Gottes starke Töchter

Forschung & Wissenschaft
Gottes starke Töchter
Coverbild des Heftes "Gottes starke Töchter"

Gottes starke Töchter“ – unter dieser Überschrift kamen am 18. und 19. September 2023 bis zu 600 Katholik:innen aus aller Welt zusammen, etwa 100 davon live in der Propstei St. Trinitatis in Leipzig, die anderen digital zugeschaltet. Aus 18 Ländern und fünf Kontinenten waren rund 30 Referent:innen, darunter viele Ordensfrauen und Theologie-Professorinnen, angereist: Women theologians‘ power at its best!

Wenige Monate nach diesem Kongress sind nun in der Reihe Herder Thema die Stimmen, die in Leipzig zu hören waren, und weitere Beiträge starker Töchter Gottes auf Deutsch und Englisch zugänglich. 36 Frauen und drei Männer aus insgesamt 22 Ländern der ganzen Welt informieren in diesem Heft über die Situation der Frauen in den Ländern der Weltkirche. Sie berichten über ihre Erfahrungen der Weltsynode 2023–2024. Sie reflektieren Geschlechtergerechtigkeit als unerledigte Aufgabe der katholischen Kirche. Sie formulieren die Konsequenz daraus: die Öffnung aller sakramentalen Ämter für Frauen.

In allen vier Rubriken – Länderberichte, Weltsynode, Geschlechtergerechtigkeit, Frauenordination – machen sie deutlich: Die „Frauenfrage“ wird in der ganzen katholischen Welt gestellt. Die traditionelle katholische Verbindung von Macht, Weihe und männlichem Geschlecht wird weltweit infrage gestellt. Fehlende Geschlechtergerechtigkeit wird überall in der Kirche als Problem wahrgenommen. Es ist kein neokoloniales Programm, kein Luxusproblem westlicher Gesellschaften, die volle Gleichstellung aller Menschen in Kirche und Gesellschaft zu fordern. Es ist die Quintessenz der biblischen Botschaft:

Gott schuf alle Menschen, Frauen wie Männer, nach seinem Ebenbild, heißt es im ersten Kapitel der Genesis (Gen 1,27). Männliche Dominanz wird wenig später als Folge der Sünde interpretiert (Gen 3,16); das Patriarchat ist demzufolge schöpfungswidrig. Hierarchien aufgrund von Herkunft, Stand und Geschlecht, die antike, aber auch noch moderne Gesellschaften prägen, sollen unter Christinnen und Christen keine Geltung mehr haben, fordert der Apostel Paulus. „Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht männlich und weiblich; denn ihr alle seid einer in Christus Jesus“ (Gal 3,28). Und: Unter Christ:innen soll die Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes aufstrahlen (Röm 8,21).

Für Geschlechtergerechtigkeit in Kirche und Gesellschaft einzutreten ist daher keine Anpassung an irgendeinen „Zeitgeist“. Für Geschlechtergerechtigkeit in Kirche und Gesellschaft einzutreten heißt, die gottgeschenkte Würde aller Menschen zu verteidigen.

Es bedeutet, für ein humanes Gut einzustehen, wo immer es gefährdet ist. Auch innerhalb der eigenen Tradition. Auch gegenüber kirchlichen Autoritäten.

Es ist ja wirklich dramatisch: Wie viel Gutes für die Frauen in der ganzen Welt könnte die katholische Kirche als global player bewirken, träte sie auf dieser Grundlage vorbehaltlos und kraftvoll, kohärent und konsistent für eine geschlechtergerechte Welt ein? Doch dadurch, dass sie es nicht tut, diese befreiende Botschaft vielmehr durch misogyne Lehren und Strukturen im eigenen Kontext konterkariert, ist sie selbst ein Ort der Ungerechtigkeit.

Geschlechtergerechtigkeit muss deshalb auch auf die Tagesordnung der aktuellen weltsynodalen Debatten. Doch die römische Diskurspolitik läuft dem klar entgegen: Je höher die kirchliche Ebene, desto geringer ist katholisch die Bereitschaft, Frauen in der Kirche Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.

