Ausgezeichneter Aufsatz: Lilú Kruspe erhält Preis der German Studies Association

Ausgezeichnet
Portätbild von Lilu Kruspe - weiße junge, geschminkte Frau mit dunklen langen Haaren, in Kamera lächelnd, sie trägt ein schwarzes japanisches Gewand, um sie ein Goldrahmen und Galaglitzer

Für ihre Hausarbeit „Auf der Suche. Deutsche Fremdenlegionäre als Forschungsreisende im Spiegel zeitgenössischer Kolonialimagination“ hat Lilú Kruspe den Preis für den besten Aufsatz einer Hochschulabsolventin im Fach Germanistik von der German Studies Association (GSA) erhalten. Nach ihrem Bachelor-Abschluss (Geschichtswissenschaft mit Nebenfach Literaturwissenschaft) ist Lilú an der Universität Erfurt im fünften Semester ihres Master-Studiums Geschichte transkulturell und hat sich darin intensiv mit Fremdenlegionären auseinandergesetzt – ein Thema, das sie auch nach ihrer Auszeichnung noch weiter beschäftigen wird. 

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts schien die Welt weitgehend entdeckt und die Fremdenlegion versprach das Erleben von aufregenden Abenteuern in der Fremde. Wie diese Verheißung in einer Flut von Romanen, Autobiografien, Zeitungen und Zeitschriften formuliert wurde – und was davon in der Realität noch Bestand hatte, hat Lilú Kruspe in ihrer Hausarbeit im Seminar „Mappings“ an der Professur Neuere Deutsche Literaturwissenschaft bei Prof. Dr. Wolfang Struck untersucht.

In ihrem Essay zeichnet sie nach, wie deutsche Akteure versuchten, ihre unerfüllten kolonialen Fantasien und Verlusterfahrungen des Ersten Weltkriegs und der Weimarer Republik mit einer Meldung zur französischen Fremdenlegion zu kompensieren. Die Einsatzgebiete der Legion in Nordafrika reiften durch die Rezeption von Abenteuerromanen, Reise- und Legionsliteratur im Bewusstsein der Legionäre zu verklärten Vorstellungen utopischer, romantischer und paradiesischer Orte, die den Legionären dabei helfen würden, sich selbst zu verwirklichen und ihre kühnsten Träume zu erfüllen. Auf diese Imaginationen folgte nicht selten Ernüchterung, die Fremdenlegionäre waren enttäuscht, denn schließlich erschienen die Länder Nordafrikas zu Beginn des 20. Jahrhunderts längst nicht mehr als „unberührte“ Orte. Diese Ideologien und Ideen leiteten bereits früh den Übergang von der Weimarer Republik zum Dritten Reich ein, so eine Hypothese dieser Hausarbeit. 

Vielfältig recherchiert, ausgewogen analysiert und klug rekonstruiert

In der Begründung der Auswahljury heißt es, die Untersuchung von Lilú Kruspe zeige „die Vorzüge einer fundierten historischen, literarischen und postkolonialen Analyse“ in Verbindung mit einer „Wiederherstellung der literarischen Konstruktion eines Afrikas innerhalb des Legionärskorpus und Erzählungen über die große Enttäuschung der Legionäre, die sich der Armee angeschlossen hatten, um die Romanfassungen der angeblich exotischen Erfahrungen im Ausland zu erleben.“ Hervorgehoben wurde die Vielfalt der Quellenbasis, besonders bei den Protestschreiben der Soldaten gegen die falschen Versprechungen der Legionärsliteratur. 

Kruspe liefert eine ausgewogene und stilistisch elegante Rekonstruktion der Erfahrungen von Akteuren, die aktiv nach Schauplätzen kolonialer Gewalt im kleinen, aber wachsenden Bereich der französischen Legionäre suchten“,  

heißt es weiter. Das Komitee würdigte die Auseinandersetzung mit einem selten beachteten Aspekt der kolonialen Vorstellungswelt des frühen 20. Jahrhunderts: dem Dienst für eine Kolonialmacht, die mit Frankreich gleichzeitig Erzfeind ist. Dem Beitrag gelinge es, den Wunsch nach einem Festhalten an kolonialen Vorstellungen mit einer alternativen Erzählung zur Fortsetzung des Kampfes nach der Niederlage des Ersten Weltkrieges zu verknüpfen. Prof. Dr. Wolfgang Struck freut sich über den Erfolg seiner ehemaligen Studentin und betont, dass sie mit ihrer Arbeit: „auf eine ebenso spannende wie wissenschaftlich anspruchsvolle Weise, literatur- und geschichtswissenschaftliche Argumentationen zusammenbringt, um ein weitgehend vergessenes Kapitel der Kolonialgeschichte wie auch der Geschichte von ‚Männlichkeit‘ zu rekonstruieren.“

