Zähne zusammenbeißen und sich auch mal hinten anstellen

Alumni
Alumni: Robert studierte Rechtswissenschaft und Sozialwissenschaften an der Uni Erfurt.

Vom studentischen Campus Spezialisten in die Luft- und Raumfahrt. Ganz so direkt und gradlinig war der Weg unseres Alumnus Robert nicht. Wir haben mit ihm über das Studium der Staatswissenschaften an der Uni Erfurt, übers "Rosinenpicken" und "Zähne zusammen beißen" sowie seinen Weg in seine Leidenschaftsbranche gesprochen.

Wie bist du damals auf Erfurt und die Universität aufmerksam geworden?

Das weiß ich gar nicht mehr ganz so genau. Ich hatte mich auf jeden Fall so ausgiebig informiert und weiß, dass die Uni Erfurt zu dem Zeitpunkt mit dem staatswissenschaftlichen, interdisziplinären Studium ziemlich einzigartig in Deutschland war. Ich hatte einige Studienplatz-Zusagen, aber ein Besuch in Erfurt hat mich dann überzeugt.

Würdest du dich wieder für die Uni Erfurt entscheiden? Und wenn ja, warum?

Wie gesagt, die Stadt hat auf mich damals einen extrem positiven Eindruck gemacht und den dann auch in der Studienzeit bestätigt. Ich habe so gerne in Erfurt gewohnt und denke da bis heute an die Zeit zurück.

Dass die Uni ziemlich „familiär“ war, nur den einen Hauptcampus hatte – das fand ich schon schön. Mir fehlt ein bisschen der Vergleich, wie es an anderen Unis – zumindest in Deutschland – läuft, aber man kannte eigentlich schon alle Mitarbeiter, Profs in der Fakultät. Ich glaube nicht, dass das so normal ist.

Wie hat dich die Universität auf das Berufsleben vorbereitet und welche Studieninhalte kannst du jetzt im Beruf anwenden?

Hmh, schwer zu sagen. Ehrlicherweise am wenigsten „inhaltlich“. Ich habe nun seit Jahren nichts mehr mit Aristoteles oder dem Versammlungsrecht zu tun. Was ich wirklich gelernt habe, sind eher die Soft Skills, z.B. wissenschaftliches Arbeiten: Wie sammle/recherchiere ich Informationen, wie wäge ich ihre Wertigkeit ab, wie kann ich sie konsolidieren/zusammenbringen? Oder auch Selbstmanagement: Was muss noch gemacht werden? Und manchmal eben auch: Wo erreiche ich jetzt vielleicht 80 Prozent des Ziels, aber dafür mit minimalem Aufwand?

Hast du einen besonderen Tipp zum Berufseinstieg für unsere zukünftigen Absolventen?

Aller Anfang ist schwer oder nochmal fünf Euro ins Phrasenschwein: Jeder fängt mal klein an. Ich bin noch nicht so alt (30), aber stelle fest, dass es den jüngeren Jahrgängen immer mehr an Resilienz/Widerstandsfähigkeit fehlt. Ja, jeder musste am Anfang seiner Karriere Excel-Tabellen bearbeiten und Verteiler aufbauen. Aber den Schritt wollen heute viele überspringen und direkt 60k brutto und einen Dienstwagen haben. Und wenn es das nicht gibt, dann doch bitte zusätzlich drei Wochen Yoga-Ausgleich – überspitzt formuliert. Zähne zusammenbeißen, nicht nur Rosinenpicken, sich auch mal hinten anstellen: Es wird schon alles gut werden!

Wie bist du denn dort hingekommen, wo du jetzt bist?

Noch während meines Studiums war ich mit einer parteinahen Stiftung in Israel – und war total angefixt. Dann wollte ich unbedingt meinen Master dort machen, habe ihn dann 2013 in Tel Aviv abgeschlossen. Und dann ging es los: Ich war sechs Wochen Praktikant in einer winzigen Public-Affairs-Betrieb und konnte dann für kaum mehr Lohn in eine Kommunikationsagentur wechseln, die sehr viel Politisches gemacht hat. Und der Einsatz bis manchmal 2 Uhr nachts wurde dann mit einer Traineestelle honoriert. Und dann war da die Ausschreibung für eine Stelle in der Wirtschaftsförderung an der israelischen Botschaft. Das passte einfach perfekt. Mein erster, „richtiger“ Job. Auch wenn irgendwann Ernüchterung einsetzte und auch viel Sinnloses zu tun war, war es eine lehrreiche Zeit: Wie „verkaufe“ ich etwas, wovon ich vielleicht keine Ahnung habe oder wo ich nicht komplett dahinterstehe? Wie baue ich in einer für mich völlig uninteressanten Branche wie meinetwegen Hoch-/Tiefbau ein Netzwerk auf? Hätte ich da schnell den Kopf in den Sand gesteckt und wäre zum Beispiel zurück in die Agentur gegangen, wäre ich vor gut einem Jahr nicht in meiner Leidenschaftsbranche, der Luft- und Raumfahrt, gelandet.

Wie hat das Studium der Staatswissenschaften deinen Blick auf Deutschland und die Welt verändert?

Auch wenn nicht viel von den politischen Theorien bei mir übrig geblieben ist, hat mich das Menschenbild bei Hobbes in meiner Weltanschauung geprägt. Wenn man voraussetzt, dass der Mensch angeborenen Neid und Machtgier hat, nach dem Motto „Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf“, dann erklären sich für mich viele Prozesse auf nationaler und internationaler Bühne. Und die zweite Konstante, die seit dem Studium mein Weltbild prägt: Trotz zeitweiliger, vermeintlich zivilisatorischer Tiefpunkte, geht die Menschheit immer weiter nach vorne und ist immer mehr im Stande, zu leisten. Übrigens für mich ein Produkt dessen, dass wir neiden und danach streben, „was die anderen haben“. Das hilft einem manchmal, sich „rauszuzoomen“ und den Blick fürs große Ganze zu bekommen.

Ganz kurz zum Schluss: Was vermisst du aus deiner Studienzeit (in Erfurt) am meisten?

So viel Freiheit wie damals hatte ich nie wieder. Klar, das Geld war knapper als heute (und auch wenn Generation Y das nicht so sehen mag: auch Geld schafft ein Stück Freiheit). Aber auch die Verpflichtungen hielten sich im Rahmen (auch wenn man das in der Studienzeit noch ganz anders sieht) und die Möglichkeiten sich „auszuleben“, endlich mal der elterlichen Kontrolle entzogen, waren großartig. Auch die Freiheit, sich die Seminare, Referate, Vorlesungen auszusuchen, die einen interessieren. Ich merke erst im Nachhinein, dass die Jahre in Erfurt diejenigen waren, die mich als Charakter mit am meisten geprägt haben.

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