Über einen dichtenden Kirchenvater und die Lebendigkeit "toter" Sprachen: Ein Interview mit Jens Gehri

Personalia
Die Villa Martin der Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Erfurt im Frühjahr

Jens Gehri ist seit August 2023 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur für für Alte Kirchengeschichte, Patrologie und Christliche Archäologie. In seinem Dissertationsprojekt beschäftigt er sich mit den Dogmatischen Gedichten des Gregor von Nazianz. Wir haben den mit ihm über seine Forschung und die unterschätzte Lebendigkeit von "toten" Sprachen gesprochen. 

Jens Marius Gehri

Lieber Herr Gehri, Sie haben in Kiel griechische und lateinische Philologie studiert. Wie sind Sie von der Philologie zur Kirchengeschichte gekommen?

Die Alte Kirchengeschichte und Patrologie waren schon vor meinem Studium und während desselben von großem Interesse für mich. Ich habe mich ausgiebig mit zahleichen Werken mehrerer Kirchenväter beschäftigt und diese Leidenschaft hat sich auch während meines Studiums erhalten und gefestigt.

Es besteht meiner Ansicht nach eine sehr enge Beziehung zwischen der Patristik und der Klassischen Philologie: Man geht bei beidem sozusagen „an die Quelle“. Die beiden Disziplinen ergänzen sich vortrefflich und stellen einen großen Gewinn für die jeweils andere dar. Das Studium der Alten Sprachen hat mir dabei geholfen, noch tiefer in die Schriften der Kirchenväter einzudringen. Und die Arbeit mit diesen Schriften begeistert mich wiederum für eine noch intensivere philologische Auseinandersetzung mit alten Texten.

In Ihrem Dissertationsprojekt beschäftigen Sie sich mit den Carmina dogmatica von Gregor von Nazianz. Können Sie ein bisschen mehr darüber erzählen, was diese „dogmatischen Gedichte“ so besonders macht?

Das Besondere an den „Dogmatischen Gedichten“ liegt zum einen in dem Autor selbst: Gregor von Nazianz gilt als einer der bedeutendsten Kirchenväter und war sowohl ein exzellenter Redner und Schriftsteller als auch ein herausragender Bischof seiner Zeit. Als (treu-nizänischer) „Außenseiterbischof“ hatte er es während der Arianismuskrise nicht immer leicht, aber seine erhaltenen Werke zeugen von der Festigkeit des Charakters und Glaubens Gregors. Dafür sprechen nicht zuletzt die großen Menschenmengen, die seine Reden anzogen und überzeugten.

Dass der Nazianzener allerdings nicht nur ein großer Redner und Theologe war, sondern auch ein hervorragender Dichter, ist heute zu großen Teilen unbekannt; und dies, obwohl Gregor es mit den Gedichten geschafft hat, zentrale christliche Themen und Dogmen auf eine bis dahin nahezu unbekannte Weise attraktiv zu vermitteln.

Er selbst bekennt in einem Carmen, dass einer seiner Beweggründe für das Verfassen von Gedichten darin bestand, die Jugend für den Glauben zu begeistern. Dieser war bislang nahezu ausnahmslos in Prosa oder katechetisch vermittelt worden und Dichtung hatte meistens einen „unchristlichen Beigeschmack“ gehabt.

38 der 185 überlieferten Gedichte des Theologen werden zu den „Dogmatischen Gedichten“ gezählt. In ihnen begründet und verteidigt Gregor christliche Grundwahrheiten wie unter anderen die Dreifaltigkeit Gottes, die Gottheit Christi und die Menschwerdung desselben, erzählt biblische Begebenheiten nach und verfasst verschiedene Gebete und Hymnen; dies alles in poetischer Form. Die Gedichte bringen meist in kurzer, aber prägnanter Weise zentrale theologische und biblische Botschaften kunstvoll und zugleich leicht verständlich zum Ausdruck. Dies alles sind Aspekte, die mir meine Arbeit an und mit den Texten Gregors zu einer Freude machen.

 

Studieninteressierte fragen häufig etwas besorgt nach den alten Sprachen im Theologiestudium, weil diese leider den Ruf haben schwierig und etwas trocken zu sein. Was begeistert Sie an der Arbeit mit diesen Sprachen ganz besonders?

Von außen betrachtet wirken die alten Sprachen wie ein großer Steinbruch ohne geeignetes Werkzeug. Wenn man sich aber erst einmal etwas „vorgearbeitet“ hat, kann man ermessen, wie tiefgehend und reichhaltig diese Sprachen sind. Dies liegt unter anderem an ihrer Vielfalt: Die alten Sprachen vermögen es oft, Dinge auf so präzise Art auszudrücken, wie es modernen Sprachen nicht möglich ist.

Dazu kommt die bildhafte Ausdrucksweise, die in den „toten“ Sprachen lebendiger erscheint als in den „lebenden“. Wer mit zweisprachigen Ausgaben antiker Klassiker vertraut ist, kennt die Schwierigkeiten modernen Übersetzens.

Als letzten Punkt möchte ich die „Vertrautheit“, die man gegenüber vergangenen Zeiten und Generationen gewinnt, anführen. Historische Texte und Begebenheiten zu verstehen, ist nur möglich, wenn man sich gewissermaßen in dem entsprechenden Umfeld „bewegt“. Dazu ist es unerlässlich, mit der entsprechenden Sprache vertraut zu sein.

 

Sie kommen aus Baden-Baden, haben im hohen Norden studiert und sind jetzt hier in Erfurt. Wie gefällt es Ihnen bisher?

Mir gefällt es sehr gut hier in Erfurt. Die wunderschöne Altstadt mit all den Kirchen und historischen Gebäuden macht es einem leicht, sich wohlzufühlen. Auch die Region konnte ich bereits durch Radtouren und Wanderungen erkunden. So hat es mir zum Beispiel der Thüringer Wald besonders angetan. Schließlich habe ich, was die Freundlichkeit der Menschen betrifft – ein wichtiger Faktor – bisher sehr positive Erfahrungen gemacht.

Mehr Informationen zur Person und über die Forschung von Jens Gehri finden Sie auf der Seite der Professur für Professur für Alte Kirchengeschichte, Patrologie und Christliche Archäologie.

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