisch (von altgriechisch oikoumene; deutsch ‚die ganze bewohnte Erde‘).
Von Mai/Juni bis Ende Juli 325 versammelten sich rund 300 Bischöfe in der Sommerresidenz des römischen Kaisers in Nicäa, dem heutigen İznik in der Türkei, etwa 85 Kilometer Luftlinie von Konstantinopel entfernt. Für Reisende aus dem Westen, so der Kaiser in einem Schreiben, sei dieser Ort leicht erreichbar, es herrsche ein angenehmes Klima und er könne persönlich anwesend sein. Ziel war es, zentrale Fragen des christlichen Glaubens zu klären.
Dieses Jubiläum ist nicht nur ein Anlass, in die Geschichte zurückzublicken, sondern auch ein Moment, um die Relevanz und die Auswirkungen dieses Konzils zu reflektieren.
Eine Versammlung mit zwei Hauptzielen
Das Konzil von Nicäa ist das erste von insgesamt sieben christlich allgemein anerkannten ökumenischen Konzilien, die zwischen dem 4. und 8. Jahrhundert stattfanden und die Glaubensgrundlagen definierten. Diese Versammlung hatte zwei Hauptziele: Einerseits setzte sie sich mit der Gottheit Jesu Christi auseinander, die der in Alexandria am Nildelta lebende Priester Arius ablehnte. Andererseits beschäftigte sie sich mit der Frage des Osterdatums, da verschiedene christliche Gemeinschaften die Auferstehung Jesu Christi an unterschiedlichen Terminen feierten. Außerdem traf das Konzil weitere Festlegungen.
Zu Beginn des 4. Jahrhunderts war das Christentum in den verschiedenen Provinzen des Römischen Reiches längst keine Randerscheinung mehr, sondern ein wachsender Bestandteil des gesellschaftlichen und politischen Lebens. Gleichzeitig gab es tiefgreifende theologische Auseinandersetzungen, die die Einheit der Kirche bedrohten.
Auf Einladung des römischen Kaisers
Einberufen wurde das Konzil von Nicäa vom römischen Kaiser Konstantin, der bis zum Jahr 337 regierte und die Streitigkeiten innerhalb der Kirche beenden wollte. Mit ihm wird das Christentum nicht nur tolerierte Religion im Römischen Reich, sondern voll anerkannt und gefördert.
Wieso befasste sich der Kaiser mit Konflikten innerhalb der Kirche, obwohl er sich durchaus auch mit Usurpatoren oder äußeren Feinden konfrontiert sah? Er wollte für inneren Frieden sorgen, der in einigen Gegenden des Reiches gefährdet war. In Alexandria, wo die Strömungen besonders intensiv aufeinandertrafen, kam es auch zu Ausschreitungen. Konstantin, der durch seinen Sieg über den oströmischen Kaiser Licinius im Jahr 324 das Reich gerade ‚befriedet‘ hatte und Kaiser des gesamten Römischen Reiches geworden war, wollte solche Auseinandersetzungen unbedingt vermeiden. Vermutlich lag ihm außerdem daran, die neu gewonnene Reichseinheit durch ein Konzil zu verdeutlichen; es endete mit einer Feier der Vicennalien, dem zwanzigsten Jahrestag seiner Thronbesteigung.
Das Glaubensbekenntnis von Nicäa
Eine christliche Grundfrage betrifft das Verhältnis von Jesus Christus, dem Sohn Gottes, zu Gott-Vater – anders formuliert: die Vereinbarkeit des Glaubens an den einen Gott (Monotheismus) mit der christlichen Rede von Vater, Sohn und Heiligem Geist (Dreifaltigkeit). Als Antwort formulierte das Konzil von Nicäa ein christliches Glaubensbekenntnis. Die versammelten Bischöfe verurteilten Arius und dessen Lehre, die die Gottheit Christi in Frage stellte. Demgegenüber bestätigten sie, dass der Sohn Gottes „wahrer Gott“ und „eines Wesens mit dem Vater“ sei.