Offen für neue Impulse: Wissenschaftliche Community

Wissenschaftlich geprägt und beeinflusst wurde Lilú durch zahlreiche Forschende, berichtet sie uns begeistert. Seit einigen Jahren schon arbeitet sie als Hilfskraft an verschiedenen Professuren und konnte so an Konferenzen und Tagungen teilnehmen, wo sie mit der wissenschaftlichen Community in Kontakt kam. 

Die wissenschaftliche Community ist sehr ermutigend und immer an neuen Mitgliedern interessiert, das schafft eine motivierende Atmosphäre.“

Dr. Bodie Ashton, bei dem sie früher als Hilfskraft beschäftigt war, habe sie damals ermutigt, sich wissenschaftlich zu engagieren und eigene Forschungsinteressen zu verfolgen. Auch das Team der Professur für Wissenschaftsgeschichte, allen voran Prof. Dr. Bernhard Kleeberg und Dr. Johanna Hügel unterstützten junge Forschende. So konnte Lilú „unglaublich viel lernen und Kontakte zu jungen Wissenschaftler*innen aus verschiedensten Forschungsrichtungen knüpfen".
Die Vorgespräche und abschließenden Kommentare von Prof. Dr. Wolfgang Struck waren ebenfalls sehr hilfreich für das Einreichen ihres nun ausgezeichneten Essays. 

Auf die Master- soll die Doktorarbeit folgen

In Ihrer Master-Arbeit wird sich Lilú Kruspe nun einmal mehr mit einem postkolonialen Thema beschäftigen. Im Zentrum ihrer Arbeit soll dann der sogenannte „Mädchenhandel“ und eine damit einhergehende und weitverbreitete „moral panic“ des frühen 20. Jahrhunderts stehen. Der Zeitraum und einige der verbreiteten Vorstellungen überschneiden sich mit den Ideen über Fremdenlegionäre, erzählt uns Lilú.

Und was möchte sie nach ihrem Studienabschluss machen? Direkt auf den Master-Abschluss soll ihr Dissertationsprojekt folgen und ansonsten: „plane ich definitiv, wissenschaftlich zu arbeiten“, in welcher Form und mit welcher Kapazität, das werde sich dann noch zeigen.

Essaypreis der German Studies Association (GSA) für Graduierte

Einmal im Jahr vergibt die German Studies Association an Studierende und Doktorand*innen weltweit den Preis für den besten Aufsatz in Germanistik. Berücksichtigt werden dabei bisher unveröffentlichte Manuskripte in Artikelform. Beiträge können in englischer oder deutscher Sprache eingereicht werden. Der Gewinnerbeitrag wird anschließend in der German Studies Review veröffentlicht.

Die German Studies Association ist die führende multidisziplinäre und interdisziplinäre Vereinigung von Wissenschaftler*innen, die sich mit deutscher, österreichischer und schweizerischer Geschichte, Literatur, Kultur-, Politik- und Wirtschaftswissenschaft befassen. Als gemeinnützige Bildungsorganisation fördert die GSA die Erforschung und das Studium der vielfältigen Geschichte, Kultur, Sprachen Politik deutschsprachiger Länder im globalen Kontext.

Die Mitgliedschaft steht allen offen, die sich für Germanistik interessieren. Mitglieder sind in der Regel Professor*innen und Studierende höherer Semester an Universitäten und Hochschulen in Nordamerika und internationale Forschende aus aller Welt.
Die GSA wurde 1976 als Western Association for German Studies gegründet und im Jahr 1984 in German Studies Association umbenannt.

GSA-Website: Prize for the Best Essay in German Studies by a Graduate Student (Englisch)