Dieser Text wurde aus der Ausgabe des “Nederlands Dagblad” vom 13. Mai 2025 übernommen und aus dem Niederländischen übersetzt. Den Original-Artikel von Hendro Munsterman finden Sie hier: https://www.nd.nl/geloof/katholiek/1268192/theologe-myriam-wijlens-er-is-alle-reden-om-samen-met-leo-xiv
Rom - Melbourne
„Ich lag schon im Bett, als ich eine Benachrichtigung über den weißen Rauch erhielt", sagt die aus Twente (Niederlande) stammende Professorin Myriam Wijlens, die in Erfurt lehrt. Sie war einen Tag zuvor in Australien angekommen und versuchte, sich vom Jetlag zu erholen. „Hier war es zwei Uhr morgens, aber da wollte ich natürlich nicht mehr schlafen.“
Was ist Ihr erster Eindruck vom neuen Papst?
Ich denke wirklich, dass dies eine sehr interessante und spannende Wahl ist. Er bringt die Erfahrung der Ortskirche und seine bewusste Entscheidung für die Armen dank seiner Missionsarbeit in Peru mit. Aber er kennt auch die Weltkirche, da er Generaloberer des Augustinerordens war und somit auch den säkularisierten Westen. Er kennt Rom und den Vatikan, weil er anderthalb Jahre lang ein Dikasterium, eine vatikanische Abteilung, geleitet hat. Und er hat Charisma. Das hat nicht jeder Bischof.
Aber jeder dachte: Er ist ein sehr bescheidener Mann. Worin besteht dann das Charisma?
Vielleicht ist es gerade in dieser Bescheidenheit begründet. Und inzwischen kann er sich auch darüber hinausgehen - das passiert manchmal, wenn jemand eine neue Aufgabe erhält. Ich glaube, das hat er schon am ersten Abend und in den anschließenden Reden getan.
Sein erster Auftritt auf dem Balkon hat mich beeindruckt. Denn in einer Zeit, in der es so viel Krieg auf der Welt gibt, spricht er auf so eindringliche Weise über Frieden. Ich glaube auch, dass es so viele Konflikte gibt, weil die Menschen selbst unzufrieden sind. In Ländern, in denen es keinen Krieg gibt, entstehen bestimmte politische Parteien, die aus dieser Unzufriedenheit Kapital schlagen. Die Frage ist, wie man diesen Frieden wiederherstellen kann; ich fand es sehr hoffnungsvoll, wie Leo XIV. sich positioniert hat.
Wie gut kennen Sie den neuen Papst?
Wir haben beide an der zweimal vierwöchigen Bischofssynode im Oktober 2023 und Oktober 2024 teilgenommen. Dann trifft man sich natürlich regelmäßig, zum Beispiel beim Kaffee.
Ich habe von anderen Teilnehmer*nnen gehört, dass er bei den Diskussionen am runden Tisch sehr gut zugehört hat und sehr darauf geachtet hat, dass jede Person zu Wort kommen konnte. Er ist ein ruhiger Mensch und seine Bereitschaft zuzuhören ist Teil seines Charismas.
Während der Synode hielten wir beide auch einen Vortrag bei einem theologischen Forum. Danach haben wir uns im Vatikan auch gemeinsam vor die Presse gestellt. Außerdem kenne ich ihn aus Gesprächen im Rahmen der von Papst Franziskus eingerichteten Studiengruppen. Diese sind aus der Synode hervorgegangen, und ich gehöre zu zwei von ihnen.
Was können wir aus dem ableiten, was er damals beigetragen hat?
Während des theologischen Forums betonte Kardinal Prevost, dass die Vielfalt für die Einheit der Kirche wichtig sei. Er erklärte, dass man nicht überall auf der Welt alles auf die gleiche Weise machen kann.
Auf der Pressekonferenz zum Verlauf der Synode wies er auch deutlich darauf hin, dass im Verfahren zur Ernennung von Bischöfen eine größere Vielfalt von Katholiken einbezogen werden sollte. Nicht nur Kleriker, sondern auch Laien sollten befragt werden. Dafür hat er sich sehr stark eingesetzt.
Bedeutet das auch eine größere Rolle für Frauen?
Zweifelsohne. Bereits im Jahr 2022 hat Papst Franziskus drei Frauen als Mitglieder in sein Dikasterium, das auch für die Ernennung von Bischöfen zuständig ist, berufen. Diese Frauen sind an allen wichtigen Entscheidungen über die Ernennung von Bischöfen beteiligt.
Außerdem: In allen Gesprächen, die ich mit ihm führte, hatte ich immer das Gefühl, dass meine Kompetenz von ihm anerkannt wurde. Dass ich eine Frau war, spielte keine Rolle: Er wollte wissen, wie ich das eine oder andere sehe. Im Vatikan und anderswo in der Kirche gibt es immer noch manchmal Geistliche, die zwar formal freundlich sind, aber einem als Laiin und Frau nicht wirklich vertrauen. Bei ihm hatte ich nie dieses Gefühl.
Kennt er als Amerikaner, der in Peru gearbeitet hat, die Weltkirche?
Während seiner Zeit bei den Augustinern lernte er die Komplexität der ganzen Welt kennen. Als Generaloberer besuchte Prevost Augustinergemeinschaften in der ganzen Welt. Er konnte Erfahrungen in vielen verschiedenen Kontexten machen und auch die unterschiedlichen Beziehungen zwischen Kirche und Gesellschaft beobachten. Die Einheit der Augustiner besteht dank eines kontextabhängigen Ansatzes. Die Augustiner in den Niederlanden gehen anders vor als die in Peru oder Deutschland, wo übrigens Martin Luther im Augustinerorden in Erfurt war. Martin Luther hat in demselben Hörsaal gelehrt, in dem ich jetzt lese. Es gibt allen Grund, als Pilger der Hoffnung mit diesem Papst auf den Weg zu machen.
Prof. Dr. Myriam Wijlens ist Professorin für Kirchenrecht an unserer Fakultät. Mehr über ihre Forschung und Biographie können Sie auf der Website der Professur nachlesen.