Auch wenn in den auf das Konzil folgenden Jahrzehnten weitere Kontroversen über diese Fragen ausgetragen wurden, förderte die theologische Klarstellung von Nicäa auf Dauer die Einheit des Christentums und schuf ein Fundament für den Glauben an die Gottheit Christi. Die Anschauung des Arius konnte sich nicht durchsetzen. Die Lehre von der Dreifaltigkeit hingegen – Gott als Vater, Sohn und Heiliger Geist – und das nicänische Glaubensbekenntnis insgesamt sind weltweit für die meisten christlichen Gemeinschaften bis heute grundlegend.
Ein einheitlicher Ostertermin
Ein weiteres wichtiges Thema des Konzils von Nicäa war die Frage eines einheitlichen Datums für das Osterfest. Auch diesbezüglich wollte der Kaiser Einheit erreichen, weil es ihm unerträglich erschien, dass die Christen dieses zentrale Fest nicht gemeinsam feierten. In der Lebensbeschreibung des Eusebius über Konstantin heißt es, dass ein noch vor Ostern stehender Teil der Gläubigen „sich mit Fasten und Entbehrungen plagte, während die anderen ihre Zeit bereits der festlichen Entspannung widmeten“ (Vita Constantini 3,5,2); sie hatten Ostern schon erreicht. Eine solche Situation machte in den Augen Konstantins einen Bruch innerhalb der Kirche öffentlich sichtbar.
Die Bischöfe konnten sich in Nicäa wohl auf keine verbindliche Rechtssetzung bezüglich des Osterfestes verständigen, zumindest nicht für dessen Berechnung. Vielleicht wurde eine Art Empfehlung zugunsten des in Alexandria errechneten Ostertermins und des dortigen Berechnungsweges ausgesprochen. In der Folgezeit des Konzils verschwindet die Osterfeier am Termin des jüdischen Passafestes, dem 14. Nisan, somit die quartadezimanische Festtradition. Wer an diesen Terminen Ostern gefeiert hatte, soll – so vermutlich eine Weisung von Nicäa – zukünftig das Osterfest in Übereinstimmung mit Rom und Alexandria begehen.
Die heutigen Differenzen christlicher Osterfesttermine haben dagegen einen anderen Grund, nämlich die Einführung des gregorianischen Kalenders im Jahr 1582, die von verschiedenen östlichen Konfessionen nicht mitvollzogen wurde. Gleichwohl kommen die unterschiedlichen Berechnungen gerade im Jubiläumsjahr 2025 weltweit zu einem gemeinsamen Osterdatum.
Das Jubiläumsjahr 2025
Das Konzil von Nicäa, sein Glaubensbekenntnis und insbesondere die Festlegungen bezüglich der göttlichen Dreifaltigkeit sind für die gesamte Christenheit weltweit bedeutsam. Die Beschlüsse von Nicäa werden von allen christlichen Konfessionen anerkannt, wenn auch teils auf unterschiedliche Weise.
Das 1700-jährige Jubiläum des Konzils von Nicäa im Jahr 2025 bietet zudem Anlass, sich mit einem deutlichen Einschnitt der frühen Kirchengeschichte auseinanderzusetzen.
Mit Kaiser Konstantin und dessen Wende zum Christentum markiert es den Beginn einer neuen Ära. Die enger werdenden Verbindungen zwischen der Kirche und dem römischen Staat in der Zeit dieses Kaisers prägten die Geschichte des Christentums bis in die Neuzeit.
Das Jubiläum erinnert somit daran, dass die Herausforderungen und Fragen, denen sich das Konzil von Nicäa stellte, sowie die Antworten, die es darauf gegeben hat, auch heute Relevanz besitzen und dass der Weg der Kirche als weltweite Institution nach wie vor durch diese frühen Weichenstellungen geprägt ist.
Notker Baumann ist Professor für Alte Kirchengeschichte, Patrologie und Christliche Archäologie an unserer Fakultät. Mehr Informationen zu seiner Forschung finden Sie auf der Seite der Professur.