Das ist am bisherigen Verlauf der Weltsynode 2021–2024 „Für eine synodale Kirche. Gemeinschaft – Teilhabe – Sendung“ gut zu beobachten. [1]

Am Beginn, als die Gläubigen befragt wurden, war die „Frauenfrage“ überall Thema. Auch in den kontinentalen Versammlungen im Frühjahr 2023 kam sie prominent vor. Auf allen Kontinenten wurde die strukturelle Minderstellung der Frauen in der katholischen Kirche benannt und beklagt. Die Dokumente aus Lateinamerika und Ozeanien, Europa und Nordamerika thematisierten darüber hinaus explizit den Ausschluss der Frauen von den sakramentalen Ämtern.

Doch auf dem Weg zur der ersten Sitzung der Weltsynode im Oktober 2023 in Rom blieb von diesen Stimmen der Weltkirche nicht mehr viel übrig. Denkbar harmlos regte das Instrumentum Laboris die Synodal:innen lediglich an, darüber nachzudenken, wie „die Kirche unserer Zeit ihre Sendung durch eine stärkere Anerkennung der Taufwürde von Frauen fördern“ (B 2.3) könne. Von ihrer Gleichstellung im Zugang zum sakramentalen Amt sollte also gar nicht erst gesprochen werden.

Es kam anders: Die Öffnung aller Ämter für Frauen war nach Auskunft von Synodal:innen in vielen Gesprächen und Beratungen dieser vorletzten römischen Etappe der Weltsynode Thema. Aber im Synthesepapier ist von dieser Dynamik wieder nicht mehr viel zu lesen. Da wird lediglich benannt, dass es einen Dissens über die Frage nach der Öffnung des Diakonates für Frauen gebe und man die Beratungen darüber fortsetzen müsse. Als ob es an Argumenten und nicht am politischen Willen fehlte, die misogyne Tradition der katholischen Kirche ein für alle Mal zu überwinden! Es ist sogar fraglich, ob es (wenigstens) der Frauendiakonat in die letzte Versammlung der Weltsynode im Oktober 2024 schafft. Denn es obliegt dem Papst, darüber zu befinden, welche Themen wichtig genug sind, um weltkirchlich beraten zu werden.

Man sieht daran: Was Frauen sind, sollen und dürfen, definieren in der katholischen Kirche auch im 21. Jahrhundert noch leitende Kleriker. Lehre, Leitung und Liturgie: das ist in der katholischen Kirche immer noch Männersache.

Die Forderung nach Geschlechtergerechtigkeit ist katholisch immer noch ein Tabu. Doch das ist theologisch nicht haltbar, institutionell anachronistisch und spirituell eine Zumutung.

Die Autor:innen des Heftes „Gottes starke Töchter“ zeigen, dass und wie es anders gehen könnte. Sie tun dies theologisch fundiert, pastoral erfahren und spirituell vertieft. Viele der Autor:innen sind Dozentinnen an theologischen Institutionen. Etliche haben verantwortliche Positionen in Kirche oder Politik inne. Einige sind Expertinnen oder Delegierte der Weltsynode.

Als solche sind sie selbst schon Teil einer besseren Antwort auf die Zukunftsfrage der katholischen Kirche nach einer gerechten Beteiligung von Frauen auf allen Ebenen. Aber sie sind in dieser Rolle erst Vorreiterinnen; sie repräsentieren noch lange keine kirchliche Normalität. Umso bedeutsamer ist es, dass sie in ihren Texten die Stimmen der Katholikinnen ihres Landes, ihres Ordens oder ihres Netzwerkes zu Gehör bringen. Dass sie Ergebnisse von internationalen Umfragen und Studien vortragen. Dass sie im Namen vieler Frauen sprechen: aus Afrika und Europa, Asien und Ozeanien, Nord- und Südamerika, aus aller Welt und zugunsten der ganzen Kirche.

[1] Vgl. dazu: Julia Knop, Harmonische Ergänzung statt Gleichberechtigung. Die Weltsynode und die Frauenfrage, in: Herder Korrespondenz 77 (9/2023) 13–15.

Gottes starke Töchter: eine neue Publikation in der Reihe Herder Thema, ab sofort kostenfrei (e-pub) auf Deutsch und Englisch hier erhältlich: 

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